Herr Krull und der Einheitsbrei
Wenn eine Tamedia-Zeitung nicht berichtet, dann berichtet keine Tamedia-Zeitung: Der Fall Krull oder ein Lehrstück über die Schädlichkeit des publizistischen Einheitsbreis.
Reaktion von Tamedia: Schreiben des Rechtskonsulenten vom 20. November.
Die Einverleibung der «Basler Zeitung» in den Tamedia-Konzern ist in vollem Gange. Spätestens Anfang nächstes Jahr wird sich auch in diese Tageszeitung der Einheitsbrei aus der Zentralredaktion in Zürich ergiessen. Bei den Themen Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur. Und natürlich werden in Basel Stellen eingespart, das ist ja der Sinn der Sache. Die Restredaktion wird dann vom bisherigen Sportchef Marcel Rohr geführt.
Kein Problem, sagt da der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser bei Tamedia, es lese doch kaum ein Basler gleichzeitig den Tages-Anzeiger, ebenso wenig ein Berner oder ein Thuner. Also sei es doch nicht so schlimm, dass in elf Zeitungen ausserhalb des Lokalen das genau Gleiche stehe. Zudem gebe diese Konzentration auf eine Zentralredaktion mehr Power für journalistische Recherche.
Das Problem hat einen Namen, und der lautet Krull. So hiess nicht nur ein Hochstapler bei Thomas Mann, so heisst ein ehemaliger Managing Director bei der Bank Bär.
Nun, so einfach und schön ist es nicht, wie ich nicht nur aus eigener Betroffenheit weiss. Denn ich publiziere bislang in der BaZ, wo meine meist doch eher kantigen Artikel gerne und ohne Veränderungen genommen werden. Auch wenn sich beispielsweise Banken melden, ob das denn sein müsse und mit dem Anwalt winken. Das wird sich spätestens Ende Jahr erledigt haben.
Na und, mag man sagen, schlecht für Zeyer, aber der BaZ-Leser wird’s wohl verschmerzen. Auch das stimmt, jedoch gibt es ein Problem, das ziemlich viel grösser ist als die Tatsache, dass Zeyer dann eine Publikationsplattform wegbricht. Das Problem hat einen Namen, und der lautet Krull. So hiess nicht nur ein Hochstapler bei Thomas Mann, so heisst ein ehemaliger Managing Director bei der Bank Bär, der gerade in Miami zu zehn Jahren Knast verurteilt wurde. Er hat gestanden, mit Geldwäsche an einem gewaltigen Betrugsfall beteiligt gewesen zu sein, bei dem dem venezolanischen Staat 1,2 Milliarden Dollar geklaut wurden.
Krull war ehemals Vizechef der Bär-Niederlassung in Panama. Die Bank wiederum hat sich von einer weiteren Strafverfolgung in Sachen Steuerstreit mit über einer halben Milliarde Busse freigekauft. Und unterliegt einer Probezeit bis Februar 2019, während deren sie sich nichts Neues zu Schulden kommen lassen darf. Sonst ist die Busse verwirkt und es gibt eine neue. Natürlich sagt die Bank, dass der Fall Krull überhaupt nichts mit ihr zu tun habe. Und rief auch gleich bei der BaZ an, nachdem ich ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, ob ein Artikel zu diesem Thema wirklich nötig sei.
Im Tagi-Imperium herrschte Schweigen zum Urteil. Krull? Wer ist das? War da was? Gibt es da etwas zu berichten?
Der Fall ist durchaus interessant, und in den Schweizer Medien wurde von «Blick» über NZZ bis zum «Bote der Urschweiz» und eben auch in der BaZ berichtet. Entweder, indem eine SDA-Meldung publiziert wurde, oder indem Journalisten den Fall aufnahmen. Aber: Im Tagi-Imperium herrschte Schweigen zum Urteil. Krull? Wer ist das? War da was? Gibt es da etwas zu berichten? Ach nein, das liegt ausserhalb der Möglichkeiten der Zentralredaktion, und eine ausführliche SDA-Meldung wurde auch nicht gebracht. Warum?
