von Nick Lüthi

Ein Newsletter tuts auch

Nach dem Abbruch des Österreich-Experiments und der Auflösung der Redaktion in Wien, setzt die NZZ mit ihrer Auslandstrategie nicht mehr auf eigenständige Ableger im Ausland. Vielmehr soll das Kernprodukt, die Neue Zürcher Zeitung, in den gesamten deutschsprachigen Raum ausstrahlen. Der neue Newsletter des Chefredaktors zur deutschen Innenpolitik ist einer der Wege, um zahlungsbereite Kunden aus Deutschland zu gewinnen.

Die einen kommen, die anderen gehen. Während Tamedia in Österreich ein Zeichen des Aufbruchs setzt mit der Neueinkleidung von heute.at, zieht sich die NZZ aus Österreich zurück. Ende April hat sie NZZ.at eingestellt, was aber nicht als Ende der Expansion ins Ausland verstanden werden darf.

Dass die Zürcher Zeitung mit ihrem Österreich-Ableger einen schweren Stand haben würde, war von Anfang an klar, in einem Markt, wo vorher noch niemand online Bezahlinhalte angeboten hatte. Dennoch etablierte sich NZZ.at sehr schnell als alternative Stimme im Wiener Medienchor. Abozahlen hat das Unternehmen nie genannt. Nur so viel ist jetzt klar: Es waren zu wenige zum langfristigen Überleben. Gemäss Branchenspekulationen sollen es doch einige tausend gewesen sein, die zahlten; in einem Land ohne Bezahlkultur für journalistische Online-Inhalte ein kleiner Erfolg im Misserfolg.

Bereits ein Jahr nach dem Start von NZZ.at straffte das Mutterhaus die Leine und band die Wiener Redaktion stärker an die Zentrale in Zürich. Personal wurde abgebaut, die Eigenleistungen reduziert. Ein weiteres Jahr später war dann endgültig Schluss. Einen eigentlichen Auslöser für den Schliessungsentscheid habe es nicht gegeben, teilt eine NZZ-Sprecherin auf Anfrage mit. Zwei Jahre sind selbst in der schnelllebigen Internetwelt eine kurze Zeit. Dass die NZZ die Übung so schnell abgebrochen hat, zeigt auch, dass es sich um ein hoffnungsloses Unterfangen gehandelt haben muss, mit NZZ.at auf einen grünen Zweig zu kommen. Was das Unternehmen so auch bestätigt: «Die Entscheidung haben wir zu einem Zeitpunkt getroffen, wo wir es nicht als hinreichend gesichert sahen, dass das Produkt auch langfristig auf eine wirtschaftlich erfolgreiche Schiene geführt werden könne.»

Das Aus für NZZ.at markiert eine Zäsur im Auslandengagement der Neuen Zürcher Zeitung, immerhin wird eine funktionierende Redaktion aufgelöst, Journalisten werden entlassen und Abonnenten enttäuscht zurückgelassen. Eine Katastrophe bedeutet das aber nicht. Jeder Versuchsballon gelangt früher oder später an sein Lebensende, liefert aber in der Zwischenzeit wertvolle Erkenntnisse. NZZ.at war das erste Produkt, das die NZZ unter einer neuen Strategie lanciert hatte. «Es gab die Initialzündung für eine Reihe weiterer Produktinnovationen in Print und digital», teilt eine Sprecherin mit.

Eine andere Erkenntnis: Die NZZ wird sicher kein eigenständiges Tochterunternehmen in Deutschland aufbauen. «Heute integrieren wir alle neuen Angebote in unsere bestehende technische Infrastruktur», heisst es bei der NZZ. Zum Start des Betriebs in Wien vor gut zwei Jahren sei man noch nicht so weit gewesen. Unter den neuen strategischen Vorzeichen nimmt man nun den deutschsprachigen Markt ins Visier. «Wir wollen auf unser Kernprodukt, die ‹Neue Zürcher Zeitung› fokussieren und dieses schrittweise auch für Zielgruppen im deutschsprachigen Ausland attraktiver gestalten», erklärt NZZ-Geschäftsführer Steven Neubauer. Was das genau heisst, zeigte sich wenige Tage vor Bekanntgabe der Einstellung von NZZ.at.

Am 7. April verschickte Chefredaktor Eric Gujer erstmals seinen wöchentlichen Newsletter «Der andere Blick» zur deutschen Innenpolitik. «Die Inspiration für diesen Newsletter kommt von Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern», begrüsste Gujer die Abonnenten. Er verwies dabei auf die steigenden Zugriffe von Deutschland aus auf das Angebot von NZZ.ch. Eine Entwicklung, die mit dem Dienstantritt von Gujer als Chefredaktor und René Scheu als Feuilletonchef deutlichen Auftrieb erhalten hat.

=> Mehr zur NZZ und ihren neuen deutschen Freuden. Unsere Analyse vom 3. August 2016.

Mit dem neuen Newsletter will die NZZ ihre Reichweite und das Engagement in Deutschland weiter ausbauen «und die Basis für mögliche Aboverkäufe legen», so NZZ-Geschäftsführer Neubauer. In einer ersten Phase gehe es nun darum, die Nutzungsdaten des Newsletters zu analysieren «um zu lernen, wie wir diese Nutzergruppen noch besser erreichen und zu zahlungsbereiten Kunden entwickeln können.» Den ersten Schritt dazu machen die Newsletter-Abonnenten gleich selbst. Sie müssen ein kostenloses NZZ-Konto anlegen als Voraussetzung für den Erhalt des chefredaktionellen Wochenbriefs.

Ein publizistisch heimatloses liberal-konservatives Publikum in Deutschland, das die NZZ bereits heute mit einem Teil ihrer Berichterstattung erfolgreich anspricht, hat – wenig überraschend – auch beim Newsletter schnell angebissen. Mit Frauen und Linken dagegen tat man sich nach dem Start noch schwer, wie interne Zahlen zeigen. Gezielte Werbemassnahmen sollen die unterschiedlichen Zielgruppen in Deutschland ansprechen und zum Abokauf motivieren.

Aber auch in Österreich gehen die internationalen Aktivitäten weiter nach dem Aus von NZZ.at. In Wien hat Anfang Mai Stefan Lassnig die Zelte aufgeschlagen und soll von dort aus die internationalen Verkaufsaktivitäten verbessern. Neben dem Geschäft mit der Werbung soll Lessing zudem «Internationalisierungsprojekte» verantworten, wovon der neue Chef-Newsletter eines ist.

Bei allen Neuerungen darf man natürlich das weiterhin wichtige Standbein der NZZ-Auslandpräsenz nicht unterschätzen. Lange bevor andere Schweizer Medienhäuser ins Ausland gingen, brachte die Zürcher Zeitung 1937 eine «Internationale Ausgabe» auf den Markt. Auch heute noch wird täglich eine Auflage von 7500 Exemplaren mehrheitlich in Deutschland und Österreich verkauft.

Leserbeiträge

peter eberhard 09. Mai 2017, 15:38

…konservatives Publikum…? Sie meinten liberales Publikum, oder? Die NZZ ist ja nicht die Weltwoche.

Nick Lüthi 09. Mai 2017, 15:40

liberal-konservativ 😉

peter eberhard 09. Mai 2017, 15:46

Es gibt keinen Adjektiv-Liberalismus – so wenig wie es eine Fast-Schwangerschaft gibt 😉