von Nicole Emmenegger

Gegen einen Lichtbildschutz: unnötiges Regulierungsmonster

Fotografien sollen künftig absolut geschützt werden, auch wenn es Produktbilder, Knipsbildli oder Computertomographien sind. So will es der Bundesrat in der aktuell laufenden Revision des Urheberrechtsgesetzes. Warum das nicht zielführend ist und für mehr Verwirrung statt Klarheit sorgen würde.

==> Für einen Lichtbildschutz: längst fälliger Schutz für die Fotografie

«Schutz von Fotografien ohne individuellen Charakter» heisst die neue Bestimmung im Entwurf des Urheberrechtsgesetzes. Oder einfacher – mit dem in Deutschland geläufigen Begriff – gesagt: Lichtbildschutz. Gemeint ist, dass jede Form von Fotografie oder fotoähnlicher Produktion automatisch urheberrechtlich geschützt ist, vorbehaltlos und absolut. Das würde für jeden Schnappschuss, jedes Selfie, jedes Ferienfoto und auch jedes Produktbild und sogar für jede Aufnahme von Röntgenapparaten und Computertomographien gelten. Und das ist aus mehreren Gründen falsch.

Mit dem Lichtbildschutz würden fachmännischen Fotos mit beliebigen Schnappschüssen auf eine Stufe gestellt.

Urheberrechtlich geschützt werden Werke der Literatur und Kunst, wenn sie eine geistige Schöpfung sind und einen individuellen Charakter haben. Das tönt kompliziert und ist es manchmal auch. Der entscheidende individuelle Charakter kann sich bei Fotos durch die Wahl des Objekts, die Einstellung oder die Belichtung zeigen. Geschützt ist z.B. ein Porträt mit besonderen Gestaltungsmitteln, nicht geschützt hingegen das banale Foto eines Turnschuhs oder eines anderen Produkts, das keine Individualität aufweist. Das bedeutet auch, dass die Arbeiten von professionellen Fotografen in den allermeisten Fällen selbstverständlich geschützt sind. Mit dem Lichtbildschutz würde nun eine komplett neue Kategorie geschaffen. Damit würden fachmännischen Fotos mit beliebigen Schnappschüssen auf eine Stufe gestellt.

Skurril daran ist, dass eine Fotografie damit urheberrechtlich geschützt würde, ohne überhaupt die urheberrechtlichen Schutzkriterien zu erreichen. Wenn ein Foto ohne Werkcharakter geschützt wird, so fragt sich: Was kommt als nächstes? Wird ein einzelner Ton oder Buchstabe geschützt? Denn die einseitige Bevorzugung einer bestimmten Werkgattung – hier der Fotografie – gegenüber z.B. Film, Musik oder dem geschriebene Wort ist schwer erklärbar.

Warum unter diesen Voraussetzungen überhaupt reguliert wird, bleibt schleierhaft.

Ursprung des Ganzen war, dass die Pressefotografie besser geschützt werden sollte. Dieses Anliegen stösst durchaus auf Verständnis, wurde aber mit der Schaffung des Lichtbildschutzes schlicht verfehlt. Wer als Pressefotograf arbeitet, sollte nicht hinnehmen müssen, dass seine Arbeit ungefragt verwendet wird. Allerdings betonen selbst die grössten Verfechter des Lichtbildschutzes, dass grundsätzlich die Zusammenarbeit zwischen Medienhäusern und Profi-Fotografen gut funktioniere und die Arbeit korrekt vergütet werde. Warum unter diesen Voraussetzungen überhaupt reguliert wird, bleibt schleierhaft.

Fraglich ist auch, wie der Lichtbildschutz in die moderne, digitale Welt passt. Man denke etwa an Social-Media-Plattformen, wo auch die Kommunikation einer Institution mit deren Besuchern betroffen wäre. Natürlich wäre weiter möglich, private Bilder auf Instagram & Co. hochzuladen oder zu teilen, sofern sie selber fotografiert wurden. Anders aber bei nicht selber geschossenen Fotos. Hier wäre ohne rechtliche Abklärungen künftig kein Posting mehr möglich. Sollten aktuell tatsächlich nicht-individuelle Fotos entgegen dem Wunsch des Berechtigten verwendet werden, so sollte ein solcher Missstand – falls tatsächlich nötig – im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb behoben werden und ganz sicher nicht im Urheberrechtsgesetz.