Nun, recherchieren wir etwas. Der VR-Präsident von Tamedia heisst Pietro Supino. Von Haus aus ist er Rechtsanwalt, und als solcher war er zuvor für die Kanzlei Bär & Karrer tätig. Da gab es mal eine Geschichte um die Offshore-Gesellschaft «Moonshine Trust», aber das wäre eine andere Story. Wichtig hier ist, dass Bär & Karrer seit Jahrzehnten die Hauskanzlei der Bank Bär ist. Natürlich weist es Tamedia auf Anfrage zurück, dass es zwischen dem Schweigen über den Fall Krull und der Anwaltsvergangenheit des VR-Präsidenten einen Zusammenhang geben könnte. «Es gab und gibt keine solche Weisung», meint Oberchefredaktor Arthur Rutishauser. Und kündigt an, dass ein Bericht über Krull am nächsten Tag erscheinen werde. Was er als Winzmeldung unter der Sammelrubrik «Nachrichten» tatsächlich tut.
Allerdings hat die Sache eine Vorgeschichte. Als der ehemalige Bär-Banker in Miami verhaftet wurde, bot ich diese Story mit Hintergrund der «Sonntagszeitung» an. Nach dem üblichen Hin und Her kam man an einem Freitag überein, dass der Artikel am kommenden Sonntag erscheinen wird. Bis mir am Samstag begründungslos per Mail mitgeteilt wurde, dass man ihn mal um eine Woche schiebe. Ich brachte ihn stattdessen im Sonntagsblick unter und mass diesem Schwenk keine weitere Bedeutung bei. Da ich mit dem Wirtschaftschef der «Sonntagszeitung» die Gründe für eine schnelle Veröffentlichung diskutiert und ihn überzeugt hatte, nahm ich an, dass einfach ein Redaktor ohne Rücksprache anders entschieden habe.
Die alte Leier: Wenn einem inhaltlich nichts einfällt, beschwert man sich über Ton, Art, Form.
Angesichts des Schweigens über den Fall Krull erscheint das aber in einem anderen Licht. Natürlich gab ich auch damals der Bank Bär vorab die Gelegenheit zur Stellungnahme. Ob die das zum Anlass nahm, mal kurz am Samstag zu intervenieren? Gleich auf höchster Ebene? Auf jeden Fall teilte mir der Wirtschafts-Chef der Tamedia-Zentralredaktion mit, nachdem ich gegen diese Verschiebung protestiert und vergeblich ein Gespräch zwecks Lösungsfindung verlangt hatte, dass er «keine weitere Korrespondenz» mit mir mehr wünsche. Ich hätte die Redaktorin, die mir das Verschieben mitteilte und anschliessend auf Tauchstation ging, «in einem inakzeptablen Ton angegangen». Die alte Leier: Wenn einem inhaltlich nichts einfällt, beschwert man sich über Ton, Art, Form. Dabei formulierte ich meinen Protest in deutlichen, aber höflichen Worten, es ging mir ja darum, den Artikel zu veröffentlichen.
Das ist ein gefährliches Beispiel, was der Schweiz droht, wenn es nur noch Einheitsbrei gibt. Den kann man nämlich nicht nur ohne Zähne essen. Den kann man auch zahnlos herstellen. Und ein kritischer Artikel über die Berichterstattung der Zentralredaktion von Tamedia kann garantiert nicht mehr in der Basler Zeitung erscheinen. Auch nicht in der «Sonntagszeitung» oder der «Berner Zeitung» oder im «Bund» oder im «Zürcher Unterländer» oder im «Berner Oberländer» oder im «Thuner Tagblatt». Ach, da gäbe es dann doch noch den neuen Verbund von CH Media? Nun, wieso soll sich der eine der zwei verbliebenen Quasi-Monopolisten mit dem anderen anlegen? Da käme bei Gelegenheit mal eine Retourkutsche, wieso also einen Streit vom Zaun brechen.
