Eine Replik auf den BaZ-Abgesang
Wer schweres Geschütz auffährt, sollte auch Munition geladen haben – keine Platzpatronen.
Der pensionierte Chefredaktor der Medienmagazins «Edito» zieht gegen die «Basler Zeitung» vom Leder. Das ist sein gutes Recht. Sie sei «wirtschaftlich und publizistisch angeschlagen», ihr Image sei «tief gesunken», sie publiziere «Persönlichkeitsverletzungen», «viele» zweifelten «wegen eklatanten Fehlern an der journalistischen Glaubwürdigkeit» der Zeitung. Sie betreibe «einen teilweise handwerklich fragwürdigen Journalismus», Fazit: «Dieses Modell ist gescheitert.»
Schon in den ersten zwei Absätzen seiner Philippika lässt Cueni keinen Zweifel daran, dass er die «Basler Zeitung» nicht mag, dem «Blocher-Team» alles Schlechte wünscht. Auch das ist sein gutes Recht. Allerdings: Wer so schwere Vorwürfe erhebt, sollte vielleicht ein einziges konkretes Beispiel anführen – statt mit Platzpatronen zu schiessen. Wer wie Cueni an der BaZ kritisiert, dass «in sehr vielen Texten Fakten, Vermutungen und Meinungen wild kombiniert» seien, sollte nicht selbst einen Text absondern, der genau diesen Vorwürfen entspricht.
Ich publiziere regelmässig in der BaZ. Nicht, weil ich mich einem «Blocher-Team» zugehörig fühle. Nicht, weil ich mich einem handwerklich fragwürdigen Journalismus verschrieben hätte. Sondern weil die BaZ, im Gegensatz zu allen anderen von Cueni aufgeführten Schweizer Medien, keine Scheu davor hat, ungekürzt, unzensuriert und anständig honoriert meine Beiträge abzudrucken. Auch wenn ich gelegentlich Schweizer Bankenführern so an den Karren fahre, wie es in keinem anderen Schweizer Organ möglich wäre. Sicherlich kann man mir deswegen Parteilichkeit vorwerfen. Andererseits muss ich deshalb die nicht belegten Vorwürfe von Cueni auf das Schärfste zurückweisen. Was erlaubt sich der Herr? Offensichtlich verstellt ihm der Schaum vor dem Mund, wenn er das Reizwort Blocher hört, die Sicht auf die Realität.
Cueni war oder ist doch selber Journalist. Und nun wünscht er seinen Kollegen bei der BaZ den Rauswurf – nur weil ihm deren politische Ausrichtung nicht passt. Nun wünscht er den Basler Lesern, dass auch sie mit der Einheitssauce einer Zentralredaktion bedient werden. Nun wünscht er, dass das Coninx-Team oder das Wanner-Team (oder gar das Ringier-Team) übernimmt. Wie vernagelt muss man sein, wie sehr muss man den Inhalt der BaZ hassen, damit man als Medienjournalist mehr Einheitsbrei mümmeln möchte.
Und wie einäugig muss man sein, wenn man ein Loblied auf den T-Konzern anstimmt, in einer Tonlage, die den Verdacht aufkommen lassen würde, dass es sich um eine Stellenbewerbung handelt, wäre Cueni nicht pensioniert. Der Tagi lege «grossen Wert auf Recherche» und ebenso grossen Wert auf «eine klare Trennung zwischen Fakten (Berichterstattung) und Meinung». Demgegenüber habe die BaZ «viele der grossen Rechercheleistungen des Tagi (zum Beispiel die Panama-Papers) vehement angegriffen». Wie sehr der Tagi (und der gesamte Konzern) journalistische Recherche schätzt, zeigt sich im Zusammenlegen der Redaktionen, im grossen Rausschmeissen von Journalisten (viele Dutzend in den letzten Jahren), in einer Sparrunde nach der anderen, was den Kostenfaktor journalistische Recherche betrifft. All das hat Cueni in anderen Zusammenhängen kritisiert, hier ist es ihm egal. Die Berichterstattung über den Fall Vincenz, nur so als Beispiel, zeigt, wie der Tagi mangels eigener Recherchen Fakten durch Vermutungen und Vorverurteilungen ersetzt. Und schliesslich habe ich tatsächlich auch in der BaZ die Panama-Papers und andere Leaks mit guten Argumenten und Gründen kritisiert.
