von Herwig G. Höller

Marketing und Meinungsmache: das war Mateschitz als Medienmogul

In den letzten rund 15 Jahren baute der kürzlich verstorbene Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz ein Medienunternehmen auf als Marketingvehikel für das Dosengetränk. Aber nicht nur. Sein Fernsehsender Servus TV setzte rechte Akzente mit beträchtlicher Reichweite. Ob die thailändischen Mehrheitsbesitzer der Marke Red Bull Mateschitz’ Medien weiter finanzieren, ist ungewiss.

Dem österreichischen Multimilliardär Dietrich «Didi» Mateschitz, der am vergangenen Wochenende im Alter von 78 Jahren starb, verdankt die Welt nicht nur den Energydrink Red Bull. Der reichste Österreicher, den «Forbes» im Frühjahr mit einem Vermögen von mehr als 25 Milliarden Euro taxierte und der neben Arnold Schwarzenegger der wichtigste «Selfmademan» des Landes war, hat in den letzten anderthalb Jahrzehnten von Salzburg aus auch ein beachtliches Medienimperium aufgebaut.

Die von Mateschitz 2007 gegründete Red Bull Media House GmbH, die den Fernsehsender Servus TV betreibt und auflagenstarke Sport-, Kultur,- und Lifestyle-Zeitschriften veröffentlicht, ist dabei in vieler Hinsicht ungewöhnlich. Unter anderem deshalb, weil relevante Neugründungen in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten immer von Vertretern der Medienbranche ausgegangen waren. Seine Ambitionen als Medienmacher erinnerten eher an sogenannte Oligarchen im postsowjetischen Raum. In Russland und der Ukraine besorgten sich diese Unternehmer, die zumeist in Folge von Privatisierungen reich geworden waren, reichweitenstarke Medien. Damit forcierten sie die eigenen wirtschaftlichen und politischen Ambitionen. Ob das auch für den Verstorbenen galt, ist umstritten.

Mit einem Umsatz von 440 Mio. Euro im Jahr 2021 handelte es sich beim Red Bull Media House formal um den zweitgrössten österreichischen Medienkonzern.

Auffällig war jedenfalls, dass Mateschitz im Unterschied zu anderen Neureichen des Landes nie im Zusammenhang mit österreichischen Korruptionsfällen genannt wurde. Auch unternahm er keine plumpen Versuche, Inserate staatlicher Institutionen zu ergattern oder bei Behörden für Steuergeschenke zu intervenieren. Freilich war der Markt eines Staates mit neun Millionen Einwohnern für den Getränkehersteller, der 2021 knapp 10 Milliarden Dosen verkaufte, nie von herausragender Bedeutung. Anders verhielt es sich mit seinem Medienimperium.

Mit einem Konzernumsatz von 440 Millionen Euro im Jahr 2021 handelte es sich bei der Red Bull Media House GmbH formal um den zweitgrössten österreichischen Medienkonzern – lediglich der öffentlich-rechtliche ORF ist noch grösser. Der «Standard» schätzt allerdings, dass der tatsächliche Marktumsatz mit Medien im 2020 jedoch nur 63 Millionen Euro ausgemacht habe. Der grosse Rest seien Beiträge des Gesamtkonzerns Red Bull an das eigene Medienhaus, so der «Standard».

Besonderes Augenmerk legen die Red-Bull-Medien auf aufwendig produzierte Fotografien und Videos.

Zentrale Produkte dieses Medienhauses muten daher auch mehr wie grossangelegtes Corporate Publishing an. Insbesondere gilt das für das Flaggschiff «The Red Bulletin», das abgesehen vom offensichtlichen Hauptmarkt Österreich mit einer Auflage von 440‘000 auch in Deutschland (224‘000) und der Schweiz (258‘000) sowie in Frankreich, Grossbritannien und den USA erscheint. Verteilt wird die Monatszeitschrift dabei vor allem als Beilage anderer Printmedien, in der Schweiz etwa in der «Sonntagzeitung» sowie in «Le Matin Dimanche».

Inhaltlich handelt es sich bei vielen Beiträgen um Marketing zweiter Ordnung für das Dosengetränk: Die Rede ist zwar nicht vom mehr von Red Bull selbst, aber von gesponserten Sportveranstaltungen des Konzerns sowie von Extremsportlerinnen und -sportlern, die als Werbeträgerinnen und Werbeträger für den Energydrink fungieren. Besonderes Augenmerk wird dabei auf aufwendig produzierte Fotografien und Videos gelegt. Das erste Cover von «The Red Bulletin», ein Charakterkopf der Windsurf-Legende Bjørn Dunkerbeck, vor 15 Jahren vom Schweizer Maurice Haas fotografiert, vermerkte man in der aktuellen Ausgabe des Magazins stolz. Andere Medien bietet das Red-Bull-Medienhaus seine Bilder und Videos zur kostenlosen redaktionellen Verwendung an.

Servus in Stadt & Land» war zuletzt die meistgelesene Illustrierte Österreichs.