Schneller als vielen lieb ist, zeigen sich die problematischen, ja bedenklichen Konsequenzen der Vereinheitlichung der Schweizer Tagespresse. Wenn der Überchefredaktor des Tamedia-Konzerns auf den designierten VR-Präsidenten von Raiffeisen einprügelt und ihn als nicht wählbar bezeichnet, wenn ganze Artikelsalven erscheinen, die dem schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann Jean-Claude Bastos vorwerfen, er bereichere sich unziemlich an Angolas Geldern, stehe unter Verdacht der Steuerhinterziehung und Geldwäsche und mache sich auf Kosten der Armen Angolas einen schönen Tag – wo können sich die Betroffenen noch publizistisch zur Wehr setzen, wo ist Platz und Möglichkeit, davon abweichende Meinungen, gar Kritik zu veröffentlichen?
Aber wo bleibt die Kontrolle über die Medien selbst, der Widerstreit der Meinungen, wo bleiben die verschiedenen Blickwinkel, das Für und Wider? Wo bleibt die Wahlmöglichkeit des Lesers?
Die Vierte Gewalt hat eine zentral wichtige Funktion in einer modernen, demokratischen Gesellschaft. Sie übt Kontrolle aus, prangert an, schafft Öffentlichkeit in Dunkelkammern, enthüllt. Das macht sie unverzichtbar. Aber wo bleibt die Kontrolle über die Medien selbst, der Widerstreit der Meinungen, wo bleiben die verschiedenen Blickwinkel, das Für und Wider? Wo bleibt die Wahlmöglichkeit des Lesers? Auf der Strecke bleibt sie, und das ist nicht nur bedenklich, das ist brandgefährlich für die Gesellschaft.
Dieses Problem ist viel gewichtiger als das Wegbrechen einer Publikationsmöglichkeit für mich. Ich bin immer der Auffassung, dass ich sicherlich nicht die alleinige Wahrheit für mich gepachtet habe. Aber ich bin entschieden der Auffassung, dass nur im Widerstreit der Meinungen und Positionen Fortschritte möglich sind. Durch öffentliches Aufeinanderprallen von Perspektiven, Analysen und Blickwinkeln. Durch Rede und Gegenrede – oder –schreibe. Fehlt das, fehlt der Sauerstoff in der Debatte, und dann fehlt bald einmal der Demokratie die Luft zum Atmen.
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Ein Brei mit Folgen
Am 1.11.2018 veröffentliche die MEDIENWOCHE oben stehenden Artikel «Herr Krull und der Einheitsbrei». In ihm kritisierte der Autor René Zeyer den Einheitsbrei, der durch die Belieferung von insgesamt elf grossen Zeitungen in der Deutschschweiz durch eine Zentralredaktion entsteht. Am Fall des in den USA zu zehn Jahren Gefängnis wegen Beteiligung an Geldwäscherei verurteilten ehemaligen Managing Directors der Bank Bär kritisierte der Autor weiter, dass über dieses Urteil kein Wort im Tamedia-Imperium erschienen sei. Dabei wurde Arthur Rutishauser, Chefredaktor der Tamedia-Redaktionen, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wovon er auch Gebrauch machte. Seine Aussagen werden im Artikel zitiert.
Eine Woche nach Erscheinen des Artikels meldete sich Rutishauser telefonisch beim Chefredaktor der MEDIENWOCHE und beschwerte sich, dass er in dem Artikel in seiner Berufsehre angegriffen werde. Von rechtlichen Schritten wolle er aber eher absehen. Eine weitere Woche später telefonierte Rutishauser nochmal, diesmal verlangte er die Löschung des gesamten Artikels bis am folgenden Tag und kündigte widrigenfalls rechtliche Massnahmen an.
