Podcasts in der Schweiz: Es fehlt an Geld und Mut
In den USA oder in Grossbritannien gehören Podcasts längst zum Multimedia-Angebot von Zeitungshäusern. In der Schweiz wagen sich Verlage wie Tamedia, Ringier oder die NZZ-Gruppe nur zögerlich in die Audio-Welt vor. Doch es gibt auch löbliche Ausnahmen. Wir haben uns umgehört.
Wir hören wie Glas zersplittert. Eine Frau erzählt von einer rassistischen Beschimpfung. Ein Mann von der Hemmung, zu seiner Heroinsucht zu stehen. Ein anderer beklagt die Mühsal, das Bett in einer Dreierbeziehung zu teilen. Eine Frau spricht von der Angst, mit einem Burnout als Irre schubladisiert zu werden. 20 Sekunden führen uns in die Lebenswelt eines Menschen. Dann ein paar Takte Musik. Schliesslich eine Frauenstimme: «Willkommen bei Brise-Glace ein Podcast von ‹Le Temps›. Wir stellen den Menschen aus unserer Mitte ungestellte Fragen.» So beginnt ein halbstündiges Hörerlebnis. Die Sprache, das erzählerische Interview, die Tonqualität vermitteln das Gefühl, als sässen wir direkt dabei. «Brise-Glace» hat es kürzlich unter die Finalisten des Paris Podcast Festival geschafft. Es ist derzeit der einzige Schweizer Podcast von dieser Qualität, der von einem Zeitungshaus und nicht von einem Radiosender produziert wird. Mit Blick auf den internationalen Markt, liegt hier ein grosses Potenzial brach.
Wie packend Podcasts sein können, wissen wir spätestens seit den amerikanischen Audio-Krimis «Serial», «S-Town» oder den Sozialstudien von «This American Life». In den USA brillieren damit aber nicht nur Radiosender, wie der stilbildende Service-public-Anbieter NPR. Auch Zeitungshäuser wie die «New York Times», «Los Angeles Times» oder «Washington Post» erzählen mit Podcasts eigenständige Geschichten. Ähnliches lässt sich auch in Grossbritannien beobachten, wo neben der übermächtigen BBC auch der «Guardian» seit über einem Jahrzehnt Podcasts produziert, darunter zehn laufende Serien, wöchentliche Beiträge zu Politik, Wissenschaft oder Kultur. Der Guardian veröffentlichte letztes Jahr 550 Podcast-Episoden. Im September hat das Blatt mit der Anstellung von sechs Audiospezialistinnen und -spezialisten das Podcast-Ressort ausgebaut.
Anders als Blogs oder sonstige Nischenmedien können Medienhäuser von einer Marke zehren und erzielen mit ihren Online-Angeboten bereits grosse Reichweiten. Doch Multimedia reimt sich bisher nur auf Video. Audio verschmähen die meisten Medien.
Über den Podcast-Trend im fernen Ausland berichten Schweizer Medien gern und viel. Die Handelszeitung stellte im September die besten Podcasts für bessere Führungstechniken vor. Die NZZ bot eine Liste «exzellent recherchierter true crime-podcasts». Aber selber machen, anstatt nur darüber zu schreiben? Fehlanzeige. Dabei wären die Voraussetzungen ideal. Anders als Blogs oder sonstige Nischenmedien können Medienhäuser von einer Marke zehren und erzielen mit ihren Online-Angeboten bereits grosse Reichweiten. Doch Multimedia reimt sich bisher nur auf Video. Audio verschmähen die meisten Medien. Zwar gibt es vereinzelte Gehversuche, aber etabliert haben sich Podcasts noch bei keinem privaten Medienunternehmen.
Im September 2017 lancierte Tamedia ein Pilotprojekt. Während acht Wochen konnte das Publikum längere Artikel aus der «Sonntagszeitung» und von «Le Matin Dimanche» via App oder Website professionell eingesprochen als Podcast beziehen. Nach der Testphase folgten keine weiteren Audio-Beiträge mehr. «Das Marktpotenzial, also die Anzahl Downloads, ist in den Schweizer Podcast-Stores sehr klein», schreibt die Medienstelle von Tamedia auf Anfrage. Wie und ob Tamedia weiter mit Tonbeiträgen experimentieren wird, bleibt vage: «Wir werden in der Zukunft neue Tests machen, warten aber die Marktentwicklung ab.»
