von Nick Lüthi

SRG und No-Billag: Fingerspitzengefühl im Abstimmungskampf

Wie weit dürfen die Medien der SRG gehen im Abstimmungskampf um die No-Billag-Initiative? Als Maxime gilt die Wahrung der journalistischen Unabhängigkeit, wie sie auch für alle anderen Themen gilt. Das ist leichter gesagt als getan, wie ein aktuelles Beispiel von Swissinfo zeigt.

Pünktlich zur Abstimmung im Nationalrat über die Volksinitiative zur Gebührenabschaffung veröffentlichte das Auslandportal der SRG einen Faktencheck zum Thema. Man habe die besten Argumente der Befürworter und Gegner unter die Lupe genommen, erklärt Swissinfo dazu. Dürfen die das? Oder allgemeiner gefragt: In welcher Form kann eine der Unabhängigkeit verpflichtetes Redaktion des öffentlichen Rundfunks über ein politisches Geschäft berichten, von dessen Ausgang seine Weiterexistenz direkt abhängt?

Allein die Tatsache, dass Swissinfo in dieser Situation einen Faktencheck vornimmt, kann man als Beleg für die journalistische Unabhängigkeit lesen. Nach der Maxime: Wir entscheiden journalistisch und nicht nach der politischen Agenda des Unternehmens. Die beiden lassen sich aber nur schlecht trennen. Auch wenn es die Aktualität und das öffentliche Interesse gebieten, dem medienpolitischen Grossthema angemessen Raum zu bieten, geht man mit einem Faktencheck ein grösseres Risiko ein als mit anderen Formaten. Fehler und Fehleinschätzungen machen sich besonders schlecht, zumal hier nichts Geringeres als der «Wahrheitsgehalt» von Aussagen geprüft wird.

Der Faktencheck erscheint so als Parteimeinung und die Intention einer abschliessenden Prüfung der Argumente von Befürwortern und Gegnern verpufft.

Wenn das Ergebnis des Faktenchecks dann noch weitgehend auf der Linie des SRG-Argumentariums gegen die geplante Gebührenabschaffung liegt, dann ruft dies förmlich nach einem Gegencheck. Dankbar nahm «Weltwoche»-Redaktor und No-Billag-Mitinitiant Florian Schwab den Ball auf. Für das Branchenportal persoenlich.com kommt er – wenig überraschend – zu so ziemlich dem gegenteiligen Ergebnis des ursprünglichen Faktenchecks. Und auch in den Kommentaren zum Swissinfo-Artikel gelangen Leserinnen und Leser zu anderen Einschätzungen. Der Faktencheck erscheint so als Parteimeinung und die Intention einer abschliessenden Prüfung der Argumente von Befürwortern und Gegnern verpufft. Stattdessen steht Swissinfo im Ruch, mit den Mitteln des Journalismus Wasser auf die eigene Mühle zu leiten im Abstimmungskampf.

Das Beispiel zeigt, wie schmal der Grat ist, auf dem sich die Medien der SRG mit der Berichterstattung in eigener Sache bewegen. Im Grossen und Ganzen meistert man diese Aufgabe souverän. Die Berichterstattung ist professionell, alle Seiten kommen zu Wort. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass die SRG ihren Gegnern aus Politik und dem No-Billag-Umfeld regelmässig eine prominente Platform bietet. Wenn Schweizer Radio und Fernsehen in letzter Zeit verstärkt über Medien und Medienpolitik berichten, dann liegt das nicht aus erhofftem Eigennutz, sondern wegen der politischen Aktualität und der gesellschaftlichen Relevanz des Themas.

Umso wichtiger ist es darum, neben dem richtigen und wichtigen Gebot der journalistischen Unabhängigkeit und Ausgewogenheit, im Einzelfall auch Fingerspitzengefühl walten zu lassen.

Doch es gibt auch noch eine persönliche Ebene. Der Ausgang der Abstimmung über die Gebührenabschaffung betrifft die SRG-Journalistinnen und -Journalisten sehr direkt. Zwar gehört es zum professionellen Rüstzeug, die eigene Meinung hinten anstellen zu können und die Fakten für sich sprechen zu lassen. Geht es aber um so existenzielle Fragen wie jene nach der Zukunft des Medienplatzes und der eigenen Arbeitsstelle, ist es völlig normal, wenn man sich gegen den drohenden Jobverlust wehrt. Umso wichtiger ist es darum, neben dem richtigen und wichtigen Gebot der journalistischen Unabhängigkeit und Ausgewogenheit, im Einzelfall auch Fingerspitzengefühl walten zu lassen. Im Fall des Swissinfo-Faktenchecks liess man solches vermissen.