Eine weitere Woche später, also insgesamt drei Wochen nach Publikation, wandte sich Matthias Seemann, Rechtskonsulent von Tamedia, mit einem vierseitigen Schreiben an den Autor des Artikels. Darin ist von der Rufschädigung an Rutishausers Berufsehre keine Rede mehr.
Wir veröffentlichen dieses Dokument in voller Länge, an gegebener Stelle ergänzt mit kurzen Stellungnahmen des Autors:
Zürich, 20. November 2018
lhr Artikel «Herr Krull und der Einheitsbrei»
Sehr geehrter Herr Zeyer
Im Namen der Tamedia AG und Ihres Verlegers, Herr Pietro Supino, möchte ich Ihnen unsere nachfolgende Kritik an Ihrem Artikel «Herr Krull und der Einheitsbrei», erschienen am 1. November 2018 in der «Medienwoche», zukommen lassen.
Ihre Kritik
In Ihrem Artikel behaupten Sie zu Unrecht und auf rufschädigende Weise, dass die Titel der Tamedia AG über den Fall des ehemaligen Julius-Bär-Bankers Matthias Krull – möglicherweise wegen der Anwaltsvergangenheit ihres Verlegers – geschwiegen hätten. Sie äussern sich wie folgt:
«Der Fall ist durchaus interessant, und in den Schweizer Medien wurde von «Blick» über NZZ bis zum «Bote der Urschweiz» und eben auch in der BaZ berichtet. Entweder, indem eine SDA-Meldung publiziert wurde, oder indem Journalisten den Fall aufnahmen. Aber: Im Tagi-Imperium herrschte Schweigen zum Urteil. Krull? Wer ist das? War da was? Gibt es da etwas zu berichten? Ach nein, das liegt ausserhalb der Möglichkeiten der Zentralredaktion, und eine ausführliche SDA-Meldung wurde auch nicht gebracht.
Warum? Nun, recherchieren wir etwas. Der VR-Präsident von Tamedia heisst Pietro Supino. Von Haus aus ist er Rechtsanwalt, und als solcher war er zuvor für die Kanzlei Bär & Karrer tätig. Da gab es mal eine Geschichte um die Offshore-Gesellschaft «Moonshine Trust», aber das wäre eine andere Story. Wichtig hier ist, dass Bär & Karrer seit Jahrzehnten die Hauskanzlei der Bank Bär ist. Natürlich weist es Tamedia auf Anfrage zurück, dass es zwischen dem Schweigen über den Fall Krull und der Anwaltsvergangenheit des VR-Präsidenten einen Zusammenhang geben könnte.»
Die Tamedia-Titel haben zum Fall Krull nicht geschwiegen
Diese Ausführungen verbinden Sie mit Kritik an der Vereinheitlichung der Tagespresse in der Schweiz. Tamedia ist grundsätzlich bereit, sich einer solchen Kritik zu stellen. Doch die von Ihnen geäusserte Kritik beruht jedoch auf falschen Grundlagen, wie auch schon ein Leserkommentar zu Ihrem Medienwoche-Artikel festgestellt hatte. Die Behauptung, dass die Titel von Tamedia («Tagi-lmperium») zum Fall Krull geschwiegen hätte, ist von Vornherein unzutreffend. Der Tamedia-Recherchedesk hat mehrmals über den Fall berichtet:
«USA verhaften Ex-Starbanker von Julius Bär»
(Mario Stäuble, Alexandre Häberli, 26.07.2018);
«Bär-Banker diente Maduros Familie»
(Mario Stäuble, 22.05.2018);
«Ex-Julius-Bär-Banker bekennt sich schuldig»
(Mario Stäuble, 23.08.2018).
