«Cato» & Co.: Aufbruchstimmung am rechten Rand
Das Angebot an neu-rechter Publizistik in Deutschland wächst und wächst. Zuletzt erschien das konservativ-intellektuelle Hochglanzmagazin «Cato» neu auf dem Markt. Oft werden aber aber nur alte Ideen neu verpackt.
Krisenzeiten sind gute Zeiten für Medienmacher. Dieses Gesetzmässigkeit gilt nicht nur in den USA, wo seit der Amtsübernahme von Präsident Donald Trump die von diesem diffamierten Zeitungen «New York Times» und «Washington Post» ihre Auflage und Abonnements steigern konnten, sondern auch in der deutschsprachigen Medienlandschaft, wo in den vergangenen Monaten eine Reihe neuer Publikationen lanciert wurden. Seit September liegt das Heft «Cato» an Kiosken aus.
Die konservative Zeitschrift bezeichnet sich als «Magazin für neue Sachlichkeit» und erscheint zweimonatlich in einer Auflage von 50’000 Exemplaren, was für ein neues Magazin nicht unerheblich ist. Auf dem Cover der ersten Ausgabe ist Bundeskanzlerin Angela Merkel im Stile eines römischen Imperators abgebildet. Auf 102 Seiten findet sich die gesamte Bandbreite journalistischer Darstellungsformen, von Essays über Rezensionen bis hin zu Comics. Die Beiträge auf den insgesamt 102 Seiten sind anspruchsvoll gestaltet, das Layout wirkt unaufgeregt und luftig, es gibt viel Freiraum auf den Seiten. Ein Heft ist mit sechs Euro recht günstig zu haben (im Vergleich zur Konkurrenz, etwa «Cicero» mit 9 Euro). So weit zur Form.
«Was ist deutsch?», «Gefährdete Gesten» und «Retro News», kündigen die reaktionäre Geisteshaltung bereits im Inhaltsverzeichnis an.
Zum Inhalt ist zu sagen, dass bei der Lektüre schnell klar wird, wo sich das Magazin inhaltlich positioniert – nämlich deutlich rechts in einem breiten national-liberal-konservativen Spektrum. Die Rubriken, unter anderen «Was ist deutsch?», «Gefährdete Gesten» und «Retro News», kündigen die reaktionäre Geisteshaltung bereits im Inhaltsverzeichnis an.
Chefredakteur Andreas Lombard schreibt in seinem Editorial: «Die Historiker von morgen werden vermutlich als wir die Zeichen der inneren Auflösung und des freiwilligen Verzichts auf die eigene Identität, Herkunft und Kultur registrieren. Sie werden sagen, grosse Teile der christlich abendländischen Zivilisation nahmen damals Abschied der Geschichte.» Damit ist der Ton gesetzt. Der Leitartikel ist schwülstig bis pathetisch, umflort von einem Hauch von Untergangsstimmung. Das Magazin sieht sich in der Tradition des römischen Politikers Cato, der als «Sinnbild der Integrität und des Stolzes auf die Tradition» glorifiziert wird.
Zwischen dezidiert politischen Artikeln finden sich auch anspruchsvolle Architekturkritiken und Geschichtsessays.
Zu den prominenten Autoren der ersten Ausgabe gehören der konservative Bildungskritiker Josef Kraus, der in seinem Beitrag – durchaus erwartbar in der Tonalität – gegen den «Tugendterror» und «Gleichheitseifer der Egalitaristen» anschreibt sowie Michael Klonovsky, dessen Funktion als ehemaliger «Focus»-Redakteur und AfD-Sprecher dem Leser leider nicht transparent gemacht wird. Die Themenauswahl ist entsprechend konservativ gefärbt. Es geht um den angeblichen Verfall der Demokratie, falsche Ziele in der Bildungspolitik und das «Systemversagen» der Medien. Die Vermessung «Was ist deutsch?» wird gleich im ersten Satz mit Ernst Jünger beantwortet. Zwischen dezidiert politischen Artikeln finden sich auch anspruchsvolle Architekturkritiken und Geschichtsessays, die das im deutschnationalen Milieu instrumentalisierte Thema Vertreibung zum Gegenstand haben.
So versucht Thorsten Hinz, ein Stammautor der «Jungen Freiheit», in seinem Stück über die Geschichte ehemaliger deutscher Gebiete in Polen die Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg in einen Kontext mit der Situation deutscher Bürger unter der Flüchtlings- und Migrationsbewegung zu stellen und dialektisch umzukehren: «Wenn immer mehr Viertel deutscher Städte sich in Exklaven Kleinasiens und Afrikas und in für Deutsche fremde Zonen verwandeln, bedeutet auch das Heimatverlust, eine Vertreibung der anderen Art.» Der Vergleich mag unzulässig und in seiner Drastik hoffnungslos überzeichnet sein, doch ist dies ein Satz, der sich leitmotivisch durch das ganze Heft zieht: Heimatverlust, Verlust kultureller Identität, Überfremdungsangst.