Während Elemente dieses Marketingmarketings in allen Produkten des Medienhauses vorkommen, haben Medienerzeugnisse ohne erkennbaren direkten Zusammenhang mit der Marke Red Bull zuletzt an Bedeutung gewonnen. Das gilt vor für allem für jene Monatszeitschriften, die gemeinsam mit «The Red Bulletin» fast 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung erreicht. «Servus in Stadt & Land», das sich in seiner jüngsten Nummer etwa mit welkenden Ahornwäldern und Kindergartenwaldpädagogik beschäftigte, war zuletzt die meistgelesene Illustrierte Österreichs. Aber auch andere Titel des Verlags wie «Bergwelten» oder «Carpe diem», die sich allesamt touristisch und kulinarisch ausgerechnet sind und sich ersehnten Wohlgefühlen widmen, konnten zulegen.

Der Fernsehsender Servus TV, den Mateschitz wegen dem Versuch des Personals, einen Betriebsrat zu gründen, 2016 noch fast hatte einstellen lassen, war im Jahr 2021 mit einem Marktanteil von 3,7 Prozent der reichweitenstärkste Privatfernsender Österreichs – und er wächst weiter. Verantwortlich dafür sind nicht nur Sportübertragungen, Tourismusdokus oder eine Unterhaltungsschiene. Gerade die Diskussions- und Informationssendungen zeichnen sich durch einen starken Rechtsdrall aus. Damit sind sie im gesamten deutschsprachigen TV-Markt allein.

In der Corona-Pandemie kamen auf «Servus TV» umstrittene Experten wie der Mediziner Sucharit Bhakdi zu Wort.

Der verantwortliche Intendant Ferdinand Wegscheider polemisierte vergangene Woche in seiner Fernsehkolumne «Der Wegscheider» etwa gegen «Corona-Ukraine-Hyperinflations-Wirtschaftscrash- und Klimahysteriewahnsinn». Auf «Servus TV» konnten sich aber auch schon rechtsradikale Identitäre ausführlich erklären, und in der Sendung des ehemaligen Wiener Staatsoperndirektors Ioan Holender wurde die russische Annexion der Krim befürwortet. Zu Beginn der Corona-Pandemie kamen in Talkshows umstrittene Experten wie der thailändisch-deutsche Mediziner Sucharit Bhakdi zu Wort, die Covid-19 verharmlosten und gegen politisch verordnete Massnahmen der Pandemiebekämpfung auftraten. Seit antisemitische Aussagen Bhakdis bekannt wurden, die 2022 in Schleswig-Holstein zu einer Anklage wegen Volksverhetzung führten, tritt dieser Stargast nicht mehr bei Servus TV auf. Dafür tritt seit vergangenem Sommer SVP-Nationalrat und Weltwoche-Verleger Roger Köppel als Moderator einer Talk-Sendung auf.

Wegen seiner Gästeauswahl warf die «Süddeutsche Zeitung» dem Sender einen «Schulterschluss mit den Aluhüten» vor. Angesichts einer besonders starken Pandemiewelle im österreichischen Alpenraum wurde 2020 in journalistischen Kreisen sogar spekuliert, dass fehlendes Problembewusstsein der dortigen Bevölkerung im Zusammenhang mit den Sendungen von «Servus TV» stehen könnte.

Die Talkshows des Salzburger Senders findet auch in Deutschland ihre Freunde. Mitte Oktober lobte Allzweckphilosoph Richard David Precht: «Wenn Sie ‹Servus TV› gucken, Talk im Hangar, da haben Sie zu solchen Fragen wie Waffenlieferungen [in die Ukraine, Anm. d. Red.] komplett ausgewogene, aus allen Seiten beleuchtende, beratschlagende Talkshows. Das könnte ein Vorbild sein.»

Ob Mateschitz mit dem rechten Drall seines Senders auch die öffentliche Meinung beeinflussen wollte, blieb unklar.

«Mateschitz hat jede grössere Programmentscheidung abgenickt», erzählte ein österreichischer Fernsehmacher, der anonym bleiben will. Der Red-Bull-Chef habe sich oft davon leiten lassen, dass ihm der jeweilige Typ gefiel. Die Entscheidungswege bei «Servus TV» seien im Vergleich zum ORF extrem kurz gewesen.

Ob der Unternehmer den rechten Drall vor allem als Werkzeug zur Steigerung der Einschaltquote sah oder ob er damit die öffentliche Meinung beeinflussen wollte, blieb dabei unklar. Er sehe die weitverbreitete Meinung, Mateschitz habe die von ihm gegründeten Medien als Mittel zur Verbreitung seiner Weltsicht gegründet, als «gröbste Fehleinschätzung», erklärte «Servus TV»-Moderator Michael Fleischhacker am Dienstag in einem Gastkommentar in der «Kleinen Zeitung». «Es sei denn, man würde seine fast körperliche Ablehnung von Konformismus und Meinungsdiktaten als Weltanschauung betrachten.»

