von Nick Lüthi

Presseförderung und Leistungsschutzrecht: am Ende halt doch der Staat

Es sind ungewohnte Signale: Der Verlegerverband setzt auf staatliche Unterstützung gegen das wegbrechende Geschäft mit der Werbung.

Der sprichwörtliche Strohhalm, an dem sich verzweifelt hält, wer eigentlich keine Chance mehr hat, sieht eigentlich ganz stabil aus. Der Strohhalm, an den sich die Zeitungsverleger halten, besteht aus einem ganzen Bündel immer wieder neuer Studien, welche die Attraktivität von Zeitungsinseraten belegen sollen. Erst kürzlich konnte man die x-te Variation einer beliebten «Erkenntnis» lesen: Wer gedruckte Medien liest, erinnert sich besser an Werbung. Das wären eigentlich gute Nachrichten – wenn sie denn die Werbekunden dazu veranlassen würden, wieder vermehrt Print-Inserate zu schalten.

Trotz jahrelanger Kampagnen der Schweizer Verleger für das gedruckte Inserat sieht es aber nicht danach aus, als ob die Botschaft auch nur ansatzweise bei den Adressaten angekommen wäre. Andreas Häuptli, Geschäftsführer des Verbands Schweizer Medien, gesteht denn auch ein, es sei «in der Tat nicht einfach, die qualitativen Argumente für Print wirkungsvoll zu platzieren.»

Heute zeigt nur schon ein flüchtiger Blick in die Zeitung das dramatische Ausmass des Medienwandels. Inserate gibt es kaum mehr. Wer zum Beispiel die Tamedia-Zeitung «Der Bund» aufschlägt, findet bestenfalls vier bis fünf Seiten bezahlter Inserate, Todesanzeigen mitgerechnet. Ganzseitige Reklame schalten nur noch die Grossverteiler Migros und Coop. Andere Kunden beschränken sich auf schmale Streifen. Und immer wieder wirbt die Zeitung für sich selbst: «Hier könnte Ihr Inserat stehen.»

So geht das nun schon seit zehn Jahren. 2009 war eines der grössten Krisenjahre in der modernen Zeitungsgeschichte. Die Netto-Werbeumsätze für Print-Werbung sackten damals in der Schweiz innert Jahresfrist um eine halbe Milliarde Franken ab: von vormals zweieinhalb auf nur noch zwei Milliarden. So kam es 2009 vor, um beim oben gewählten Beispiel zu bleiben, dass eine Ausgabe des «Bund» komplett ohne Anzeigen auskommen musste. In den folgenden zehn Jahren halbierten sich die Erlöse. Heute fliesst pro Jahr noch eine Milliarde Franken in redaktionelle Druck-Erzeugnisse, Tendenz weiter sinkend.

Alle Print-Medien, die bisher von einer Mischrechnung aus Werbeeinnahmen und Aboerträgen lebten, stehen im fatalen Dilemma: Sie haben zu wenig zum Leben, aber immer noch zu viel zum Sterben.

Inzwischen gibt es auch in vermeintlich krisenresistenteren Gattungen dramatische Einbrüche. Jüngstes Beispiel: Das Frauenmagazin «Annabelle» entlässt mit 14 Mitarbeiterinnen rund einen Viertel seines Personals. «Wirtschaftlich notwendig» sei die einschneidende Massnahme, schreibt der Tamedia-Verlag. Besserung ist keine in Sicht. Im Gegenteil. Es geht steiler abwärts als zuvor. Seit 2013 halbierte sich die Werbung in Frauen- und People-Zeitschriften, hat das Forschungsinstitut Mediafocus gemessen. Der Einbruch 2018 war dabei der grösste.

Alle Print-Medien, die bisher von einer Mischrechnung aus Werbeeinnahmen und Aboerträgen lebten, stehen im fatalen Dilemma: Sie haben zu wenig zum Leben, aber immer noch zu viel zum Sterben. In der Schweiz trifft das vor allem auf die überregionalen Tageszeitungen von Tamedia und CH Media zu.

Was tun? Die Verlage reagieren auf die ungemütliche Situation seit jeher mit dem bewährten Mix aus Personal- und Leistungsabbau, Fusionen und Zeitungsschliessungen. Die Hoffnung auf Besserung haben sie noch nicht ganz aufgegeben. Richten sollen es aber die anderen: Werbekunden, Politik und Steuerzahler stehen im Visier der Lobbybemühungen.