Nehmen wir als Allerletztes noch den ersten Satz in Cuenis Polemik gegen die Zeitung: «Die BaZ ist heute wirtschaftlich und publizistisch angeschlagen.» Weiter unten räumt Cueni selber ein, dass die BaZ anscheinend schwarze Zahlen schreibe, was unter dem Vorbesitzer, dem Hagemann-Team, nicht der Fall war. Publizistisch ist die BaZ von der Themenauswahl, der Qualität der Schreibe und der Pluralität der Blickwinkel her – so schreibt das SP-Urgestein Helmut Hubacher regelmässig hier, bekommt jeder, der replizieren will, seinen Platz – die wohl interessanteste Tageszeitung der Schweiz. Der man in ihrer heutigen Form, wenn einem an einer pluralistischen Medienlandschaft etwas liegt, nur ein langes Leben wünschen kann. Weil sie Denkstoff bietet, zu Widerspruch herausfordert, eben keine Sauce liefert, sondern Kantiges, Queres, manchmal auch Verqueres, aber eigentlich immer Anregendes. Wie ideologisch verbohrt muss man sein, wenn einen das so stört, dass man der BaZ in ihrer aktuellen Form nur alles Schlechte wünscht und den Verlust der Arbeitsplätze ihrer Redaktoren bei einem möglichen Verkauf schadenfreudig ankündigt. Was für ein Armutszeugnis.
Philipp Cueni 29. März 2018, 10:33
Zeyer schreibt zu mir (Cueni): «Schaum vor dem Mund», «Was erlaubt sich der Herr?», «Wie vernagelt muss man sein», «einäugig», «als Medienjournalist mehr Einheitsbrei mümmeln möchte». – Manchmal spricht der Stil für oder gegen den Autor. Lassen wir das also so stehen, jede-r mag selber urteilen.
«Wer so schwere Vorwürfe erhebt, sollte vielleicht ein einziges konkretes Beispiel anführen», schreibt Zeyer. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder an konkreten Beispielen dargestellt, was ich am journalistischen Handwerk (!) der BaZ nicht mag. Und ich bin offenbar mit dieser Kritik nicht alleine – das zeigen Klagen gegen die BaZ via Anwälte, vor Gericht, beim Presserat durch verschiedenste Akteure. Auch die immer wieder als Verteidigung bemühten linken BaZ-Kolumnisten wie Helmuth Hubacher oder Roland Stark formulieren solche Kritik. Aber Herr Zeyer fragt nach Beispiele –hier eine kleine Auswahl, die Liste liesse sich einfach verlängern: Das inzwischen berühmte Portrait über Regierungsrätin Eva Herzog oder die Serie über Regierungsrätin Elisabeth Ackermann und ihre Mediensprecherin (Autor MB); das falsch belegte Schwedenreisli (Autoren DH und AA); die falsche Vorverurteilung eines angeblichen Vergewaltigers (Fall «Buddha-Bar», Autor MH); die offenbar falschen Behauptungen zu Telebasel, durch das Gericht (gemäss Telebasel-News vom 23.2.) mit superprovisorischer Verfügung gestoppt, Autor DW); die Behauptung von kriminellem Organhandel durch das Universitätsspital (Autor MH). Finden Sie, Herr Zeyer, solchen Journalismus gut?
«Und nun wünscht er seinen Kollegen bei der BaZ den Rauswurf – nur weil ihm deren politische Ausrichtung nicht passt.», schreibt Zeyer: Das ist eine Unterstellung. Mir passt das journalistische Handwerk nicht. Und ich wünsche keinen Rauswurf, sondern folgere, dass die politische Ausrichtung und das Handwerk der Redaktion weder zum Tagi noch zur BZ Basel passen. Diese Unterschiede sieht ja offenbar auch Herr Zeyer.
René Zeyer schreibt von «Einheitssauce», «Einheitsbrei», Tamedia, AZ Medien, Ringier: offenbar für Zeyer alles der gleiche Eintopf – nur die BaZ nicht. Überall werde «zensuriert» – nur bei der BaZ nicht – so Zeyer. Hoppla, eine dreiste Behauptung. Die BaZ als einsamer Ritter – aber wofür denn? Ein Beispiel: Die Medien der halben Welt zeigten über die Recherchen zu den Panama-Papers auf, welche (nett gesagt) fragwürdigen Methoden gewisse Wirtschaftskreise verfolgten, indem sie Gelder dem Steuersystem entzogen. Die BaZ hielt dagegen, auch der Autor Zeyer (wie er sich selbst lobt). Die BaZ gegen alle – na Bravo: als Verteidiger von ethisch und rechtlich höchst fragwürdigen Finanzgeschäften. Zeyer mag dies Vielfalt nennen. In Basel zumindest hat diese «Vielfalt» wenig Anklang gefunden.