Ein bisschen mehr läuft bei der NZZ-Mediengruppe. Bereits 2006 experimentierte die NZZ mit Audio-Artikeln, indem die damals neue Übersichtsseite «NZZ-Kompakt» vorgelesen wurde. Seit kurzem stehen auf den Online-Plattformen des Blatts sämtliche Artikel auch als Audio zur Verfügung. Diese werden aber nicht von Menschen gelesen, sondern mittels Text-To-Speech-Software automatisch generiert. Die neue Funktion mag ein Service für Lesefaule sein, doch mit einem guten Podcast hat sie wenig zu tun. Was es dazu braucht, zeigte das Zürich-Ressort der NZZ mit «9 Zürcher, 9 Chreis». Anfang Jahr erschien anlässlich der Stadtzürcher Wahlen eine Podcast-Serie, in der nicht wie üblich bloss Artikel vertont wurden, sondern eigenständige, dem Format angemessene, Geschichten für das Ohr erzählt wurden.
«Es war ein Experiment. Wir wollten ausprobieren, was mit einem kleinen Team und wenig Investitionen möglich ist.»
Daniel Fritzsche, NZZ
Die Idee zum Projekt entstand bei einem Apéro am Feierabend, berichtet NZZ-Lokalredaktor Daniel Fritzsche, eine der treibenden Kräfte hinter dem Projekt. Man habe über die Lieblings-Podcasts geplaudert und sei so auf das fehlende Angebot in der Schweiz gekommen. Schliesslich produzierte ein Team den ersten genuinen NZZ-Podcast. «Am Ende waren wir ein harter Kern von etwa zehn Redaktorinnen und Redaktoren. Alle jünger, alle im Podcast-Fieber», teilt Fritzsche auf Anfrage mit. «Es war ein Experiment. Wir wollten ausprobieren, was mit einem kleinen Team und wenig Investitionen möglich ist.» Seine Radioerfahrung habe geholfen. Vor seiner Zeit bei der NZZ war Fritzsche beim Regionaljournal Zürich-Schaffhausen von Radio SRF tätig. Doch auch Kolleginnen und Kollegen ohne Radioerfahrung hätten schnell gelernt. Die Aufnahmen machten sie erst mit Ansteckmikrofon im geräumigen Video-Studio. Da überzeugte aber die Tonqualität nicht. Schliesslich nahmen sie in Fritzsches kleinem Büro mit einem Second-Hand-Recorder und Reporter-Mikrofon auf. «Was Storytelling und Tonqualität angeht, wäre viel mehr möglich gewesen», findet Fritzsche im Rückblick. Der Erfolg von «9 Zürcher, 9 Chreis» überraschte dennoch. Die Serie sei in kurzer Zeit über 60’000 mal heruntergeladen worden. Zeitweise sei man in den Schweizer iTunes-Charts sogar auf dem ersten Platz gelegen, noch vor dem «Echo der Zeit» von Radio SRF, das die Rangliste seit jeher anführt. Sicher habe man da von der Marke NZZ und ihren diversen Kanälen profitiert. Weitere Podcasts folgten aber nicht. Die Zeit dazu fehlte. «Der Aufwand neben der täglichen Schreibtätigkeit war doch für alle hoch. Bei einer nächsten Serie können wir nicht erneut so viel Freizeit hergeben», schreibt Fritzsche. Es soll aber weitergehen, denn «wir lieben dieses Medium. In welcher Form ist aber nicht entschieden.»
Auch bei der «NZZ am Sonntag» macht man sich verstärkt Gedanken zu Audio. Im Frühjahr ergab eine Umfrage bei der Leserschaft, dass Dreiviertel der Befragten ein Audio-Angebot nutzen würden. Darum bietet das Sonntagsblatt jetzt drei bis fünf vorgelesene Artikel an oder ein Gespräch mit einem Autor, einer Autorin über ihre Recherche. «Das sind keine Podcasts im eigentlichen Sinne. Sie lassen sich nicht über entsprechende Apps abrufen und erscheinen unregelmässig», sagt Marco Metzler, Leiter Digital bei der «NZZ am Sonntag», im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Die Entwicklung klassischer Podcasts sei in Arbeit. «Ideen sind viele da», sagt Metzler. «Mit Workshops im Haus und externen Profis sprechen wir über Realisierbarkeit und technische Umsetzung.» Man tausche sich auch mit der NZZ-Redaktion aus. Ob man sich für die Realisierung weiterer Audio-Formate zusammentut, sei noch offen. «Podcasts nach amerikanischen Standards können wir aus fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen ohnehin nicht realisieren», sagt Metzler. Aus seiner Sicht sollten sie auch gar nicht als Vorbild dienen: «Wir wollen eine eigene Stimme entwickeln, die zu unserer Marke passt.»