Mit einem Lichtbildschutz kann ein eigentlich gemeinfreies Werk nicht mehr abgebildet werden.

Auch Bibliotheken, Museen oder Archiven fürchten Einschränkungen: Wenn ein Museum das Fotografieren von Werken verbietet – beispielsweise weil das Blitzlicht den Kunstwerken schadet – so können heute bei Werken, deren Schutz abgelaufen ist, die davon existierenden Abbildungen frei verwendet werden. Werden diese Abbildungen nun mit einem Lichtbildschutz versehen, so kann das eigentlich gemeinfreie Werk nicht mehr abgebildet werden. Damit würde die gewünschte Zugänglichkeit von gemeinfreien Werken unterlaufen.

Natürlich würde auch der Aufwand für Ausstellungskataloge zunehmen, wenn nebst den Werken auch noch der Lichtbildschutz der Fotos abgeklärt werden müsste. Das wäre sehr bedauerlich, zumal gerade bei der aktuellen Gesetzesrevision Vieles dafür getan wurde, die Zugänglichkeit zu Werken und den Zugriff auf Informationen zu erleichtern.

Offen ist, welche Folgen das private Speichern von Fotos hätte. Müsste für das Ablegen der Fotos auf dem Smartphone künftig eine Tarifvergütung bezahlt werden wie dies bei Liedern, Filmen, Hörbüchern der Fall ist? Dies wäre bei der Unmenge an Fotos durchaus relevant, kann aber unmöglich beabsichtigt sein.

Es wird keine Rechtssicherheit geschaffen, sondern es entstehen Verwirrung und Unsicherheit.

Wie sich ein solcher Lichtbildschutz konkret auswirken würde, lässt sich heute nicht mit letzter Sicherheit vorhersagen. Würden Massen-Abmahnungen versendet wie in Deutschland? Gäbe es zahlreiche Gerichtsverfahren? Möglich, bestimmt aber wird keine Rechtssicherheit geschaffen, sondern es entstehen Verwirrung und Unsicherheit. Und ganz sicher würde damit Anwälten und Anwältinnen – wie der Verfasserin dieses Artikels – die Arbeit nicht ausgehen. Aber das ist keine gute Voraussetzung zum Erlasse einer neuen Gesetzesbestimmung…

Leserbeiträge

Daniel P. Wiedmer 05. Dezember 2018, 11:03

Ich bin bisher davon ausgegangen, dass jedes meiner Fotos automatisch einen Urheberrechtsschutz hat, und dass jemand, der eines meiner Fotos verwendet, dafür auch zahlen sollte (ausser, ich gebs gratis frei). Umgekehrt mache ich das ebenso, wenn ich Bücher oder ähnliches produziere.
Offenbar unterlag ich da bisher einem Irrtum; es gibt scheinbar Fotos, die sind mehr wert als andere. Und ein Gericht – Richter sind ja Experten, was den Wert einer Fotografie betrifft – entscheidet darüber?
Absurder gehts doch wirklich nicht mehr. Und selbstverständlich ist jedes meiner Selfies ebenfalls ein Werk, das urheberrechtlich geschützt sein soll, ich möchte nämlich selber darüber bestimmen können, wo es erscheint.
Ich finde es erstaunlich, dass eine Rechtsanwältin gegen solche in meinen Augen selbstverständlichen Regeln argumentieren kann, und dann auch noch falsch: Auch wenn ein Foto eines Kunstwerkes, das keinen Urheberrechtsschutz mehr hat, dann ebenfalls geschützt ist, ist das nicht auf ewige Zeit so; denn der Schutz ist zeitlich begrenzt. Wer mit dem Verstecken der halben Wahrheit argumentieren muss, zeigt, dass ihre Argumente offenbar einfach zu wenig stichhaltig sind …

Beat Ernst 06. Dezember 2018, 11:44

Um den Schleier etwas zu lüften, möchte ich drei herausgegriffene Aussagen der Darstellung von Nicole Emmenegger zum Lichtbildschutz kurz kommentieren:

«(…)Arbeiten von professionellen Fotografen in den allermeisten Fällen selbstverständlich geschützt sind»: Anbei die Urteile, bei denen Fotografien von professionellen FotografInnen keinen Schutz erhielten: Bundesgericht Wachmann Meili 2004, Handelsgericht Aargau Hayek-Bild 2012 (ein Bild geschützt, eines nicht), Handelsgericht Kt. Bern auto driver 2015, Appellationsgericht BS PanoBild 2016. Dem gegenüber steht eigentlich nur das Urteil des BG Bob Marley 2003.

