«Tüüfner Poscht»: Unabhängig trotz Gemeindegeld
In der Ausserrhoder Gemeinde Teufen beweist der frühere Radio- und Fernsehjournalist Erich Gmünder (61) als Chefredaktor der «Tüüfner Poscht», dass sich auch mit bescheidenen Ressourcen eine erfolgreiche Zeitung machen lässt.
Seit fünf Jahren arbeitet Erich Gmünder als Chefredaktor der Dorfzeitung «Tüüfner Poscht». Das Blatt erscheint monatlich, mit je einer Doppelnummer im Sommer und im Winter. Das Blatt macht Lust auf Dorfgeschichten und hat alle Elemente eines modernen Magazins: Reportagen, Features, Interviews, People-Stories, Politgeschichten, Klatsch, Kolumnen und Gemeinde-News. «Die Redaktion einer Dorfzeitung sitzt im Glashaus wie kaum eine andere», sagt Gmünder. «Politisch kennen wir keine Tabus. Es ist sehr schnell Geschirr zerschlagen. Aber wenn man darauf allzu sehr Rücksicht nehmen würde, wäre das Blatt entweder langweilig oder es würde nichts drin stehen.»
Die «Tüüfner Poscht» erscheint im 20. Jahrgang. Sie wurde 1995 auf Drängen der örtlichen Kulturkommission gegründet, um die heterogene Bevölkerung in der 6200-Seelen-Gemeinde, die sich einstmals in drei Dörfer teilte, zusammenzubringen. Zu Beginn war die Zeitung ein Mitteilungsblatt der Gemeinde. Seit Anfang dieses Jahres trägt ein Verein die Publikation und darantiert so die redaktionelle Unabhängigkeit. Neu erscheint die Lokalzeitung auch im Web.
Erich Gmünder führt die «Tüüfner Poscht» im Mandatsauftrag. Er ist nicht nur der einzige in der Redaktion, der nicht in der Gemeinde wohnt, sondern auch der einzige Medienprofi. «Meine Kolleginnen und Kollegen kommen aus anderen Berufen oder sind pensioniert. Sie kennen die Gemeinde-Interna und haben enge Beziehungen zur Bevölkerung» sagt er. Natürlich sei er inzwischen auch mit vielen Vorgängen in Teufen vertraut, meint Gmünder. Die gemeindeansässigen Kolleginnen und Kollegen der achtköpfigen Redaktion seien aber eine wichtige Rückversicherung für ihn und seine Arbeit. Zudem geniesse er es, ausserhalb Teufens zu leben, weil er so weniger Druck spüre.
Keine PR für Gemeinde oder Wirtschaft
Die Redaktion hat hehre Grundsätze: Sie fühlt sich der journalistischen Sorgfalt verpflichtet. «Jeder Beitrag wird gegengelesen», sagt der langjährige Radio- und TV-Journalist Gmünder. «Die Geschichten müssen stimmen, sie dürfen nicht geschönt sein, und auch Fakten dürfen nicht verdreht werden.» Die Redaktion pocht auf ihre Unabhängigkeit. «Wir sind nicht die PR-Abteilung der Gemeinde oder eines Wirtschafts-Unternehmens in der Gemeinde», sagt der Chefredaktor. Gmünder weiss auch, dass die Dorfzeitung, die mit einer Auflage von 4000 Exemplaren erscheint, eine gewisse Macht hat, mit der sorgfältig umzugehen ist. «Die Tüüfner Poscht liegt einen Monat auf, sie hat Langzeitaktualität. Man kann uns auch nicht abbestellen, weil wir gratis per Post in alle 3100 Haushaltungen der Gemeinde verteilt werden», sagt er.
Die Einnahmen der «Tüüfner Poscht» belaufen sich pro Jahr auf rund 250’000 Franken. Sie setzen sich aus den Erträgen der Zeitungsinserate, der Bannerwerbung des Onlineportals, den Werbebeilagen und den Abonnements für Auswärtige zusammen. Etwa ein Drittel des Gesamtbudgets trägt die Gemeinde über einen Globalkredit. Dafür stehen ihr in jeder Ausgabe vier Seiten zur Verfügung.
200 Franken Honorar für eine Seite
Rund 60’000 Franken kostet der Druck, seit das Blatt zu einer Druckerei in Gossau gewechselt hat. Das Redaktionsbudget ist eher bescheiden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten 200 Franken für eine Zeitungsseite und 100 Franken für eine halbe. Mit 20 Franken wird ein Bild für das Onlineportal entschädigt. Das Layout besorgt ein externer Grafik zu einem marktüblichen Preis. Die Bilanzsumme der «Tüüfner Poscht» liegt damit bei rund 400’000 Franken pro Jahr.
Das Inseratevolumen wachse erfreulich, weiss Gmünder. Mehr als die Hälfte der Werbung komme von ausserhalb der Gemeinde. Das sei sehr erstaunlich für eine kleine Gemeinde wie Teufen, sagt der Chefredaktor und hat auch eine Erklärung dafür: «In Teufen wohnen halt rund 400 Millionäre! Wir haben auch Inserate, die gezielt eine höhere Kaufkraftklasse ansprechen.» Die Ausserrhoder Gemeinde mag mit ihrer geballten Kaufkraft eine Ausnahme darstellen. Andere Kommunen sind diesbezüglich einiges bescheidener dotiert. Aber trotzdem schneiden kleine Blätter auf dem Werbemarkt verhältnismässig besser ab als die grossauflagige Konkurrenz.
Dorfzeitung füllt mediale Lücken
Die «Tüüfner Poscht» profitiert von eine sehr hohe Leserbindung. Sie füllt die Lücken, welche das St. Galler Tagblatt durch Ausdünnung der Lokalberichterstattung aus Spargründen verursacht hat. Das gehe von den Vereinsberichten bis zu den Zivilstandsmeldungen, meint Gmünder. Neben den Magazingeschichten wollten die Leute eben auch Informationen aus dem Makrobereich der Gemeinde. Beispielsweise seien für eine Dorfzeitung die Publikation von Todesanzeigen und von Berichten über Schulveranstaltungen sehr wichtig.
Wegen ihrer räumlichen Nähe ist eine Dorfzeitung auch eine moralische Instanz. «Die Tüüfner Poscht sieht sich in der Gemeindepolitik in der Rolle der Moderatorin», sagt der Chefredaktor. «Sie will nicht polarisieren. Eine Hofpostille ist sie deswegen aber trotzdem nicht. Die Unabhängigkeit wird hochgehalten. Geht sie verloren, verschwindet auch die Glaubwürdigkeit. Ohne sie kann aber keine Dorfzeitung gemacht werden, die ernst genommen werden will.»