Dramaturgisch liesse sich bei den «Blick»-Podcasts noch Schwung in die eintönigen Gespräche bringen.
Während Ringier Axel Springer in der Westschweiz mit «Brise-Glace» von «Le Temps» Massstäbe setzt, geht man es in der Deutschschweiz etwas bescheidener an. Die «Blick»-Redaktion produziert heute drei regelmässige Formate. «Fux über Sex» mit Sexberaterin Caroline Fux und «Popcast», bei dem eine People-Redaktorin mit einem Kollegen über Popkultur plaudert. Dramaturgisch liesse sich bei beiden Formaten noch Schwung in die eintönigen Gespräche bringen. Das gilt auch für den Sport-Podcast «Pro & Konter». Hier diskutieren zwei Sportredaktoren ähnlich schwunglos wie die anderen Audio-Anfänger über das nationale und internationale Sportgeschehen. «Unsere Podcasts sind noch im Aufbau. Erste Zahlen sind vielversprechend: Wir können eine hohe Verweildauer der Hörerinnen und Hörer feststellen», teilt Manuel Bucher von der Ringier-Medienstelle mit. «Audio-Formate werden für uns an Bedeutung gewinnen, weil wir eine steigende Nachfrage sehen.» Kooperationen mit der französischsprachigen Redaktion oder dem unternehmenseigenen Radio Energy seien für die Weiterentwicklung der Audio-Formate jedoch nicht geplant.
Auch die «Republik» will Podcasts etablieren. In einer Umfrage wünschte sich die Verlegerschaft ausdrücklich auch ein klingendes Angebot. Wie andere Medien hat die «Republik» mit vorgelesenen Artikeln angefangen. «Wir haben uns mit dem dänischen Magazin Zetland vernetzt, um Erfahrungen und Arbeitsabläufe bei Audio-Formaten auszutauschen», sagt Marco Di Nardo, Multimedia-Produzent. «Uns bestärkte, dass bei Zetland die Hälfte der Artikel gehört werden.» Das Feedback des Publikums sei positiv, gerade längere Texte höre man lieber als sie zu lesen. Wie andere Medienhäuser nutzt die «Republik» Audio für vertiefende Gespräche zu Themen, die zuvor in Artikelform behandelt wurden.
Das junge Online-Magazin will nach und nach seine Audio-Kompetenz ausbauen, um auch aufwändige Beiträge zu realisieren und wo nötig, externe Fachleute beiziehen. Mit Urs Bruderer arbeitet zudem ein langjähriger Radio-SRF-Journalist bei der «Republik», der sein Fachwissen bereits einbringen konnte. Autoren und Reporterinnen sollen langfristig selbst Audio-Beiträge produzieren können. Ein dramaturgisch hochwertiges Audio-Feature publizierte die «Republik» kürzlich als Testlauf. Ein Stück von Michelle Akanji, das im Rahmen einer Abschlussarbeit an der ZHdK entstand. «Wir erhielten erfreuliche Rückmeldungen, auch von kritischen Profis. Freie Autorenteams für Podcasts schickten uns daraufhin Angebote», sagt Di Nardo und verspricht: «Weitere solcher Audioperlen werden folgen.»
Warum entdecken die grossen Medienhäuser Audio im Allgemeinen und Podcasts im Speziellen erst jetzt, wo die Technologie doch schon seit Jahrzehnten bereitsteht und auch genutzt wird? Marco Metzler findet die Entwicklung nicht weiter überraschend. Digitale Geräte, allen voran iPod und später das iPhone von Apple, mit denen man Podcasts hören kann, hätten sich erst allmählich etabliert. So sei das Format beliebter geworden. «Die Menschen entdecken Audio immer mehr, also auch die Verlage.» Die Zeit müsse reif sein für eine Sache, damit sie sich etabliert. Als er noch bei der NZZ angestellt war, erzählt Metzler, habe man 2008 den Video-Podcast «NZZ Impulse» lanciert. «Die Reichweite war gross. Man konnte damals aber damit erst wenig Geld mit Werbung generieren. Wir planten Pre-Roll-Werbung zu schalten. In der Schweiz gab es aber noch kaum Werbung für Online und Video. Der Werbemarkt dafür ist erst in den letzten Jahren entstanden.» Für die Vermarktung ihrer Audio-Formate hat die NZZ am Sonntag noch keine Strategie festgelegt.