«Auch Bibliotheken, Museen oder Archiven fürchten Einschränkungen: Werden Abbildungen nun mit einem Lichtbildschutz versehen, so kann das eigentlich gemeinfreie Werk nicht mehr abgebildet werden»: Professionelle Aufnahmen in Museen und Archiven können nur per Auftrag dieser Institutionen gemacht werden (Hausrecht). Bei der Auftragsvergabe kann vertraglich die freie Nutzung der Reproduktionen mit dem Fotografen vereinbart werden. Es wäre im Sinne der Zugänglichkeit gemeinfreier Werke aber wünschenswert, wenn die Museen ihre Reproduktionen dann freiwillig in einer vernünftigen Auflösung ins Netz stellen würden, was leider längst nicht alle Institutionen so handhaben.

«Es wird keine Rechtssicherheit geschaffen, sondern es entstehen Verwirrung und Unsicherheit»: Die Rechtssicherheit ist gerade der Grund, weshalb alle Fotografien, auch sog. Knipsbilder einen Lichtbildschutz erhalten (wobei er bei privaten Knipsbildern letztlich irrelevant ist). Wenn alle Fotografien geschützt sind, weiss man, dass es für eine Nutzung eine Erlaubnis braucht. Es soll gerade keine Rolle spielen, ob das Bild ein Profifotograf gemacht hat, ein gut gelungenes Ferienfoto ist oder ein banales, aber ökonomisch wertvolles Produktebild. 

 
Beat Ernst, Fotograf SBF

Sascha Rheker 06. Dezember 2018, 13:03

Die Massen-Abmahnungen von denen ihre Autorin fabuliert, die gibt es in Deutschland nicht (jedenfalls bei Fotografen). Fotografen verfolgen einzelne Urheberrechtsverletzungen. Massenabmahnungen gibt es bei Film und Musikdownloads oder wenn Kanzleien mit fehlerhaften Website Impressen Geld machen.

 

„bestimmt aber wird keine Rechtssicherheit geschaffen, sondern es entstehen Verwirrung und Unsicherheit.“

 

„Wie sich ein solcher Lichtbildschutz konkret auswirken würde, lässt sich heute nicht mit letzter Sicherheit vorhersagen.“

Mal abgesehen davon, daß sich Ihre Autorin vielleicht besser für eine der beiden Aussagen entscheiden sollte:

Doch, wenn alle Fotos geschützt sind und man nicht einen Richter entscheiden lassen muß, ob er das Bild gelungen findet oder nicht, dann schafft man Rechtssicherheit. Und das für beide Seiten.

 

 

Allein die Darstellung ihrer Autorin, daß es darum ginge „Pressefotos“ zu schützen ist unterirdisch. Ein Schreiber mehr, der was wir tun für „Knipsbildli“ hält und sich aufschwingt unsere Fotos mit einzelnen Buchstaben eines Textes gleichzusetzen.Das ist absurd.

Stefano Schröter 06. Dezember 2018, 14:45

Urheberrechtlich geschützt werden Werke der Literatur und Kunst, wenn sie eine geistige Schöpfung sind und einen individuellen Charakter haben.

Mit dieser Umschreibung des Urheberrechts ist ja auch ein dilettantisches Mal- oder Kritzelwerk automatisch geschützt. Notabene auf der gleichen Stufe wie ein Picasso. Hier geht es also, dass etwas einfaches gleich beim Schöpfungsprozess geschützt ist und es nicht erst durch eine Beurteilung wird, ein Prozess, den sich, wenn es mal hart auf hart geht, nur die wenigsten leisten können. Der individuelle Charakter, der geistige Wert erschliesst sich oft nicht sofort, ist zudem auch Kontextabhängig und das Erkennen dieser Werte ist den gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen. Diesen Umständen ist auch eine Fotografie unterworfen, die ursprünglich nur ein Knipsbildli war.

