DOSSIER mit 485 Beiträgen

Medienethik

Lawinen-Berichterstattung zwischen Realität und Medienwirklichkeit

Wer derzeit nur oberflächlich die Berichte über die Wetterlage in Wallis verfolgt, könnte schnell den Eindruck gewinnen, dass wir es mit einer Jahrhundertkatastrophe zu tun haben. Zermatt! Eingeschlossen! Luftbrücke! Nur: Mit der Realität hat dieses Bild wenig bis nichts zu tun, wie Helmut Stalder in der NZZ schreibt. «Etliche Medien haben mit den bewährten Mitteln der Dramatisierung, Übertreibung und Selektion eine sekundäre Wirklichkeit der Ereignisse konstruiert, die nicht sehr viel mit der Wirklichkeit zu tun hat, aber viel aussagt über die Wunschvorstellungen in den Redaktionen.» Es ist der Wunsch nach der Katastrophe, die für «zivilisationsverwöhnte Flachländer und Städter» spannender erscheint als die von den Betroffenen völlig unspektakulär erlebte Realität im Umgang mit den Unbilden der Natur.

Weitere Beiträge aus diesem Dossier

Ad Content

Medien und Rechtspopulismus: Wie soll man berichten?

Rechtspopulisten sind gegen Journalisten, brauchen sie aber auch, um Öffentlichkeit zu bekommen. Das bringt Medien in ein Dilemma: Lassen sie sich von Populisten für deren Agenda benutzen? Wie können sie es vermeiden? Eine Sendung über die Probleme, die das Berichten über Rechtspopulismus mit sich bringt.

Von Werten vernebelt?

Häufig wird so getan, als sei kritischer, sorgfältiger Journalismus nur dann möglich, wenn Journalisten sich nicht von ihren Werten leiten lassen. Das stimmt nicht

Ad Content

Professor: Was Döpfner macht, gleiche rechtsnationaler Propaganda

Mathias Döpfner, Chef von Axel Springer und Vorsitzender des deutschen Verlegerverbands BDZV, kritisierte in einer Rede jüngst auf dem Verlegerkongress in Berlin die Berichterstattung über die Straftaten von Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen Ausländern. Die Medien sollten solchen Vorkommnissen grösseres Gewicht beimessen. Als aktuelles Beispiel nennt Döpfner den Mordfall von Chemnitz. «Am Tag nach dem möglichen Mord in Chemnitz berichteten null von zwölf überregionalen Medien, die ich mir angeschaut habe, auf der Titelseite», beklagt sich der Verleger. Medienwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Meier hält dieser Sichtweise entschieden entgegen: «Dass null von zwölf überregionalen Tageszeitungen über einen Totschlag in Chemnitz berichten, entspricht absolut den journalistischen Qualitätsstandards. Die Zeitungen müssten sonst im Schnitt an jedem Tag im Jahr über einen Mord oder Totschlag auf der Titelseite berichten.» Auch sonst geht Meier mit Döpfner hart ins Gericht: «Dass die Zeitungen zu wenig und zu wenig prominent über die Straftaten von Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen Ausländern berichten würden, ist ein wesentlicher Teil der Propaganda rechtsnationaler Gruppierungen.»

Buch: Sarrazin nimmt es mit den Fakten nicht so genau

In seinem aktuellen Buch wirft der islamophobe Bestsellerautor Thilo Sarrazin der FAZ vor, auf Geheiss eines SPD-Oberbürgermeisters Übergriffe von Migranten und Flüchtlingen auf einem Stadtfest verharmlost zu haben. Die Zeitung lässt den rufschädigenden Vorwurf nicht auf sich sitzen und rekapituliert die Ereignisse und ihre Berichterstattung im Detail. Von der Dramatik, die Sarrazin beschreibt, bleibt wenig übrig. Das hätte er auch selbst herausfinden können. Doch Sarrazin meldete sich weder bei der FAZ, dem Oberbürgermeister noch bei der Polizei, um die im Buch erhobenen Vorwürfe zu prüfen und belegen.