«Noch ist die Vermarktung von Audioformaten eine Nische. Der Bereich Podcast entwickelt sich in der Schweiz, aber vor allem im Ausland, rasant.»
Matthias Fehr, Admeira
Sollten sich Podcasts bei den Verlagen etablieren, eröffnet dies den Medienvermarktern ein weiteres Werbesegment neben den bereits etablierten Plattformen. «Noch ist die Vermarktung von Audioformaten eine Nische. Das Potential lässt sich noch nicht abschätzen», schreibt Matthias Fehr vom Medienvermarkter Admeira auf Anfrage. Das Unternehmen verkauft unter anderem die Werbung für «Blick» und «Le Temps», die beide mit Podcasts experimentieren. Dafür bestünden aber bislang noch keine Angebote für Werbetreibende. Fehr fügt hinzu, dass die sogenannten Smart-Speakers wichtige Treiber für die Etablierung von Audio-Formaten seien. «Dieses Segment könnte für Werbekunden interessant werden, sobald eine hohe Marktdurchdringung vorhanden ist. In der Schweiz steckt diese, verglichen mit den USA, aber noch in den Kinderschuhen.»
Werbung in Podcasts wirft auch eine medienethische Frage auf: Wie lässt sich die Rolle der Journalistin oder des Journalisten damit vereinbaren, selbst Werbung vorzutragen, wie das bei vielen grossen Podcasts der Fall ist? This Wachter, Journalist und freier Podcast-Produzent, sieht darin kein Problem – sofern die Werbung als solche deklariert ist. «In den Print-Medien stehen ja auch Werbeinserate neben den Artikeln. Heikel finde ich in beiden Formaten, wenn das Publikum Werbung und redaktionellen Inhalt nicht unterscheiden kann. Oder der Werbekunde den redaktionellen Inhalt diktiert», sagt Wachter im Gespräch. Werbung in Podcasts sei auch eine Frage der Gewohnheit. «Für uns in der Schweiz ist es ungewohnt, dass die journalistisch glaubwürdige Stimme einen Werbespruch aufsagt. In den USA ist das normal.» This Wachter widmet sich seit einem halbjährigen Aufenthalt in Kalifornien vertieft dem langen Audio-Format. Seit diesem Jahr führt er ein eigenes Unternehmen für professionelle Podcast-Produktionen. Davor war er viele Jahre bei Radio SRF 4 News als Produzent und stellvertretender Redaktionsleiter tätig. Der Podcast «Serial» hat aus Wachters Sicht in den USA 2014 auch deshalb einen Boom ausgelöst, weil er kommerziell erfolgreich war. In Europa habe man den Verlauf erst mal beobachtet. Wachter fragte in einem Blogeintrag im Herbst 2016 wann deutschsprachige Zeitungsverlage mit Podcasts loslegen. «Ende 2016 leistete dann die Rheinische Post mit Audio-Formaten Pionierarbeit in Deutschland. Grosse Verlage wie Spiegel, Süddeutsche und Zeit zogen nach», sagt er. «Und die Schweizer? Haben nach Deutschland geschielt und experimentieren jetzt zaghaft.»