Ein Lichtbildschutz ist somit unbedingt nötig.

Urs Gerber 06. Dezember 2018, 16:00

Zur Aussage aus Ihrem Text „dass grundsätzlich die Zusammenarbeit zwischen Medienhäusern und Profi-Fotografen gut funktioniere und die Arbeit korrekt vergütet werde“ kann ich, aus meiner Erfahrung, nicht beipflichten. Der letzte Satz welchen ich angeboten bekam, war 60 Euro pro Seite welche eines meiner  Bildern enthält (Auflage 1’200’000 Exemplare). Korrekt? Fair aber sicher nicht.

Warum nicht jedes Bild schützen? Wenn ich auf Nutzer meiner Bilder stosse, kontaktieren ich bestimmt keinen Anwalt, sondern den Nutzer. Sollte dieser unfair reagieren, ist es doch prima zu wissen, dass das Bild geschützt ist und man dann dagegen vorgehen kann?

Urs Gerber, Fotograf

Sascha Rheker 06. Dezember 2018, 17:21

„ist es doch prima zu wissen, dass das Bild geschützt ist und man dann dagegen vorgehen kann“

Es geht ja nicht nur um Geld, es geht uns Urhebern auch um die Herrschaft über das eigene Werk. Denn wenn jemand meine Fotos für Neonazi-Wahlplakate benutzt, dann will ich das gefälligst unterbinden können.

Emanuel Ammon 06. Dezember 2018, 16:33

Als Fotograf, der eigentlich nie rechtliche Probleme hatte, die unlösbar waren, fühle ich mich über den Tisch gezogen mit dem Entrechten meiner Bilder nach 50 Jahren. Das Gesetz sorgt angeblich für Ordnung, nimmt aber den echten Profis und ihren Nachkommen die Rechte. Das ganze Scannen, Aufarbeiten und Beschriften meiner Bilder seit 1969 wäre vergebens.  Ich habe diese Arbeit jedoch für meine Kinder und Enkel gemacht. Man könnte doch die Rechte der Fotografie auch unkompliziert schützen, indem man den Richtern, die das Ganze mit unsinnigen Urteilen provoziert haben, ein wenig Nachhilfe gibt in Sachen Recht an der eigenen Arbeit. Dass jedes Handybild, das abgedrückt wird, jetzt geschützt werden soll, finde ich etwas seltsam. Die Qualität hat etwas mit der Herkunft zu tun. Es geht darum die Fotografinnen und Fotografen, die von der Fotografie leben müssen zu schützen. Emanuel Ammon

Sascha Rheker 06. Dezember 2018, 17:19

„Die Qualität hat etwas mit der Herkunft zu tun.“

Was ein Quatsch! Das Urheberrecht schützt Werke nicht den Berufsstand des Urhebers.

Markus Forte 06. Dezember 2018, 17:52

Deine individuell gestalteten Bilder bleiben auch weiterhin bis 70 Jahre nach Deinem Tod für Deine Erben verwertbar.

Sascha Rheker 06. Dezember 2018, 17:49

Es wäre über die Maßen spannend, wenn Ihre Autorin ausführen würde, wie sie (oder irgendwer sonst) heute in der Schweiz geschützte Lichtbildwerke von „Knipsbildi“ unterscheidet.

Das kann ja im Grunde genommen nur ein Gericht im jeweiligen Einzelfall entscheiden. Wo so mehr Rechtssicherheit für den Bildnutzer herrschen bzw. die derzeitige Rechtslage für ihn weniger verwirrend sein soll, wenn er „raten“ muß, wie ein Gericht ein Bild einschätzt, das erschließt sich mir nicht.

emanuel ammon 07. Dezember 2018, 15:56

Wir müssen uns nicht so ernst nehmen und glauben, dass wir die Sache mit unseren Meinung irgendwie beeinflussen können, das geschieht alles durch Leute, die das hier nicht lesen. Keiner  von uns kann mit Sicherheit sagen, welcher Entscheid besser ist. Das wird sich erst zeigen, der bestehende Zustand ist schlecht, bitte lest mal richtig durch, was da kommen soll, es wird sicher nicht besser, nur anders. Fast hoffe ich, dieser Papiertiger wird doch angenommen, damit ihr euren Entscheid in der Praxis überprüfen könnt.

