Befreiungsschlag: SRG ohne Werbung
Der SRG bricht die TV-Werbung dramatisch und unwiderruflich weg. Das ist eine gute Nachricht. Denn ein moderner Service public, der sich von der privaten Konkurrenz abgrenzt, ist werbefrei. Über ein Werbeverbot entscheidet die Politik. Dort ist das Thema angekommen.
Als hätte die SRG nicht schon genug der Sparsorgen, folgen in letzter Zeit regelmässig Hiobsbotschaften, die das Sparen nicht einfacher machen: Die TV-Werbung erodiert in einem Mass, mit dem selbst die SRG-Führung nicht gerechnet hatte. «Im laufenden Jahr dürften unsere Werbeeinnahmen fünf bis zehn Prozent tiefer ausfallen als budgetiert. Das entspricht einem potenziellen Minus von 20 Millionen Franken», sagte Generaldirektor Gilles Marchand unlängst dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz». SRF-Direktorin Nathalie Wappler nannte die Entwicklung wenig später «dramatischer als angenommen».
Darum überrascht es nicht, wenn jetzt eine werbefreie SRG wieder zum Thema wird. Der SP-Nationalrat und ehemalige Fernsehmann Matthias Aebischer sprach sich jüngst öffentlich für ein Werbeverbot aus. Die Grünen forderten im vergangenen Jahr einen ersten «Schritt zur Reduktion der Werbung bei der SRG».
Online-Werbung ist der SRG verboten und zusätzliches Geld aus der Medienabgabe derzeit politisch nicht opportun.
Allein von 2014 bis 2018 ging der kommerzielle Ertrag der SRG um mehr als 80 Millionen Franken zurück von 370 auf 290 Millionen. Der Einbruch wirkt sich deshalb umso dramatischer aus, weil die SRG selbst optimistischer kalkuliert und einen geringeren Rückgang budgetiert hatte.
Eine Kompensation der Mindereinnahmen ist vorerst nicht in Sicht: Online-Werbung ist der SRG verboten und zusätzliches Geld aus der Medienabgabe derzeit politisch nicht opportun, zumal das Signal auf Senkung der Abgabe steht. Damit bleibt der SRG vorerst nur, den Rotstift anzusetzen und gleichzeitig die hohle Hand möglichst weit aufzuhalten für die verbleibenden Werbefranken, die noch ins Fernsehen fliessen.
An dieser Entwicklung wird sich nichts mehr ändern. Was der Presse widerfahren ist, blüht nun auch dem Fernsehen. Die Werbebudgets werden umgelagert. Das Geld fliesst heute datengetrieben auf Online-Plattformen, die eine zielgruppengenaue und personalisierte Ansprache der Kunden anbieten. Heimische Medien können im Werbegeschäft nur mithalten, wenn sie ihre Nutzerschaft auch vermessen und verfolgen und sich zu grösseren Verbünden zusammenschliessen. Auf beides bereitet sich die SRG vor. Sie darf nur nicht loslegen. Doch es gibt noch einen Funken Hoffnung.
Die SRG müsse «im Interesse der Gebührenzahlenden auch im Internet kommerziell tätig sein», hielt der Bundesrat 2012 fest.
Der Bundesrat hat 2010 im Grundsatz entschieden (und zwei Jahre später den Entscheid bekräftigt), dass die SRG künftig auch Online-Werbung verkaufen darf. Die SRG müsse «im Interesse der Gebührenzahlenden auch im Internet kommerziell tätig sein», hielt der Bundesrat 2012 fest. Wann die SRG den Schritt in den Netzkommerz machen darf, liess die Regierung aber offen. Vor sieben, respektive neun Jahren, sah die Regierung «noch keine Notwendigkeit», das orange Signal auf grün zu schalten. Dass dies demnächst geschehen wird, ist noch immer unwahrscheinlich – obwohl jetzt eigentlich der Zeitpunkt dafür gekommen wäre. Zum einen steht das Thema nicht zuoberst auf der medienpolitischen Agenda. Zum anderen wäre mit erneutem Widerstand der Verleger zu rechnen.
Bei der Fernsehwerbung soll es gemäss Bundesrat beim Status Quo bleiben. Angesichts der angespannten Finanzlage könnte eine Einschränkung der TV-Werbung «die Situation der SRG verschärfen und letztlich zu einem Leistungsabbau führen», hielt die Regierung im April 2018 in ihrer Stellungnahme zu einer Motion der Grünen im Nationalrat fest. Ausserdem würde eine werbefreie SRG den TV-Markt insgesamt schwächen. Profiteure wären nicht etwa die heimische Branche, sondern internationale Anbieter wie Facebook oder Google.