«Werbung in vertrauenswürdigen Umfeldern gewinnt aber eher wieder an Bedeutung.»
Andereas Häuptli, Verband Schweizer Medien

So preist der Verlegerverband seit Jahren die gedruckten Medien als optimales Umfeld für Werbung an. Mit Zahlen, Statistiken und Studien, veröffentlicht in aufwändig gestalteten Broschüren, betreibt der Verband Werbung für die Wirksamkeit von Print-Anzeigen. Bisher wirkungslos. Gegen die Konkurrenz im Netz ist nicht anzukommen. Noch nicht? «Zur Zeit haben digitale Medien noch immer den vermeintlichen Vorteil der Messbarkeit», stellt Andreas Häuptli vom Verlegerverband fest, nicht ohne noch auf einen Hoffnungsschimmer hinzuweisen: «Werbung in vertrauenswürdigen Umfeldern gewinnt aber eher wieder an Bedeutung.»

Umso ärgerlicher erscheint es da, wenn sich grosse Werbekunden genau anders verhalten und nicht zur Zeitung zurückkehren wollen, sondern sich ganz abwenden. Wenn eine solches Unternehmen dazu noch Swisscom heisst, ist der Ärger noch grösser. So gross, dass sich der Verlegerverband darüber öffentlich Luft machte und an das staatspolitische Gewissen des abtrünnigen Kunden appelliert. Es liege in der Verantwortung der Werbetreibenden, die Medienvielfalt sicherzustellen. Wenn sich Swisscom weitgehend aus der Printwerbung zurückziehe, handle der Konzern gegen die eigenen Interessen. Schliesslich würden ja zahlreiche Studien zeigen, dass in Zeitungsinserate investiertes Geld nachhaltig investiertes Geld sei. Dass das ein Konzern, der vornehmlich im digitalen Mediengeschäft tätig ist, etwas anders sieht, liegt auf der Hand.

Wenn weder jahrelanges Gattungsmarketing noch ultimative Appelle etwas zu bewegen vermögen, ist guter Rat teuer. Billig wirkt dagegen der Ruf nach Staatshilfe, wie er nun von Verlegerseite erschallt. Eine Aufstockung der indirekten Presseförderung auf jährlich 100 Millionen Franken, um die verbleibenden Zeitungsexemplare billiger vertreiben zu können, soll das Leiden lindern.

Beschlossen ist noch gar nichts. Bis die millionenteure Taxvergünstigung gewährt wird, kann es noch lange dauern; vielleicht so lange, bis sich das Problem von selbst gelöst hat. Nur: Im Digitalgeschäft, wohin sich die Werbung und die Verlage verstärkt bewegen, sieht es nicht besser aus. Hier gehen die Verleger, ohne den Umweg via Kampagnen und Appelle, direkt auf den Staat zu und fordern ein spezielles Schutzrecht für die Nutzung ihrer Artikel im Netz. Ein Sonderrecht, das in Deutschland zum Rohrkrepierer verkam – und nun auf europäischer Ebene vor einem Revival steht. Mehr Regulierung, mehr Leerlauf, mehr Bürokratie als mit dem Leistungsschutzrecht geht kaum.

Die neue Staatsnähe der Verleger hat auch eine gute Seite: In der medienpolitischen Debatte können sie nun nicht mehr reflexhaft jegliche staatliche Regulierung, etwa zur direkten Presseförderung, zurückweisen, wenn sie glaubwürdig bleiben wollen.

Leserbeiträge

/sms ;-) 07. Februar 2019, 15:18

waren es nicht #120millionen?
oder sind das schon wieder zusätzliche #100millionen?
und im januar 2018 wollte der oberfroschauer #PietroSupino #ZwingliFilm ja noch #100millionen für #medienkompetenz und forschung für „professionellen informationsjournalismus“: https://youtu.be/Xjpm1422X_k

könnt ihr mal eine aufstellung von allen #100millionen forderungen machen?
https://youtu.be/JYK9NAp1YVs

danke

und gibt es eigentlich schon eine sammelbewegung von projekten seit 1999, welche schadenersatzforderungen an den @verlegerverband richten können für entgangene geschäfte?

schwache bindungen statt starke medien (odr?)

/sms 😉
wikidienstag.ch #wikiD ist das nächste ((( rebell.tv )))

Markus 10. Februar 2019, 00:00

Sind Inserate in den letzten Jahren eigentlich billiger geworden? Ich habe früher auch gelegentlich Inserate geschaltet, doch ist die Einstiegshürde schon sehr hoch. Für die einigen hundert Franken, welche ich für ein immer noch recht kleines Inserat bezahlt hatte, bekam ich im Nischenbereich zahlreiche hochwirksame Google Adwords Klicks.

Mit interessanten Preismodellen hätten Inserate durchaus gute Chancen. Doch offenbar will man lieber die Taube auf dem Dach.

Alex Schneider 13. Februar 2019, 09:39

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