DOSSIER mit 485 Beiträgen

Medienethik

Verdeckte Recherche auch für ein «satirisches Experiment» zulässig?

Ein Mitarbeiter des Ringier-Magazins izzy gibt sich am Telefon als Major der Schweizer Armee aus und bringt einen richtigen Angehörigen der Armee dazu, ihm einen Wachtplan zu schicken. Allein Aufgrund der E-Mail-Adresse hätte der Soldat merken müssen, dass er es nicht mit seinesgleichen zu tun hat. Die Schweizer Armee sieht im Vorgehen mit der verdeckten Identität eine «Amtsanmassung» und behält sich rechtliche Schritte vor. Der Chefredaktor von izzy wiederum hält das Vorgehen für gerechtfertigt, da damit «die hierarchiegläubige Kultur in der Armee» aufs Korn genommen wurde. Medienethisch und auch medienrechtlich sind indes Zweifel angebracht, ob der Nachweis der militärischen Hierarchiegbläubigkeit nur mit dem Mittel der verdeckten Recherche erbracht werden konnte. Gemäss den Richtlinien des Presserats sind verdeckte Recherchen «ausnahmsweise zulässig, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an den damit recherchierten Informationen besteht und wenn diese Informationen nicht auf andere Weise beschafft werden können». Der vorliegende Fall scheint diese Voraussetzungen nicht zu erfüllen.

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Eigentlich geht es nicht zusammen: Medien, die sich bemühen, faktentreu zu berichten und ein Teil des Publikums, der sich um Fakten schert und seine «Wahrheit» für die einzige richtige Hält. Der österreichische Journalist und ORF-Moderator Armin Wolf hat sich zu diesem schwierigen Verhältnis Gedanken gemacht. Er fragt: Wie erreichen wir diese Menschen noch mit seriösen Medien? Antwort kennt Wolf keine. Nur Erklärungen. Befeuert würde die «alternative», faktenferne Sichtweise auf die Welt von Politikern, wie Heinz-Christian Strache in Österreich oder Donald Trump in den USA, von dem die New York Times jüngst schrieb: «Ein Präsident, der nicht nur ein Recht auf seine eigene Meinung haben will, sondern auch auf seine eigenen Fakten.» Ja, was tun? Wolfs Appell klingt ebenso richtig, wie auch einigermassen ratlos: «Wie wir diesen Teil des Publikums nicht völlig verlieren – das halte ich für eine ganz elementare Frage an unsere Profession.»

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Am Reporterforum vom vergangenen Samstag in Zürich hielt Jolanda Spiess-Hegglin die Eröffnungsrede. Die frühere Zuger Kantonsrätin blickte auf die Zeit seit Ende 2014 zurück, als nach einer mutmasslichen Vergewaltigung die Berichterstattung über den ungeklärten Vorfall ihr Leben nachhaltig prägte und stark veränderte. 2000 Artikel über sie wurden veröffentlicht. «Und wissen Sie, wieviele dieser fast 2000 Artikel aufgrund Akten und Fakten recherchiert waren?», fragte Spiess-Hegglin. «Im Jahr 2015 war es einer.» Und dieser eine wurde damals auf Druck der Gegenpartei gelöscht. Das Gros der Medien hätte sich auch auf sie eingeschossen, weil sie ihr Spiel nicht mitgemacht habe: «Man hätte von mir erwartet, dass ich während einem Interview zusammenbreche. Man hätte mich mit Tränen in den Augen fotografieren wollen. Doch stattdessen war da immer diese Frau, die lächelte. Die stolz bleiben wollte.»