von Journalismus Y

«Wir fokussieren auf das Alltägliche»

Das niederländische Online-Magazin De Correspondent macht vieles richtig: Gestartet mit 19’000 Unterstützern per Crowdfunding, haben sie heute 55’000 zahlende Mitglieder und wollen demnächst in die USA expandieren. Wir wollten wissen: Was ist ihr Erfolgsrezept?


Gefragt haben wir Maaike Goslinga (26) International Editor. (Der Altersdurchschnitt auf der holländischen Redaktion liegt bei nur 33 Jahren.) Über die Kernidee von De Correspondent sagt sie:

«Wir berichten über die Dinge, die jeden Tag passieren.»

Also nicht wie konventionelle Medien, die über das berichten, was eben genau nicht jeden Tag passiert – das Ausserordentliche. «Wir glauben nicht, dass man von den Nachrichten lernt, wie die Welt funktioniert. Sondern nur, wie sie eben genau nicht funktioniert.» De Correspondent versuche deshalb die Dinge grundsätzlichen anzuschauen und längerfristige Entwicklungen, strukturelle Phänomene zu beleuchten.

Die zweite Kernidee des Online-Magazins sei die Basis – die Mitglieder. Jedes Mitglied sei ein Experte auf irgendeinem Gebiet. Ob es sich nun um einen Arzt oder um einen Kranken handelt: Beide wissen viel über die Krankheit. Dieses Wissen versucht De Correspondent einzubinden. Und zwar lange vor der Publikation eines Inhalts.

Jedem Autor sein Tagebuch

De Correspondent funktioniert stark autorenbasiert – daher auch der Name. Jede Autorin und jeder Autor sucht sich eigene Themen, recherchiert so lange er oder sie will und unterhält währenddessen einen persönlichen Newsletter.

Interessiert sich ein Leser beispielsweise für Umweltthemen, abonniert er den Newsletter des Umwelt-Korrespondenten. «Die Autoren veröffentlichen darin den Zwischenstand ihrer Recherche» und bieten dabei der Leserschaft die Möglichkeit, sich einzuschalten. So wurde dem «Correspondent» zum Beispiel ein firmeninternes Video von Shell aus den 90er-Jahren zugespielt, das beweist, dass Shell schon damals sehr genau wusste, dass der Klimawandel stattfindet.

Überraschende Einnahmequellen

Einige Autoren haben ihre Recherchen am Ende als Buch veröffentlicht. De Correspondent – sonst komplett digital-only – ist so unterdessen doch noch ins Printgeschäft eingestiegen. Und verdient damit Geld!

Unterdessen sind die «Correspondents», also die Redaktoren, gefragte Experten auf ihrem Gebiet. Und das machen sie ebenfalls zu Geld. Sie werden zu Konferenzen eingeladen oder als Berater engagiert. Ein Teil der Honorare für diese Tätigkeiten fliesst zurück ans Medienhaus.

Das positive Narrativ

Darauf angesprochen, ob sie sich als Konkurrenz zu konventionellen Medienhäuser sehen, sagt Maaike «Nein, denn wir machen etwas komplett anderes als sie. Wir ergänzen uns viel eher.» Entweder indem De Correspondent eine aktuelle Entwicklung aufgreift und erklärt oder sie vorwegnimmt. So geschehen mit den Panama Papers, wo De Correspondent mit einer ausführlichen Analyse der Funktionsweise von Steuerhinterziehungen aufwarten konnte..

Und so gibt sie jenen, die selbst so etwas wie den Correspondent starten möchten vor allem eines auf den Weg: «Starte immer mit einer positiven Motivation und nicht mit einer Negativen.» Also nicht gegen die anderen sondern für etwas Neues, das wichtig für die Gesellschaft als Ganzes ist. «Man muss den Leuten Hoffnung schenken.»

Anmerkung: Demnächst versucht de Correspondent eine Expansion in die USA. Diese war leider zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht öffentlich bekannt und deshalb nicht Thema des Gesprächs.