DOSSIER mit 485 Beiträgen

Medienethik

Auto-Attacke: politische Instrumentalisierung und Medienschlamperei

Inzwischen ist man es sich gewohnt, dass nach einer Gewalttat, die von der Machart her nach einem Anschlag aussieht, sofort versucht wird, daraus politisches Kapital zu schlagen. Nach der tödlichen Auto-Attacke von Münster war es, wenig überraschend, die AfD, die sich insinuierend zu Wort meldete und einen Konnex zur deutschen Flüchtlingspolitik machte. Doch auch internationale Medien trugen nicht eben dazu bei, die Umstände des Vorfalls zu erhellen. So wollte ein rumänischer TV-Sender wissen, dass der Täter ein Kurde gewesen sei. Eine Quelle zur Aussage gab es keine. Und schon fast lustig ist der Übersetzungsfehler britischer Medien, die aus dem deutschen Satzfragment, beim Täter «soll es sich um Jens R. handeln», kurzerhand den vollen Namen Jens R. Handeln bastelten.

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Pelda ermittelt

Darf ein Journalist eine Straftat provozieren, über die er dann berichtet? Der An-Nur-Prozess wirft einige medienethische Fragen auf.

Über das schwierige Verhältnis von Journalismus und populistischer Politik

Eigentlich geht es nicht zusammen: Medien, die sich bemühen, faktentreu zu berichten und ein Teil des Publikums, der sich um Fakten schert und seine «Wahrheit» für die einzige richtige Hält. Der österreichische Journalist und ORF-Moderator Armin Wolf hat sich zu diesem schwierigen Verhältnis Gedanken gemacht. Er fragt: Wie erreichen wir diese Menschen noch mit seriösen Medien? Antwort kennt Wolf keine. Nur Erklärungen. Befeuert würde die «alternative», faktenferne Sichtweise auf die Welt von Politikern, wie Heinz-Christian Strache in Österreich oder Donald Trump in den USA, von dem die New York Times jüngst schrieb: «Ein Präsident, der nicht nur ein Recht auf seine eigene Meinung haben will, sondern auch auf seine eigenen Fakten.» Ja, was tun? Wolfs Appell klingt ebenso richtig, wie auch einigermassen ratlos: «Wie wir diesen Teil des Publikums nicht völlig verlieren – das halte ich für eine ganz elementare Frage an unsere Profession.»

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Presserat Tadelt pietätlosen «Blick»-Journalismus

Mit einem Blumenstrauss in der Hand klingelte ein «Blick»-Journalist bei drei erwachsenen Töchtern, deren Mutter erst Tage zuvor in einem Aargauer Dorf brutal von ihrem Freund ermordet worden war. Noch bevor die Beerdigung stattfand, habe er die Angehörigen zu Auskünften gedrängt.

«Die Opferrolle steht mir nicht, ich will sie nicht.»

Am Reporterforum vom vergangenen Samstag in Zürich hielt Jolanda Spiess-Hegglin die Eröffnungsrede. Die frühere Zuger Kantonsrätin blickte auf die Zeit seit Ende 2014 zurück, als nach einer mutmasslichen Vergewaltigung die Berichterstattung über den ungeklärten Vorfall ihr Leben nachhaltig prägte und stark veränderte. 2000 Artikel über sie wurden veröffentlicht. «Und wissen Sie, wieviele dieser fast 2000 Artikel aufgrund Akten und Fakten recherchiert waren?», fragte Spiess-Hegglin. «Im Jahr 2015 war es einer.» Und dieser eine wurde damals auf Druck der Gegenpartei gelöscht. Das Gros der Medien hätte sich auch auf sie eingeschossen, weil sie ihr Spiel nicht mitgemacht habe: «Man hätte von mir erwartet, dass ich während einem Interview zusammenbreche. Man hätte mich mit Tränen in den Augen fotografieren wollen. Doch stattdessen war da immer diese Frau, die lächelte. Die stolz bleiben wollte.»