Empfang von Fall zu Fall
Reimt sich Radiozukunft auf DAB-Digitalradio oder nicht doch auf Webradio und Internet-Stream? Sowohl als auch, denn Radio wird in Zukunft vor allem hybrid sein. Inzwischen zeichnet sich ab, wo sich welche Technologie als bester Übertragungsweg eignet. Einem optimalen Hörgenuss stehen indes die Gerätehersteller im Weg.
Digitalradio ist vor allem Autoradio. Gerade werden für 30 Millionen Franken rund 300 Strassentunnels für den DAB-Empfang ausgerüstet. Bereits in seiner Gründungsphase vor fast zwanzig Jahren stand die Versorgung der Autobahnachsen im Zentrum des Netzausbaus. Der öffentliche Verkehr dagegen, insbesondere die Intercity-Achsen, sind bis heute DAB-freie Zonen geblieben – und werden es auch bleiben.
Wer es trotzdem versucht und mit einem mobilen Digitalradio-Empfänger im Zug Radio hören möchte, kriegt bestenfalls einen munteren Mix aus Signalschwankungen und digitalem Rauschen aufs Ohr gedrückt. Aber wer macht das auch. Schliesslich funktioniert der Webstream unterwegs inzwischen ganz flott und niemand käme auf die Idee, eigens ein Radiogerät mit sich zu führen.
Digitaler Radioempfang hätte eigentlich auch in fahrenden Zügen ermöglicht werden sollen. In den letzten zehn Jahren fanden immer wieder Gespräche statt zwischen SRG und SBB, allerdings nie mit verbindlichen Ergebnissen. So sei man auch heute wieder miteinander im Gespräch, sagt Marco Derighetti. «Wir verhandeln aber nicht konkret», ergänzt der Direktor Operationen der SRG. Damit dürfte sich im öffentlichen Verkehr der Mobilfunk als Übertragung für Musik und Radio auf längere Frist durchgesetzt haben. Erst recht, wenn die Telecom-Anbieter ihre Netze weiter ausbauen und zusammen mit den SBB das Rollmaterial für einen stabilen und störungsfreien Empfang ausrüsten.
Die SRG als treibende Kraft hinter dem Ausbau der DAB-Versorgung in der Schweiz nimmt den «Verlust» der Eisenbahnstrecken in Kauf. «Priorität hat für die SRG der Ausbau entlang der Siedlungen, Strassen und vor allem auch in Strassentunnels», erklärt Technologie-Chef Derighetti. Dass die immer potenteren und zuverlässigeren Datennetze den Erfolg von DAB-Digitalradio grundsätzlich gefährden könnten, glaubt man bei der SRG hingegen nicht. Vielmehr zeichnen sich die Konturen einer Arbeitsteilung zwischen den unterschiedlichen Übertragungstechnologien ab.
Streaming wird auf längere Sicht in Ballungsgebieten und im öffentlichen Verkehr die einzig sinnvolle Technologie sein zur Tonübertragung. Wohingegen sich DAB-Digitalradio für den stationären Empfang mit längeren Nutzungszeiten besser eignet, weil keine zeit- und datenabhängigen Kosten entstehen. Was aber noch fehlt und einer Ideallösung am nähesten käme, weil ein Gerät alles kann.
Die Ideallösung läge in Smartphones, die auch DAB empfangen können und je nach Situation den optimalen Dienst aktivieren: Streaming unterwegs und DAB im Auto, zuhause oder sonst bei stationärem Radiokonsum. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Zwar gehörte einst ein UKW-Radio bei einzelnen Handyherstellern, etwa Nokia, zu einem Standardfeature. Einen Digitalradio-Chip einzubauen, hat bis jetzt noch niemand im Angebot. Damit sich das ändert und der Nutzer jederzeit und überall die beste Empfangsmöglichkeit nutzen kann, versucht die Europäische Rundfunkunion EBU in Genf, die Gerätehersteller zum Handeln zu bewegen. Bis jetzt noch ohne für den Konsumenten spürbaren Erfolg.
Ueli Custer 22. September 2015, 18:43
DAB hat gerade im Auto seine allergrössten Vorteile, entfällt doch die laufende Suche nach der der geeignetsten Frequenz. Deshalb macht die prioritäre Versorgung der Autobahnen schon sehr viel Sinn. Im Zug ist dagegen ein lückenloser Onlineempfang von grösserer Bedeutung. Und damit im Zusammenhang natürlich auch das Streaming, das für die Sender aber nutzungsabhängige Kosten generiert.