Der selbst für seine Lust zum Widerspruch bekannte Fleischhacker war bis zu dessen Einstellung Chefredakteur des investigativen Onlinemediums «Addendum» gewesen, das Mateschitz 2017 als «eine publizistische Antwort auf die wuchernde Misstrauenskultur in der Gesellschaft» gegründet hatte und über eine Privatstiftung finanzierte. 2020 liess er das Projekt überraschend wieder einstellen. Mateschitz beabsichtige, die von ihm unterstützen journalistischen Aktivitäten stärker auf lösungsorientierte Projekte jenseits der politischen Alltagsauseinandersetzungen zu konzentrieren, hiess es in einer Mitteilung. Es sei trotz erheblichen Mitteleinsatzes und einer Reihe erfolgreicher und relevanter Rechercheprojekte insgesamt nicht gelungen, die Zielsetzungen der Stiftung in ausreichendem Mass zu erfüllen, klagte Mateschitz. Der Mitteleinsatz war mit 57 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für österreichische Verhältnisse tatsächlich massiv gewesen.

Dass der verstorbene Multimilliardär in Form von Stiftungen für seine Steckenpferde vorgesorgt haben könnte, gibt es bislang keine Belege.

Etwas bescheidener tritt das als Nachfolgeprojekt interpretierte und eher rechtslastige Diskursorgan «Der Pragmaticus» auf, das Mateschitz 2021 gemeinsam mit Michael von und zu Liechtenstein in Liechtenstein gründete. Anders als sein verstorbener Bruder Vincenz, der für die konservative Volkspartei im österreichischen Parlament sass, ist Ex-Unternehmer Michael von Liechtenstein in Österreich kaum bekannt. Der Verwandte des regierenden Fürsten in Vaduz und Enkel des letzten österreichischen Kaisers Karl I. leitet in Liechtenstein einen Thinktank namens Geopolitical Intelligence Services AG. «Der Pragmaticus» mutet in seinen Zugängen vor allem wie das Hausmedium dieses Thinktanks an. An welches grössere Publikum sich die Zeitschrift dabei wenden soll, die à la «The Red Bulletin» österreichischen Zeitungen beigelegt wurde und die seit kurzem auch im österreichischen Einzelhandel vertrieben wird, ist gleichzeitig unklar. In Ermangelung von Inseraten oder öffentlichen Subventionen bleib auch fraglich, ob sie ohne ihren Unterstützer Mateschitz wirtschaftlich überleben könnte.

Die Überlebensfrage wurde in den vergangenen Tagen aber nicht nur zum «Pragmaticus» gestellt. Da die thailändischen Partner von Mateschitz formal 51 Prozent bei Red Bull halten, werden sie nach seinem Ableben auch über den Geldfluss des riesigen Marketingbudgets entscheiden. Für Spekulationen, dass der verstorbene Multimilliardär in Form von Stiftungen für seine Steckenpferde vorgesorgt haben könnte, gibt es bislang keine Belege. Denkbar wäre freilich, dass er dafür grosse Summen in seine Kunst und Kultur DM Privatstiftung, vormals Quo Vadis Veritas Privatstiftung, eingebracht hat. Im österreichischen Firmenbuch ist dies jedoch nicht abzulesen. Ende August 2022 wurde lediglich der Zweck der Stiftung um die Förderung von Sport erweitert. Zuvor war nur die Rede von der Förderung des demokratischen Staatswesens, der Erwachsenen- und Volksbildung, der Heimatkunde und Heimatpflege, der Kunst und der Kultur, des Umweltschutzes und der Völkerverständigung gewesen.

Bild: Keystone

Leserbeiträge

Monsieur Digital 28. Oktober 2022, 09:29

Dass die Aluhütte und Corona Warner recht hatten, wird gerade öffentlich in den EU Hearings und schon länger in Senats Hearings in den USA ersichtlich. Unser grösstes Problem in den Medien ist, dass Bei der Beurteilung einer Medienlandschaft das Augenmerk nicht nur auf die Ereignisse zu richten ist, über die berichtet wird, sondern viel mehr darauf, was und worüber nicht berichtet wird!
Da hat Servus TV einen wichtigen Beitrag geleistet. Danke Servus TV.

Adlersan 11. November 2022, 11:33

Früher waren Journalisten angesehene Menschen. Sie haben Informationen gesammelt, aufbereitet und waren bestrebt, die Wahrheit zu publizieren. Leider wurde die Medienlandschaft schnell von Politik & Wirtschaft instrumentalisiert und finanziert. Wer zahlt, schafft an.

Dank Social Media & Co. ist die Menschheit nicht mehr auf die Lügenpresse angewiesen. Der Mensch ist damit mündig geworden und kann sich seine eigene Meinung bilden. Um dazu imstande zu sein, braucht es keine instrumentalisierten Schreibtischtäter, sondern alle Informationskanäle, um möglichst ALLE Informationen und Meinungen abzubilden und nicht nur das, was Politik & Wirtschaft den Leuten gerne servieren wollen. Mateschitz bot eine Plattform für die andere Seite. Wer, wenn nicht er, denn auf finanzielle Unterstützung aus Politik und Wirtschaft konnte er getrost pfeifen.