 

Markus Forte 07. Dezember 2018, 16:53

Was diesem ‚Papiertiger‘ richtig schöne Zähne gegeben hätte, wäre der Zusatz, dass Lichtbilder nicht nur geschützt sind, sondern auch angemessen vergütet gehören; analog dem deutschen Urheberrechtsgesetz.

Sascha Rheker 08. Dezember 2018, 12:05

Da ist das deutsche Urheberrecht auch eher mau und der Blick nach Polen oder in die USA machen neidisch. Denn da gibt es den Strafschadenersatz.

Denn die in Deutschland genutzte Lizenzanalogie hat den massiven Mangel, daß der Bilderdieb das zahlt was der normale Kunde auch zahlen würde (plus Rechtsverfolgungskosten). So gesehen ist das fast eine Einladung an den BWLer, sich mal durchzurechnen, ob es nicht günstiger ist drauf zu setzen, daß man nur in wenigen Fällen erwischt wird und wenn man erwischt wird, dann kann man tatsächlich vor Gericht noch feilschen und bekommt es auch mal billiger als der normale Kunde.

Würde eine ähnliche Rechtslage (eine strafrechtliche Verurteilung wegen der unberechtigten Nutzung von Fotos findet de facto nicht statt, das ist eher was für File-Sharer) auch beim Diebstahl beweglicher Sachen gelten. Niemand würde im Laden mehr bezahlen, weil es sich einfach lohnt und das Risiko „im Falle der einer Entdeckung halt normal zu zahlen“ keines ist.

emanuel ammon 08. Dezember 2018, 14:46

einverstanden.

Markus Forte 07. Dezember 2018, 16:39

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die im Beitrag von Nicole Emmenegger vorhandene fachliche Schludrigkeit auf Unwissen zurückzuführen ist. Deshalb frage ich mich schon, was diese als Meinungsbeitrag getarnte Polemik hier zu suchen hat.
Folgend einige sachliche Erwiderungen.

„Urheberrechtlich geschützt werden Werke der Literatur und Kunst, wenn sie eine geistige Schöpfung sind und einen individuellen Charakter haben. Das tönt kompliziert und ist es manchmal auch.“

Nein, das ist nicht kompliziert. Bilder werden im Normalfall mit einer bestimmten Absicht und mit einem der Sachkenntnis entsprechenden Gestaltung- und Ausdruckswillen fotografiert. Wo bleibt denn die Rechtssicherheit für Fotografen, wenn im Streitfall als letzte Instanz ein Richter über Qualität und Schöpfungshöhe entscheiden muss?
Wie es um die fachliche Kenntnisse von Richtern bestellt ist, lässt sich zum Beispiel im Urteil (http://fotografie-urheberrecht.com/HAYEK_Urteil_2012.pdf) zu einem als nicht  schützenswerten Foto von Hayek herauslesen: „Würde diesem Bild Werkcharakter zugestanden, müsste jedes gelungene Familienfoto unter den Werkbegriff fallen.“ Ja aber: Wenn das Familienfoto gelungen ist, sollte es doch auch geschützt sein, oder nicht? Und: Ab welchem Grad ‚gelungen‘ gelten dann Familien- oder Hochzeitsbilder als eigenständige Werke ?

Soll das im Ernst ein Richter entscheiden dürfen?

„Fraglich ist auch, wie der Lichtbildschutz in die moderne, digitale Welt passt. Man denke etwa an Social-Media-Plattformen, wo auch die Kommunikation einer Institution mit deren Besuchern betroffen wäre. Natürlich wäre weiter möglich, private Bilder auf Instagram & Co. hochzuladen oder zu teilen, sofern sie selber fotografiert wurden. Anders aber bei nicht selber geschossenen Fotos. Hier wäre ohne rechtliche Abklärungen künftig kein Posting mehr möglich.“

Der Lichtbildschutz passt sehr gut in die moderne Welt. Es gibt nämlich kein Menschenrecht auf unbefugte und unentgeltliche Nutzungen von Bildinhalten Dritter. Egal, ob das ein Handybild oder eine professionelle Aufnahme eines Fotografen ist. Bereits heute müssen Rechte von Bildern, die online  veröffentlichet werden, sauber abgeklärt und entgolten sein. Dabei ist es ziemlich egal, ob der Kanal Facebook, Instagram oder meineprivatewebseite.ch heisst.