Der Fall Krull wurde zudem auch im folgenden Artikel erwähnt:
«Operation 600: Zwei Schweizer im Venezuela-Sumpf»
(Mario Stäuble/Christian Brönnimann, 22.05.2018);
Berichterstattung über das Urteil im Fall Krull
In einer Antwort auf einen Leserkommentar behaupten Sie, Sie hätten nicht geschrieben, der Tagi habe nie über Krull berichtet. Jedoch liest sich der oben zitierte Absatz anders, da bei der Lektüre Ihres Artikels tatsächlich klar der Eindruck entsteht, Tamedia-Titel hätten den Fall konsequent verschwiegen («Krull? Wer ist das? War da was? Gibt es da etwas zu berichten? Ach nein, das liegt ausserhalb der Möglichkeiten der Zentralredaktion […]»).
Was das Urteil zum Fall Krull betrifft, so ist zutreffend, dass der Tamedia-Recherchedesk über dieses Urteil, welches am 29. Oktober 2018 bekannt geworden ist, nichts berichtet hat. Der Grund dafür liegt daran, dass an diesem Tag die Schlussarbeiten zur umfangreichen Football-Leaks-Geschichte im Magazin («Giannis Game») zu erledigen waren und der Recherchedesk schlicht nicht dazu kam, die Meldung über Krull zu verarbeiten (welche im Übrigen inhaltlich nicht viel Neues zu den bereits publizierten Umständen und Hintergründen enthielt). Das ist zwar bedauerlich, doch steht dahinter in keiner Weise ein Entscheid, den Fall Krull zu verschweigen – was ja auch die frühere Berichterstattung von Tamedia über den Fall belegt. Der Vollständigkeit halber muss man darauf hinweisen, dass über das Urteil aber in der «Finanz und Wirtschaft» berichtet wurde, welche ja auch zur Tamedia gehört und bei welcher ebenfalls Herr Supino der Verleger ist:
«Ex-Bär-Banker muss zehn Jahre ins Gefängnis»
(30.10.2018)
Somit ist auch die Aussage, dass das «Urteil» von den Tamedia-Titeln verschwiegen wurde, letztlich falsch (bzw. liesse sich höchstens mit der Ausflucht retten, dass «Finanz und Wirtschaft» nicht zum «Tagi-Imperium» zählten). Auf jeden Fall widerspricht auch die Meldung in der «Finanz und Wirtschaft» Ihrer – falschen – Theorie einer Einflussnahme des Verlegers.
Anmerkung 1: Mit viel Aufwand bestreiten, was gar nicht behauptet wurde. Wie richtig zitiert und auch bestätigt, hat Tamedia in seinen Tageszeitungen nicht über die Verurteilung Krulls berichtet. Andere Medien durchaus. Die Gründe dafür sind unerheblich.
Kein Zusammenhang zur Anwaltsvergangenheit des Verlegers
Damit erübrigt sich auch die Frage, warum Tamedia den Fall Krull angeblich verschwiegen habe. Wie Sie in Ihrem Artikel korrekt erwähnen, weist Tamedia darauf hin, dass es zwischen der Anwaltsvergangenheit des Verlegers und dem Fall Krull keinen Zusammenhang gibt. Insbesondere kennt der Verleger Herrn Krull nicht.
Auch Ihre Unterstellung, dass vielleicht die Bank Bär bei Herrn Supino interveniert und die weitere Berichterstattung damit ausgeschaltet habe, ist falsch («ob die [Bank Bär] das zum Anlass nahm, mal kurz am Samstag zu intervenieren? Gleich auf höchster Ebene?»). Zudem hätten Sie bei einer näheren Prüfung auch feststellen können, dass diese Theorie ohnehin nicht plausibel ist. Denn Ihr Artikel, der von der «SonntagsZeitung» letztlich nicht abgedruckt wurde, wurde im «Sonntagsblick» vom 12. August 2018 publiziert.
Anmerkung 2: Wieso stellt das die Plausibilität der Theorie in Frage?
Eineinhalb Wochen später hat der Tamedia-Recherchedesk am 22. und 23. August 2018 noch zwei ausführliche Artikel zum FalI Krull publiziert. Dies belegt, dass es an dem von Ihnen erwähnten Samstag, 11. August 2018, eben keine Intervention der Bank Bär bei Tamedia gegeben hatte, mit welcher irgendeine Tamedia-Berichterstattung verhindert worden ist.