Historisch ist das gewagt, gar revisionistisch, wenn Lombard behauptet, Tötungstechniken, Opferprofile und Täterintentionen der NS-Tötungsmaschinerie seien «bei aller «Monstrositität» «relative Grössen».
Einen thematischen Schwerpunkt bildet die Verteidigung des umstrittenen, mittlerweile von der «Spiegel»-Bestsellerliste gestrichenen Sachbuchs «Finis Germania», dessen Autor, der verstorbene Historiker Rolf Peter Sieferle Chefredakteur Lombard rehabilitieren und in durchaus aggressivem Duktus vom Vorwurf des Antisemitismus freisprechen will. Lombard geisselt eine «prozesshafte Vernichtungswut und eine der übelsten Rufmordkampagnen, die die Republik je gesehen hat». Sieferle sei tendenziös zitiert und kaum referiert worden, moniert der Chefredaktor, der Inhalt sei von den Tiraden entstellt. Historisch ist das gewagt, gar revisionistisch, wenn Lombard behauptet, Tötungstechniken, Opferprofile und Täterintentionen der NS-Tötungsmaschinerie seien «bei aller «Monstrositität» «relative Grössen» – und damit den Holocaust relativiert. Mit dieser Philippika gegen die vermeintlichen Inquisitoren der FAZ und Süddeutschen Zeitung, die mit ihrem moralischen Furor Sieferle hätten «vernichten» wollen, will «Cato» diejenigen Leser zurückgewinnen, die sich vom angeblichen Meinungsmainstream nicht mehr repräsentiert fühlen.
Der Magazin-Machern gelingt das mit einer geschickten Strategie: Zum einen werden konservative Werte wie Anstand und Moral beschworen (die Beibehaltung der alten Rechtsschreibregel darf als ein Aufbegehren gegen sprachliche Formalismen und eine Anbiederung an Philologen gewertet werden) und eine konsequente Dekadenzkritik geübt. Zum anderen bedient sich das Heft auf einer sprachlichen und ästhetischen Ebene bestimmter Codes – leitmotivisch wird versucht, den eigenen Standpunkt durch eine römische Zivilreligion zu beglaubigen –, was besonders bei einem bildungsbürgerlichen Publikum verfangen dürfte. David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V., ein langjähriger Beobachter der rechten Medienszene, nannte die Zeitschrift im Deutschlandfunk ein «Hochglanz-Lifestyle-Magazin für das rechtsintellektuelle Milieu».
Befeuert durch die Flüchtlingskrise hat die Neue Rechte in den vergangenen Monaten eine Publikationsoffensive gestartet.
Mit dem vom Publizisten und Verleger Götz Kubitschek herausgegebenen Theorie-Magazin «Sezession», der Wochenzeitung «Jungen Freiheit» sowie die Zeitschrift «Tumult» gibt es bereits Publikationen, die das rechtskonservative Feld der Publizistik bestellen. Diese Titel blieben bislang in einer Nische. Doch befeuert durch die Flüchtlingskrise hat die Neue Rechte in den vergangenen Monaten eine Publikationsoffensive gestartet und neue Titel wie das Monatsmagazin «Tichys Einblick» des einstigen Chefredakteurs der «Wirtschaftswoche» Roland Tichy, die Boulevardzeitung «Deutschland-Kurier», die vom AfD-nahen «Verein zur Erhaltung der Rechtstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten» herausgegeben wird oder zuletzt «Cato» auf den Markt gebracht.
Dieter Stein, Verleger und Chefredakteur der «Jungen Freiheit», der mit seinem Verlag als Gesellschafter am «Cato»-Verlag beteiligt ist, sieht das neue Magazin als Bestätigung, dass rechtes Denken erfolgreich Raum greift. Er schreibt: «Cato ist dabei nur das jüngste Beispiel in einer Reihe reüssierender Titel, die sich darangemacht haben, eine breite Leerstelle in der publizistischen Landschaft zu besetzen. Und diese ist offenkundig eine konservative.» Das Spektrum liberal-konservativer Publizistik weite sich und verweise auf eine mögliche Trendwende, frohlockt Stein in seiner Botschaft zum Start von «Cato»: «Lasst tausend Blumen blühen! Der Zeitgeist weht konservativ, und er findet immer neue und andere Formen des Ausdrucks. Es lebe die Vielfalt, nieder mit der Monotonie!»
Die publizistische Landschaft in Deutschland ist in Bewegung geraten. Und die Neue Rechte verschafft sich mit diversen Publikationen Gehör.