„Natürlich würde auch der Aufwand für Ausstellungskataloge zunehmen, wenn nebst den Werken auch noch der Lichtbildschutz der Fotos abgeklärt werden müsste. Das wäre sehr bedauerlich, zumal gerade bei der aktuellen Gesetzesrevision Vieles dafür getan wurde, die Zugänglichkeit zu Werken und den Zugriff auf Informationen zu erleichtern.“

Das geht in die gleiche Richtung wie die Sache mit Instagram: Sollten sich Bibliotheken, Museen oder Archiven bisher nicht darum gekümmert haben, wie es um die Rechte, der von ihnen genutzten Bilder, und um deren Abgeltung steht, ist das entweder Dilettantismus oder bewusstes Sparen auf Kosten der Bildbereitsteller.

„Offen ist, welche Folgen das private Speichern von Fotos hätte. Müsste für das Ablegen der Fotos auf dem Smartphone künftig eine Tarifvergütung bezahlt werden wie dies bei Liedern, Filmen, Hörbüchern der Fall ist? Dies wäre bei der Unmenge an Fotos durchaus relevant, kann aber unmöglich beabsichtigt sein.“

Diese Frage ist nicht offen. Schlicht deshalb nicht, weil sie nicht Gegenstand der bevorstehenden Gesetzesänderung ist.

„Wie sich ein solcher Lichtbildschutz konkret auswirken würde, lässt sich heute nicht mit letzter Sicherheit vorhersagen. Würden Massen-Abmahnungen versendet wie in Deutschland? Gäbe es zahlreiche Gerichtsverfahren? Möglich, bestimmt aber wird keine Rechtssicherheit geschaffen, sondern es entstehen Verwirrung und Unsicherheit.“

Die unlizenzierte Verwendung von Bildmaterial ist kein Bagatelldelikt, sondern eine Straftat, auch in der Schweiz. Bereits jetzt.
Es gibt wie weiter oben schon erwähnt kein Recht auf freie Bildnutzungen. Von der ach so perfiden „Abmahnindustrie“ (was für ein selten dummer Begriff) schwatzen nur Leute, die nicht verstehen wollen, dass kreative Arbeit vergütet gehört. Ich kann dem Bauern auf dem Feld auch nicht einfach die Kürbisse oder Salatköpfe ernten, „weil die da bloss so rumliegen.“ Das ist ebenfalls Diebstahl.
Man kann unmöglich mit gutem Gewissen den Umstand als ‚Verwirrung und Unsicherheit‘ bezeichnen, dass Urheber (nicht nur Pressefotografen, sondern alle Bildproduzenten) in ihrem Arbeitsalltag effektiv mehr Sicherheit bekommen.

Totale Verwirrung und Unsicherheit? Im Gegenteil: Totaler Respekt vor den Bildern anderer. Egal, ob es das Bild eines professionellen Fotografen oder eines begeisterten Amateurs betrifft.

Dalia Fichmann 07. Dezember 2018, 19:32

Der Verfasserin dieses Artikels ist wohl entgangen, dass in unseren Nachbarländern der Lichtbildschutz schon lange besteht. Es ist daher doch sehr gut abzuschätzen, welche Auswirkungen dieser hätte.

Negative auf jeden Fall keine, ausser für diejemigen, die meinen Bilder einfach nutzen zu können.

Gerade in der heutigen Zeit, wo selbst grosse Verlagshäuser der Meinung sind, sie können Fotos nutzen wie sie wollen, ist ein Lichtbildschutz unumgänglich!

Es kann nicht Sache eines Richters sein, zu entscheiden, welche Fotos schützenswert sind und welche nicht.

Deshalb auf jeden Fall ein klares „JA“ für den Lichtbildschutz.

Alexander Dietz 07. Dezember 2018, 22:40

Bei Fotos mit fehlender “Individualität der geistigen Schöpfung”, ist eine Bezahlung für eine Bildverwendung nach heutigem Gesetz, freiwillig. Die Folgen daraus sind:
– ein belegbarer, strafloser Bilderklau im Netz u.a. auch für kommerzielle Produkte.
– eine Zunahme von ausbeuterischen Verträgen durch Verlage mit dem einhergehenden . . .
– . . . Verlust des Zusatznutzens, auf den freie Fotografen beim herrschenden  Preiszerfall im Bildermarkt dringend angewiesen sind.
– systematisch falsche, nicht zuordenbare oder fehlende Quellenangaben unter Fotos.
– das Abgelten von Bildverwendungen erst nach stundenlanger, eigener Recherche im Netz und dem Melden der gefundenen Bilder.
u.s.w.