Anmerkung 3: Wieso soll eine spätere Publikation zum Thema «belegen», dass an diesem Wochenende keine Intervention erfolgte?
Grund für die Verschiebung Ihres Artikels war Ihnen bekannt
Hinzu kommt, dass der Grund für die Verschiebung Ihres Artikels (den Sie dann im «Sonntagsblick» veröffentlichten) Ihnen bekannt war. Erstens enthielt Ihr Artikel anfangs keine Stellungnahme der Bank Bär, worauf die Redaktion der SonntagsZeitung bei der Bank Bär nachfragte. Diese hatte tatsächlich eine Stellungnahme abgegeben, wobei deren E-Mail bei Ihnen offenbar nicht angekommen ist. Dadurch verschob sich der Kontroll- und Bearbeitungsprozess. Aus Qualitätsgründen entschloss sich die Redaktion dann, noch einige heikle Fakten zu überprüfen, was den Prozess weiterverschob und eine Publikation am 12. August 2018 nicht mehr erlaubte.
Dass Sie diese Verschiebung Ihres Artikels – die gemäss dem Gesagten im hohen Qualitätsstandard der SonntagsZeitung begründet ist – nun als Argument verwenden, um die Qualität der Tamedia-Titel generell zu diffamieren («Einheitsbrei»), ist unakzeptabel. Ein solches Diffamieren ist umso unglaubwürdiger, als Sie in dieser Sache kein unabhängiger Beobachter, sondern Partei sind.
Anmerkung 4: Es ist richtig, dass die Stellungnahme der Bank Bär in deren Mailausgang hängen blieb. Nachdem sie dann durch die Nachfrage einer Redaktorin der «Sonntagszeitung» nochmal geschickt wurde, um die Anmerkung angereichert, dass das Blatt doch bitte mit «solchen rufschädigenden Spekulationen» zurückhaltend sein solle, wäre es nur darum gegangen, den Satz «wollte keine Stellung nehmen» durch einen Satz aus der Stellungnahme zu ersetzen. Stattdessen erhielt René Zeyer begründungslos die Mitteilung, dass der Artikel um eine Woche geschoben werde. Nachdem auf seine mehrfachen Bitten um ein Gespräch nicht reagiert wurde, bot er ihn dann dem Sonntagsblick an und zog ihn bei der «Sonntagszeitung» zurück. Was die «hohen Qualitätsstandards» betrifft: Das wird der Sonntagsblick gerne hören, der den Artikel publizierte; ohne die «Überprüfung heikler Fakten» – und ohne Folgen, was Bank Bär betrifft.
Widersprüchliche Aussagen zum «Einheitsbrei»
Darüber hinaus sind auch Ihre Ausführungen zum behaupteten «Einheitsbrei» widersprüchlich: Auf der einen Seite unterstellen Sie, dass bei Themen, die von den Tamedia-Titeln behandelt werden, es praktisch keinen «Platz und Möglichkeiten» für abweichende Meinungen und Kritik mehr gebe. Auf der anderen Seite behaupten Sie, dass der Fall Krull, welcher angeblich bei den Tamedia-Titeln verschwiegen worden sei, jedoch «von Blick über NZZ bis zum Bote der Urschweiz» aufgenommen wurde. Damit zeigen Sie gleich selbst auf, dass es neben den Tamedia-Titeln eben durchaus noch «Platz und Möglichkeíten» für andere Berichterstattung gibt.
Anmerkung 5: Nochmals widerlegen wollen, was nicht behauptet wurde. Im Artikel steht, dass es innerhalb der Tamedia-Blätter nicht möglich sei, Kritik zu üben. Beispielsweise in der «Berner Zeitung» über den Tages-Anzeiger.
Fazit
Es ist unbestritten, dass Tamedia aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen der Medienwelt ihre Produktionsprozesse vereinheitlicht. Es ist legitim, kritisch über diese Vereinheitlichung zu berichten.