Leserbeiträge

Lahor 29. September 2017, 07:37

Die Güte des SRF-Faktenchecks zur NoBillag erkennt man daran, dass man die Resultate schon vor dem Lesen kennt.

Somit verliert SRF noch mehr Vertrauen und schadet sich selbst.

Wer ist in dieser Sache überhaupt neutral? 29. September 2017, 10:05

In Sachen SRG und No Billag ist praktisch kein schweizerisches Medium neutral. Auch beim Lesen der Beiträge in den Zeitungen ist die „Schere im Kopf“ immer wieder mehr oder weniger deutlich wahrzunehmen. Denn welcher Journalist riskiert in diesem unsicheren Tagen, seinen Big Boss zu brüskieren?

Peter Schibli 29. September 2017, 11:30

Stellungnahme von Peter Schibli, Direktor SWI swissinfo.ch:

Der Faktencheck war/ist nach unserer Überzeugung das richtige Format. Faktencheck (der korrekte Begriff wäre: Behauptungstest) ist ein publizistisches Format, das bei SWI swissinfo.ch seit gut einem Jahr in vier Sprachen D, F, I, E gepflegt wird.

Das Überprüfen von Fakten erachten wir als journalistische Grundsatzpflicht. SWI hat Faktenchecks zu Themen wie erleichterte Einbürgerung, Wirtschaftsflüchtlinge, AKW/Energiepolitik, Recycling und Werbeverbot für Tabakprodukte publiziert. Faktenchecks werden von SWI regelmässig zu Abstimmungsvorlagen gemacht. 

Der neuste Faktencheck zur NoBillag-Debatte untersucht Aussagen der Befürworter Innen und GegnerInnen der NoBillag-Initiative gleichermassen. Es handelt sich um eine Auswahl der in der Parlamentsdebatte vorgebrachten Argumente.  Die Auswahl der geprüfen Quotes gehört zur journalistischen Unabhängigkeit. Die Transparenz, dass SWI zur SRG gehört, war jederzeit gewahrt. Die Qualitätskriterien der SRG wurden eingehalten.

SWI hat 2013-2016 am Europäischen Faktencheck-Projekt „Pheme“ mitgewirkt und hält sich an die gängigen publizistischen Qualitäts-Standards (https://www.pheme.eu/). Das Faktencheck-Dossier gibt eine Übersicht: https://www.swissinfo.ch/ger/dossiers/der-faktencheck-von-swissinfo-ch. 

 

SWI-intern findet ein Debriefing statt. Wir überprüfen, wie wir den Workflow und das Qualitätscontrolling von Faktenchecks optimieren und das neue Format weiterentwickeln können. (29.9.17 / 11.30 Uhr)

Lahor Jakrlin 29. September 2017, 12:53

Sie erhalten hiermit eine Absolution, Herr Schibli.

Alle Sünder erhalten eine Absolution.

Frank Hofmann 29. September 2017, 14:30

Entscheidend ist doch, dass die Szenarien „No Billag“ und „Nur 200 Fr.“ gar nicht antizipiert werden können, denn niemand kann voraussagen, was eintreffen würde bei einer Annahme dieser Vorlagen. Somit ist ein „Faktencheck“ obsolet, da es bloss um Behauptungen und äusserst vage Prognosen geht. Nicht einmal die Frage der Unabhängigkeit der SRG kann mit einem Faktencheck geklärt werden, da die Antwort je nach Standpunkt unterschiedlich ausfallen muss. Für mich jedenfalls ist die SRG politisch alles andere als neutral, sondern von CVP und SP gekapert worden. Ein Blick auf die Zusammensetzung der Gremien (CVP-dominiert) und die Moderatoren der politischen Sendungen (Schawinski, Brotz, Projer …) genügt.

Dario 01. Oktober 2017, 13:52

Für mich ist jetzt schon klar das ich nein stimmen werden da ich keinen Grund sehe das ich viel Geld für swisscom anschlüsse ausgebe und dann auch noch Billag zahlen muss da ich so oder so kein Radio höre und die Schweizer sender Srf1 und 2 eh schrott finde voralem da man heute mit internet eh alle film anschauen kann ohne lästige Werbung

 

Auch die Technik mit dem Replay und aufnahmen machen die andere sender viel attraktiver somit ist die billag für mich überholt und nur noch geld eintreiberei.