Dass banale Sujets, wohlverstanden Sujets, ohne individuelle Gestaltung nicht geschützt sind, ist verständlich und zu begrüssen. Wer aber für so ein „banales Sujet“ Verwendung findet, der sollte für den finanziellen und zeitlichen Aufwand der in so einem Foto steckt, unabhängig des “Fundortes”, bezahlen oder sich die Mühe nehmen, die Bilder selber machen zu gehen. Der aktuelle Zustand ist ein gerichtlich abgesegneter Diebstahl, amtlich bewilligte chinesische Zustände in der Schweiz! Wo gibt`s das noch in der Wirtschaftswelt? Tonfolgen sind geschützt, für jedes Musikstück muss bezahlt werden. Zwangsabgaben, die auch wir Fotografen auf leere Speicherkarten und Datenträger an Pro Litteris und Suisa für das Kopieren und Speichern eigener Bild-Daten bezahlen müssen. Die grössten Profiteure dieser Abgaben? Musik- und Medien-Verlage.
Dass ein guter Lichtbildschutz letztlich überhaupt nicht im Interesse von Verlegern und Verlagen ist, zeigen nur schon die unverschämten Verträge, die freien Fotografen und Journalisten durch sie aufgezwungen werden. Erst wurden zur Gewinnoptimierung Stellen abgebaut oder ausgelagert. Ist intern das Sparpotential ausgeschöpft, wird den Freien Mitarbeitern der Tarif durchgegeben, wie die neuen “Rahmenverträge für die freiberuflichen Fotografen” von Ringier und Ringier Axel Springer zeigen. Das Ziel, Fotografen faktisch enteignen um auf günstige Art und Weise an Fotos für eigene Bilddatenbanken kommen, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den “Mitbewerbern” zu erzielen. Die wiederum ziehen nach . . . . . . Eine Abwärtsspirale, die zu stoppen von den Verlegern keiner bereit ist. Wieso auch, sind sie ja die Hauptprofiteure des Preiszerfalls. Freiwillig unterschreibt kein Fotograf solche Verträge. Die freien Fotografen werden zur Selbstausbeutung gezwungen oder geben den Beruf auf. Mit solchen Verträgen lässt sich kein halbwegs zeitgemässer Lohn erwirtschaften, geschweige eine angemessene Altersvorsorge aufbauen. Dass sich die Verleger an den Machenschaften von Google stören und ein Leistungsschutzrecht fordern, sich jedoch selber wie Google aufführen und dieses den Freien Journalisten/Fotografen verweigern, enbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Bilderklau ist wie schwarzfahren mit dem ÖV. Ein zeitgemässer Lichtbildschutz ist ein längst überfälliger Schritt.

Franz 08. Dezember 2018, 09:30

Wer sich fragt, woher die vielen Kommentare plötzlich kommen: Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Bild-Agenturen und -Archive (SAB) hat zu diesen Kommentaren aufgerufen. Die SAB gibt unter anderem eine Preisliste für Bildrechte heraus. Die Preise sind fiktiv, werden aber gerne für Abmahnungen missbraucht.

Sascha Rheker 08. Dezember 2018, 11:56

Mich hat niemand zu irgendwas ausgerufen und es ist ziemlich niederträchtig, die Reaktionen von Fotografen hier als eine Art konzertierten Shitstorm darstellen zu wollen.

Und zu den angeblich „fiktiven“ Preisen:

In Deutschland haben wir die MFM Liste, deren Preise sind am Markt ermittelt, einem Markt den Bilderdiebe in der Regel nicht kennen und dessen Preise, deren Höhe und Linzenzmodell sie nicht verstehen.

Unsere ehrlichen Kunden zahlen diese Preise tatsächlich, weil sie wissen, daß diese Preise durchaus real und realistisch sind. (In Urhberrechtsprozessen kann und muß ich das in D übrigens mittlerweile gerichtsfest nachweisen).