In Ihrem Artikel stützen Sie Ihre Kritik jedoch, wie vorstehend dargelegt, auf falsche Unterstellungen, unplausible Theorien – deren Unplausibilität leicht festzustellen gewesen wäre – und widersprüchlichen Aussagen. Damit betreiben Sie Rufschädigung auf einer falschen faktischen Grundlagen, und wir fordern Sie auf, solches zukünftig zu unterlassen. Die Tamedia AG behält sich sämtliche rechtlichen Schritte vor.
Bei Fragen oder Diskussionsbedarf stehe ich gerne zur Verfügung
Mit freundlichen Grüssen
Matthias Seemann, Rechtskonsulent
Kopie: Nick Lüthi, Medienwoche
Felix Krull 01. November 2018, 21:30
Wow. Wieder einmal eine schöne Zeyer’sche Verschwörungstheorie. Was er unterschlägt: Der Tagi hat drei Mal gross und exklusiv über Krull und JB berichtet – immer auch mit Fronttext dazu.
René Zeyer 01. November 2018, 22:18
Nun, ein nicht ungebildeter Anonymus, der sich im Gegensatz zu mir nicht traut, mit seinem Namen hinter seine Meinung zu treten. Peinlich. Zudem: Es ist der billigste aller Tricks, einem Text etwas vorzuwerfen, das gar nicht drinsteht. Ich schreibe nicht, dass der Tagi nie über Krull berichtet habe. Ich schreibe hingegen, dass er die Verurteilung von Krull kaum der Erwähnung wert findet, und ich beschreibe, was sich damals bei meinem Krull-Artikel abgespielt hat. Was daran Verschwörungstheorie sein soll, und gar «wieder einmal»? Wie auch immer, anonym ist feige und disqualifiziert sich selbst.
Felix Krull 02. November 2018, 06:11
Glauben Sie echt, dass Supino Rutishauser oder sonstwen anweist, nicht über ein Urteil zu schreiben (weil Supino vor Jahren mal für eine Kanzlei tätig war, die auch für Julius Bär tätig ist)? Da bringen Sie zu viel Ihrer Kuba-Erfahrung ein. In der Schweiz ist das Verschwörungstheorie. Und man kann sie nur bringen, wenn man die zentrale Info unterschlägt, dass der Tagi zuvor intensiv wie kein anderer Schweizer Titel über den Fall Krull/Julius Bär berichtet hat. Traurig, dass die geschätzte Medienwoche Ihnen eine Plattform gibt für Ihr persönliches Rachefeldzügli.
Ueli Custer 02. November 2018, 07:54
Da hat der Tagi offenbar intensiv wie kein anderer Titel über den Fall berichtet und auf einmal hört das auf. Eigentlich das beste Indiz, dass da (vielleicht im Rahmen eines Apéros oder während einer kurzen Liftfahrt) die Bemerkung von Supino zu Rutishauser gefallen ist, er wäre froh, wenn man dieses Thema etwas tiefer hängen könnte. Und was macht dann einer der wenigen wohl noch sehr gut verdienenden, echten Chefredaktoren der Schweiz? Ich weiss es nicht, aber um sich so eine Szene vorzustellen, braucht es keine blühende Fantasie.
Bob Bernstein 03. November 2018, 15:22
Schöne Phantasie habe Sie, Herr Zeyer, inklusive Lift oder Apéro, fehlt nur die Sauna. Aber wenn das so verlaufen wäre, wäre das längst bekannt. Auf der Tagi-Redaktion wimmelt es nach wie vor von Vollblutjournalisten und kritische Geistern, die so etwas nie akzeptieren würden.
Markus Oetterli 02. November 2018, 21:25
Auch wenn man nicht einverstanden ist mit dem, was René Zeyer schreibt, lohnt es sich dafür zu kämpfen, dass er es schreiben darf. (frei nach Voltaire)