In zwei Punkten hat Zeyer Recht: Die Sparrunden, der Abbau in den Redaktionen (auch bei der BaZ!), der Konzentrationsprozess im Mediensektor machen Sorge. Ich habe das in vielen Texten immer wieder analysiert und kritisiert. Und: Unter den Kriterien «Medienvielfalt», respektive «Konzentrationsprozess» ist der Verkauf der BaZ auch kritisch zu würdigen: eine klar rechts positionierte Medienstimme fällt weg. Ich habe nichts dagegen, wenn Christoph Blocher sein Milliardärs-Privileg, mit Millionen Medien-Einfluss zu sichern, nutzt und eine Redaktion mitfinanziert. Es muss ja nicht unbedingt bei der Basler Zeitung sein. Und übrigens: Nicht Cueni verkauft die BaZ und setzt die Arbeitsplätze der heutigen Redaktion aufs Spiel. Sondern der Verkäufer!
Willi Näf 29. März 2018, 15:30
Cueni schrieb: «Obwohl die BaZ angeblich schwarze Zahlen schreiben soll…» Zeyer schreibt: «Weiter unten räumt Cueni selber ein, dass die BaZ anscheinend schwarze Zahlen schreibe.» Herr Zeyer, warum haben Sie aus Herrn Cuenis «angeblich» ein «anscheinend» gemacht?
Werner Zuercher 30. März 2018, 05:39
Was gerade in den printmedien in sachen freier und seriöser journalismus abgeht ist ein trauerspiel! Geht nun auch noch die BAZ in den linkslastigen einheitssumpf, egal ob tamedia, az oder gar ringier, so ist es ein weiteres trauerspiel. Herr cueni ist einer der vielen bedauernswerten lemminge die in diesem sumpf der mainstream medienlandschaft auf blindfahrt vorbehaltslos die had lecken die sie füttert! Die bald schweizweit lückenlos politisch gleichgeschaltenen tageszeitungen sind längst nicht mehr das papier wert, das dafür verschwendet wird! Von meinungsvielfalt entgültig keine rede mehr!
Peter Knechtli 30. März 2018, 20:15
Die „Basler Zeitung“ hat fraglos wiederholte unverzeihliche Fehlleistungen begangen, und es ist die Pflicht der journalistischen Beobachter, sie auch zu benennen. Doch es ist unredlich und ideologisch eingeengt, nicht auch gute und hervorragende Leistungen zu anerkennen oder zumindest wahrzunehmen. Dass Philipp Cueni als Vizepräsident der Stiftung „Schweizer Presserat“ und ehemaliger Präsident des „Vereins Qualität im Journalismus“ gern die Definitions-Hoheit über journalistische Qualität beansprucht, kann ihm nicht verübelt werden. Den Tatbeweis hat er in seiner journalistischen Karriere nicht erbracht.
Mir ist nicht bekannt, dass er selbst aktiv und wiederholt unvoreingenommen zur „Basler Zeitung“ recherchiert hätte. Das unter Nick Lüthi zupackende Medien-Magazin „Edito“ (früher „Klartext“) war nur dank Zwangs-Abonnement überlebensfähig, in keiner Weise zu vergleichen mit mit dem Fachmagazin „Schweizer Journalist“. Cuenis Arbeit blieb Gewerkschafts-Journalismus, was nicht im Sinn der Magazin-Erfinder („Klartext“) war. Als Mitglied der „Programmkommission Qualitätssicherung“ von Telebasel verantwortet er eine Neuorientierung, die mehr mit Glamour, Fun und Kochsendungen als mit knochenhartem Lokaljournalismus zu tun hat.
Cueni und andere radikale BaZ-Kritiker ziehen jetzt im Einheits-Look gegen die „Basler Zeitung“ her. Dass es ihnen und den Aktivisten um die Gruppe „Rettet Basel!“ misslungen ist, eine professionelle linke Alternative zur BaZ aufzubauen, spricht für sich. Die „Tageswoche“ lebt, trotz teilweise solider journalistischer Leistungen, ein Schatten-Dasein. Doch diese traurige Erkenntnis thematisieren die BaZ-Kritiker nie. Sie schweigen lieber darüber. Oder sie polemisieren gegen die BaZ.