Als generelles Problem, weshalb sich Audio-Formate bei Schweizer Verlagen kaum etabliert haben, sieht Wachter in fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen: «Verlage wollen zwar ihr Publikum über neue Kanäle erreichen. Können oder wollen dafür aber nicht investieren. Ich habe oft den Eindruck, sie stellen sich die Produktion von Podcasts billig und leicht vor.» Ein attraktives Hörangebot zu produzieren, koste aber schnell einen Betrag im fünfstelligen Bereich. Darunter versteht Wachter eigenständige Geschichten als Podcasts, keine epischen Gespräche oder Zweitverwertung gedruckter Texte. Gerade Letzteres findet er «äusserst lustlos, denn geschriebene Texte eignen sich nur bedingt für Audio. So schöpft man die Stärke des Formats nicht aus.» Wachter verwundert es nicht, dass man bei Tamedia die vorgelesenen Artikel nach der Testphase nicht weitergeführt hat. «Will man den Marktwert eines Formats einschätzen, muss man erst mal etwas Mitreissendes liefern», sagt er. Als gelungene Beispiele in ihrer Tonqualität wie auch in der Erzählform preist Wachter die Beispiele von «Le Temps» und der NZZ. «Die Nachfrage nach hochwertigen Audio-Formaten besteht. Ansonsten hätte die NZZ nicht wider Erwarten so gute Abrufzahlen gehabt. Doch den Markt muss man sich erst mal erschaffen.»
«Journalistische Erfahrung allein reicht nicht für einen guten Podcast. Interviews führt man für Audio-Formate anders als für Print.»
This Wachter, Podcast-Spezialist
Dabei gilt es nicht zu vergessen, dass die starke Stellung und die finanziellen Mittel des Radios die Etablierung eines kommerziellen Podcast-Markts hemmen könnten und die Verlage vielleicht auch abschrecken, selbst stärker die Initiative zu ergreifen. Radio SRF bietet einerseits seine Sendungen als Podcast zum zeitversetzten Hören an, andererseits produziert der gebührenfinanzierte Sender auch aufwändige Podcasts ausserhalb des Radioprogramms wie «Edi – Leben am Limit» oder «Einfach Politik». Das Radio mag die Verlage hemmen, sagt Wachter, andererseits haben Podcasts dem Radio das Monopol auf Audio-Formate entzogen. «Der Podcast ermöglicht etwa in Länge oder Inhalt Freiheiten, die sich das Radio wegen Vorgaben für fixe Formate gar nicht nehmen, oder auch aus zeitlichen Gründen nicht realisieren kann.» Sicher seien die vom Radio produzierten Podcasts hochwertig. Würde also ein Verlag in Podcasts investieren, bräuchte es auch die Schulung der Print-Journalisten. «Journalistische Erfahrung allein reicht nicht für einen guten Podcast. Interviews führt man für Audio-Formate anders als für Print», sagt Wachter.
Bleibt schliesslich die Frage der Finanzierung. Müssten Podcasts von Verlagen hinter eine Bezahlschranke? Würde das Publikum überhaupt dafür bezahlen? Oder funktioniert die Finanzierung über Werbung? This Wachter kennt die Antwort nicht. Für ihn ist aber klar: «Wer mediale Pionierarbeit leisten will, muss etwas riskieren.» Aufgrund seiner Beobachtungen in der freien Podcast-Szene der USA weiss er, dass jeder und jede die Geschichten sehr gut vermarktet, «weil man laufend um die Finanzierung buhlen muss. Durch Werbeblöcke im Beitrag finanziert man einen bedeutenden Anteil. In der Schweiz existieren solche Gefässe noch gar nicht.»
Beim Hintergrundmagazin «Reportagen» liegt das Projekt Podcast aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen auf Eis. «Das Magazin ist knapp selbsttragend. Nach wie vor sind wir auf neue Abonnenten angewiesen», sagt Lucas Hugelshofer, Marketing- und Vertriebsleiter. «Podcasts wären für uns ein zusätzlicher Kostenpunkt, und keine Nebeneinkunft, mit der wir zusätzliche Einnahmen sichern könnten.» An der Begeisterung für Podcasts fehlt es dem Team des Magazins nicht: «Unsere Geschichten wären geeignet für dieses Format. Wir haben auch schon mit Profis Ideen zur Umsetzung angedacht. Hätten wir finanzielle Subventionen dazu, würden wir sofort loslegen!»
In den USA gibt es derweil erste Anzeichen, dass der Podcast-Trend schon wieder abflacht. Gemäss einem jüngst in der Colombia Journalism Review erschienen Artikel, mussten einige Redaktionen in ihren Podcast-Abteilungen Personal abbauen, weil es auf dem Markt ein Überangebot gibt. Dadurch habe das Format auch an Qualität eingebüsst. Der Artikel bringt das Dilemma auf den Punkt: Mit Podcasts könnten Verlage zwar ein treues Publikum langfristig an sich binden. Gute Podcasts zu produzieren, braucht aber Zeit und Geld.