Aus all diesen Gründen hielt es der Bundesrat bisher nicht für angezeigt, der SRG die Werbung zu reduzieren. In der Zwischenzeit hat das Departement eine neue Vorsteherin und Simonetta Sommaruga verantwortet das Mediendossier. In den nächsten Wochen will die Uvek-Chefin ihre Vorschläge für eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen präsentieren. Ob Sommaruga dabei auch die Werbeordnung im Auge hat, ist nicht bekannt. Sinnvoll wäre es allemal.
Klar ist: Eine werbefreie SRG könnte ihr Profil schärfen.
Mit Blick auf eine zeitgemässe Weiterentwicklung der Medienordnung und auf die Rolle der SRG stellt sich drängender als auch schon die Frage, ob sich Werbefinanzierung überhaupt noch mit einem modernen Service public verträgt. Klar ist: Eine werbefreie SRG könnte ihr Profil schärfen. Mit dem Verzicht auf Unterbrecherwerbung in den abendlichen Spielfilmen hat das Unternehmen bereits einen Schritt in die Richtung getan; das Publikum weiss das zu schätzen.
Bereits heute schätzen die Zusehenden die Online-Angebote der SRG ohne Pre-Roll- oder Unterbrecherwerbung in den Videobeiträgen. Damit unterscheidet sich der Service-public-Anbieter von der Konkurrenz – und steht ihr beim Online-Geschäft nicht im Weg: Der Markt gehört den Privaten, die SRG finanziert sich über die Medienabgabe. Die Formel könnte künftig für das gesamte Angebot der SRG gelten. Eine exklusive Finanzierung via Medienabgabe würde jeder Versuchung entgegenwirken, Kommerz- statt Publikumsbedürfnisse zu befriedigen. Das Schweizer Fernsehen müsste sich mit seinen Programmen nicht mehr bei Sponsoring- und Werbekunden anbiedern, wie das heute immer wieder geschieht.
Mit dem Verzicht auf die Vermarktung könnte die SRG auch die dafür erforderliche Infrastruktur abbauen. Unter die leidige Geschichte um die Vermarktungsfirma Admeira würde ein Schlussstrich gezogen. Und auch aus der Login-Allianz mit den Verlegern könnte die SRG aussteigen, da das Projekt im Kern auch kommerziell getrieben ist.
Im Zuge des nun wieder anlaufenden Gesetzgebungsprozesses wird auch zu definieren sein, mit welchen Inhalten und in welchem Umfang die SRG auftreten darf.
Auf dem Weg in die Werbefreiheit steht aber eine hohe Hürde: Wie kompensiert die SRG den Ertragsausfall von immer noch gut zweihundert Millionen Franken, wenn sie schon bald, und nicht erst nach dem bitteren Ende, aus der Werbung aussteigen würde? Sparen, lautet die naheliegendste Antwort. Für die SRG geht das gar nicht. Denn mit weniger als 1,5 Milliarden Franken pro Jahr lasse sich der öffentliche Auftrag nicht erfüllen, sagte Direktor Marchand mehrfach. Nur: Was dieser Auftrag alles umfasst, kann auch neu ausgehandelt und den Finanzen angepasst werden. Im Zuge des nun wieder anlaufenden Gesetzgebungsprozesses wird auch zu definieren sein, mit welchen Inhalten und in welchem Umfang die SRG auftreten darf.
Der bequemere Weg wäre es natürlich, wenn sich der Werbeausfall über eine erhöhte Medienabgabe kompensieren liesse. Allerdings hat Bundesrätin Doris Leuthard klar gesagt, dass der Betrag für die Haushalte wenn schon sinkt. Die neue Abgabe setzte Leuthard ohne Not auf unverständlich tiefe 365 Franken fest, obwohl zuvor immer von 400 Franken die Rede war. Das ist Geld, das der SRG nun fehlt.
Am Ende bleibt es ein Entscheid der Politik, ob sie einen Systemwechsel vollziehen will hin zu einer rein abgabefinanzierten SRG. Da es nur eine Frage der Zeit ist, bis die SRG sowieso werbefrei sein wird, kann die Politik gar nicht anders, als sich besser früher als später mit der Frage zu befassen.
Alex Schneider 27. August 2019, 08:38
SRG ohne Werbung. Dann braucht es keine staatliche Medienförderung mehr, und die SRG könnte sich auf ihren Kernauftrag konzentrieren.
Michael Ziesmann 31. August 2019, 23:21
„…unverständlich tiefe 365 Franken“. Nunja: die Schweiz hat schon die mit Abstand höchsten Rundfunkgebühren Europas. Viel höher auch, als andere mehrsprachige kleinere Länder wie Belgien. Insofern wäre eine klare Werbebeschränkung wie bei ARD/ZDF (werbefrei nach 20 Uhr und nur 20 Minuten pro Tag) der richtige Schritt. Werbeverbote und Erhöhung von Steuern/Abgaben sind nie eine Lösung.