Artikelauswahl als Anfix-App
Die jüngste NZZ-Publikation heisst «NZZ Selekt». Für zehn Franken im Monat bietet die App an Wochentagen eine Auswahl von zehn Artikeln. Das neue digitale Bezahlangebot steht damit in Konkurrenz zur Gratis-App mit dem Gesamtangebot von NZZ.ch.
Von Montag bis Freitag, jeweils um 16 Uhr, ist es so weit: Wer «NZZ-Selekt» auf Iphone oder Ipad installiert hat, kriegt eine Auswahl von zehn NZZ-Artikeln zur Lektüre empfohlen. Die neue App kostet zehn Franken im Monat. Damit erweitert die Neue Zürcher Zeitung ihr kostenpflichtiges Digitalangebot. «NZZ Selekt» richte sich nicht in erster Linie an bestehende Abonnenten, teilt Unternehmenssprechern Myriam Käser auf Anfrage mit. «Das Produkt soll als Einstieg in die NZZ-Welt dienen.» Entsprechend breit präsentiert sich die Textauswahl; von allem ein bisschen. Allen Artikel gemeinsam ist der geringe Newsgehalt. «Die ausgewählten Artikel haben eine lange Halbwertszeit, da es sich vorwiegend um Hintergrundartikel handelt», erklärt Käser. Die neue App soll also Lesestoff und nicht Breaking-News bieten.
Ein Blick in die Testausgaben der letzten Woche zeigt, wie die für die Auswahl verantwortliche NZZ-Tagesleitung diesem Anspruch gerecht werden will. Am letzten Freitag gab es Artikel zu Burundi, Baltikum und B.B. King. Innenpolitik findet sich in Form eines Hintergrundstücks zur Kasachstan-Lobby-Affäre, sowie eines Kommentars zur Schädlichkeit der subventionierten Landwirtschaft in der Schweiz. Der ist gleichzeitig der kürzeste Text mit knapp 5000 Zeichen. Der längste, ein Zweiteiler zu 150 Jahren Erstbesteigung des Matterhorns, zählt rund 13’000 Anschläge und ist exklusiv im kostenpflichtigen Angebot der NZZ und nicht auf NZZ.ch frei erhältlich. Das ergibt durchschnittliche Lesezeiten zwischen drei und neun Minuten. Für alle zehn Artikel zusammen darf man demnach mit rund Dreiviertelstunden Lektüre rechnen. Die Lesedauer pro Artikel wird in der Tagesübersicht ausgewiesen.
Sämtliche Texte gibt es auch auf anderen NZZ-Plattformen zu lesen. Und dort zumeist kostenlos. Man bezahlt bei «NZZ Selekt» also weniger für die Artikel an sich, sondern für die Selektion und das Leseerlebnis in der App. Optisch und von der Nutzerführung her zählt die neue digitale Publikation zu den ansprechenderen Produkten, die das heimische Verlagswesen hervorgebracht hat. Wenig Schnickschnack, es gibt, was es gibt. Die geringe Textmenge und der starre Publikationsrhythmus begünstigen eine aufgeräumte Gestaltung. Der Schwerpunkt liegt klar auf dem Text, wobei das Bild nicht zu kurz kommt. Sowohl die Tagesübersicht, als auch die Textpräsentation der einzelnen Tage setzen starke visuelle Akzente dank grosszügiger Bebilderung und reduziertem Texteinsatz. Die Werbung wirkt dagegen sehr diskret. Jeweils am Artikelende ist das Logo eines Autoherstellers zu sehen.
Bei allen Vorzügen, die «NZZ Selekt» bietet, gibt es ein paar kritische Punkte.
Preis: Zehn Franken für monatlich rund 16 Stunden Lesestoff sind im Prinzip nicht viel Geld. Wenn aber direkt daneben im App-Store das Gratisangebot der NZZ lockt, dürfte es sich die eine oder der andere noch einmal überlegen, Geld für ein Angebot ohne direkten publizistischen Mehrwert locker zu machen.
Strategie: Für ein Einsteigerangebot wirkt die Preisstrategie ambitioniert. Eher würde man erwarten, dass die vollwertige App kostet (und dafür euch eine E-Paper-Lösung fürs Smartphone angeboten wird) und die Anfix-App gratis angeboten wird. So macht es seit jüngst die New York Times, die erst letzte Woche «NYT Now», ein vergleichbares Angebot mit «NZZ Selekt», von der Kostenpflicht befreit hat.
Inhalt: Reduktion in Ehren, aber ohne Aktualität taugt «NZZ Selekt» nur als Zweit-App. Wer auch die News der NZZ-Redaktion lesen will, braucht also die klassische App. Die ist gratis und bietet den gleichen Lesestoff auch.
Gestaltung: Hier besteht noch Optimierungsbedarf. Bilder, Grafiken und Navigation erfordern zum Teil noch unnötige Fingerfeinarbeit. Da werde sich aber noch was tun, versichert NZZ-Sprecherin Myriam Käser. «In Zukunft wird der Einsatz von Bildern noch weiter ausgebaut» und man arbeite «kontinuierlich an der Weiterentwicklung der App.»