Dass dieser Wandel der Medienlandschaft nicht geräuschlos von statten geht, zeigen die Tumulte am Stand des Antaios-Verlags auf der Frankfurter Buchmesse, wo es nach einem Auftritt des AfD-Politikers Björn Höcke zu Handgreiflichkeiten kam. Den Konflikt zum «Kulturkampf» zu stilisieren, wie es einige Medien taten, ist angesichts der relativen Bedeutungslosigkeit des Verlags freilich zu hoch gegriffen. Doch die publizistische Landschaft in Deutschland ist in Bewegung geraten. Und die Neue Rechte verschafft sich mit diversen Publikationen Gehör.
Die Frage ist, wie der konservative Trend auf den Mainstream abfärbt. Zu dem Phänomen des verstärkten Auftretens eigenständiger «rechter» Medien teilt der ehemalige Direktor des Grimme Instituts und Medienwissenschaftler Bernd Gäbler (FHM Bielefeld) auf Anfrage der Medienwoche mit: «Seit es Massenmedien gibt, war die Publizistik immer auch Ausdruck von den geistigen Strömen der Zeit, ja sogar direkt Organ politischer Bewegungen. Das reicht von Philipp Jakob Siebenpfeiffer bis zu den ersten Piratensendern.» Dass sich heute Anhänger von AfD und Pegida, Identitäre ebenso wie Rechtsintellektuelle vor allem über eigene publizistische Plattformen miteinander verständigen, dürfe daher nicht verwundern und sei «völlig legitim».
Zu den Achsverschiebungen der politischen Diskurse in den «Leitmedien» merkt Gäbler an: «Es gibt nur wenige valide quantitative Untersuchungen über die für die politische Selbstverständigung der Gesellschaft nach wie vor wichtigsten «Leitmedien», die von BILD, Spiegel und ZEIT bis zu den Talkshows des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reichen.» Michael Haller habe in einer Studie für die Otto-Brenner-Stiftung nachgewiesen, dass viele dieser Medien in der Berichterstattung über die Flüchtlinge unmittelbar nach dem Herbst 2015 einer gewissen Euphorie erlegen sind und zu unkritisch eine «Willkommenskultur» ohne konkrete Recherche gepflegt haben. «Offenbar ist es nicht gelungen, ethischen Ernst ohne moralische Arroganz vorzutragen», so Gäbler. «Auch ohne validen quantitativen Nachweis erbringen zu könne, kann man sich aktuell des Eindrucks nicht erwehren, als sei im Jahr 2017 das Pendel in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen. Auf der Suche nach populären Themen, die den Zuschauern angeblich auf den Nägeln brennen, folgten insbesondere die Talkshows aber auch das TV-Duell einem «Framing», das von rechts gesetzt wurde: Flüchtlinge-Kriminalität-Terror-innere Sicherheit wurden eher als Begriffsfeld ausgelotet als der Kontext: Flüchtlinge-Fluchtursachen-Globalisierung-Integration-Einwanderungsgesetz.»
Auch einstige Debattenorgane wie der «Cicero» schienen nach der Trennung von Ringier «einem Nachholbedarf nachzujagen und ihre Angel gezielter als zuvor vornehmlich nach rechts auszuwerfen». Das habe die Diskursachse insgesamt nach rechts verschoben, was auch die Schwäche der politischen Linken reflektiere. «Dass nun aus ökonomischen wie aus ideologischen Gründen auch neue publizistische Organe oder Plattformen neue Chancen wittern, darf nicht verwundern», resümiert Gäbler.
Im Versuch, ein soziologisches Sittengemälde der britischen Gesellschaft zu zeichnen, reproduziert der Autor nur Stereotype.
Dass die intellektuelle Tünche zuweilen dünn ist, beweist «Cato»-Herausgeber Karlheinz Weißmann in seinem Beitrag eindrücklich. Sein Plädoyer für eine «Organische Intelligenz» misslingt gründlich. Im Versuch, ein soziologisches Sittengemälde der britischen Gesellschaft zu zeichnen, reproduziert der Autor nur Stereotype. «Hier gibt es noch den grobschlächtigen Arbeiter, dem man die Pints ansieht, die er in seinem Leben getrunken, die Hausfrau, die im Kittelkleid einkaufen geht, den Landwirt, der im verbeulten Rover fährt, mit Mist an den Gummistiefeln und dem «Farmer’s Weekly» in der Wachsjacke.» Klischees, wohin man blickt. Das Stück ist entlarvend, weil es ein krudes Menschenbild offenbart. Weißmann, der sich durch zahlreiche Buchpublikationen einen Namen gemacht hat und so etwas wie der Spiritus Rector der Neuen Rechten ist, dürfte mit diesem Duktus neben den ohnehin schon Überzeugten kaum neue Leser für die neurechte Schreibe interessieren.