Dass jemand der ein Bild geklaut hat, keinen Bock hat das jetzt anständig zu bezahlen, kann ich durchaus nachvollziehen, aber es kann ja auch nicht angehen, daß der normale Kunde mehr bezahlt als der Bilderdieb, oder?

Menschen die meinen, daß sie unsere Arbeit umsonst nutzen können sind keine wirklich konstruktiven Verhandlungspartner, wenn es darum geht, im Nachhinein einen Preis festzusetzen.

Denn in der Regel meint der Bilderdieb seine Vorstellung des Wertes eines Fotos sei maßgeblich und zum normalen Preis hätte er es eben nicht benutzt. Darüber hinaus gehen Bilderdiebe in der Regel davon aus, daß der Fotograf jeden Preis akzeptiert hätte und nicht etwa eine Nutzung untersagt und auf das Geschäft verzichtet hätte.

Das ist eine ziemlich irre Vorstellung, was jedem klar wird, wenn man das mal auf einen Porsche überträgt. Die Analogie funktioniert aber auch, wenn man Zechprellerei benutzt.

Einen Porsche klauen und die eigenen Vorstellung vom Wert eines Autos (Dacia) zum Maßstab machen zu wollen?

Einen Porsche klauen und dann den Kaufpreis eines Dacias anbieten und behaupten, der Porschehändler hätte den Deal sicher gemacht, weil er sich das Geschäft nicht entgehen lassen wollen würde…

Einen Porsche klauen und die einzige Folge, die es hat, erwischt zu werden ist, daß man einen Bruchteil des normalen Preises zahlen muß?

Jürg Sommerhalder 08. Dezember 2018, 12:14

Weshalb sollte man sich das fragen und weshalb sollte es in irgendeiner Weise verwerflich oder auch nur erwähnenswert sein, wenn Betroffene, die von ihren Fotos zu leben versuchen und ständig bestohlen werden, sich wehren?

Die Realität zeigt, dass selbst allergrösste Schweizer Medienhäuser ohne zu zucken Bilder stehlen und ungefragt publizieren, ohne zu bezhalen und ohne auch nur den Autor zu benennen,

Ach ja: Die Praxis der Abmahnungen ist eine bundesdeutsches Praxis, hier gehts aber um eine SCHWEIZER Gesetzgebung.

Markus Forte 08. Dezember 2018, 16:35

Eine konstruktive Beteiligung an der Diskussion sieht anders aus als ein trolliger Kommentar versteckt hinter einem Pseudonym.

Jürg Sommerhalder 08. Dezember 2018, 12:07

Geistiges Eigentum gehört bedingungslos gschützt, unabhängig vom Dünkel der Profis oder der potentiell fehlenden Sachkompetenez und dem mangelhaften Kunstverständis eines Richters. Der Schutz des geistigen Eigentums muss unbedingt höher gewertet werden, als die subjektive Einschätzung, ob ein Bild dem Werks-Anspruch de jeweiligen Betrachters genügt. Der künstlerische Anspruch jedes schöpferischen Werks kann angezweifelt werden, egal wie gross der Name des Autors auch sein mag.

Marius Schären 11. Dezember 2018, 10:18

Der ganze Text von Frau Emmenegger ist ja geradezu ein grosses Argument FÜR den Lichtbildschutz. Bewahre uns, dass juristische Fachpersonen darüber entscheiden, welches Bild jetzt «banal» ist und welches nicht. Das ist schon zu oft ziemlich schiefgelaufen.

Wann genau weist ein Foto eines Turnschuhs Individualität aus und wann nicht? Warum sollten Fragen, über die sich selbst Fotografie- und Kunstsachverständige extrem uneins sein können, von einzelnen Richterinnen und Richtern wegweisend für andere beantwortet werden können?

Und von wegen angeblich guter «Zusammenarbeit zwischen Medienhäusern und Profi-Fotografen» nur ein soeben erlebtes Beispiel: Ein Journi eines der grössten Medienhäuser wollte eine Kollegin interviewen (für Online und Print). Er fragte sie, ob sie ein Foto von sich gratis zur Verfügung stellen könne. Sie konnte nicht. Er sagte dann, er wisse nicht, ob das Interview so noch Sinn mache.