Von den Kaninchenzüchtern im Freiamt zu Arnold Schwarzenegger in Hollywood
Die Filmreporterin Marlène von Arx (53) berichtet als freischaffende Journalistin aus Hollywood über die glamouröse Welt des Kinos. Angefangen hatte sie im Freiamt als Lokaljournalistin. Als sie in die USA zog, wollte sie eigentlich bald wieder zurückkehren. Das ist nun fast 30 Jahre her und sie ist bis heute in Los Angeles geblieben.
Als die junge Marlène von Arx für das Freiämter Tagblatt schrieb, gehörten die Schreibmaschine und der analoge Fotoapparat zur Standardausrüstung einer Journalistin. «Das war eine super Schule und im Rückblick echt lustig», erzählt von Arx. «Ich ging am Wochenende an eine Kaninchenzüchter-Veranstaltung, schrieb etwas darüber und warf den getippten Entwurf in den Briefkasten der Redaktion, zusammen mit einer Schwarz-Weiss-Filmrolle.» Heute arbeitet von Arx als Kulturreporterin, lebt und arbeitet in Hollywood und interviewt die Schwergewichte der Szene – von George Clooney bis Lady Gaga.
Wie kommt man von Kaninchenzüchtern nach Los Angeles? «Der Weg war eigentlich gar nicht so lang», sagt von Arx. Als Teenager las die Reporterin die Zeitschrift Bravo und fand dort ihr journalistisches Vorbild: Die Filmredaktorin Frances Schönberger, die bereits in den 1970er-Jahren aus Hollywood berichtete. «Ich habe mir gedacht, dass ich auch in Hollywood leben und schreiben will, wenn ich mal 45 bin.» Sie ging 20 Jahre früher hin.
«Das war eine Zeit ohne Computer, ohne Google. Ich hatte einen Word Processor zuhause, einen Fax, um meine Artikel in die Schweiz zu schicken.»
Die Liebe zum Film entdeckte von Arx noch während der Kanti: Damals fuhr sie mit dem Zug vom Freiamt nach Aarau ins Kino. Es war «Kramer vs. Kramer» mit Dustin Hoffman, der von Arx den Film als Kunstform näher brachte: «Dieser Film hat mich derart berührt, dass ich wusste: Darüber will ich schreiben».
Nach der Matura fing sie an, bei der Fernsehzeitschrift TR7 zu schreiben. Nach vier Monaten Sprachaufenthalt in Paris wollte sie eigentlich noch weiter bis nach Amerika, vielleicht noch Italien. Es sollte anders kommen: «Mein Chef bot mir dann an, mich nach Los Angeles zu schicken mit einem redaktionellen Fixum, damit ich die Miete bezahlen kann.» 1991, einen Tag vor Ausbruch des Zweiten Golfkriegs, reiste von Arx in die USA.
Die 90er-Jahre, die goldenen Zeiten für freie Journalist*innen? Von Arx relativiert: «Man muss sich vorstellen; Das war eine Zeit ohne Computer, ohne Google. Ich hatte einen Word Processor zuhause, einen Fax, um meine Artikel in die Schweiz zu schicken, und meine Telefonrechnung betrug über 400 Franken im Monat». Von Arx schrieb damals regelmässig für die NZZ und den Sonntagsblick, sowie für die Fernsehzeitschriften TR7 und «Tele» – einer der ersten Aufträge war ein Telefon-Interview mit Peter Fonda: «Ich weiss nicht einmal mehr, wie ich dieses Gespräch aufgenommen habe, so lange ist das her», sagt von Arx und lacht.
In Hollywood zu bleiben war nie ihr Plan. Zurück in die Schweiz wollte von Arx aber nur mit einer sicheren Stelle: «Ins Kinderzimmer zurück daheim wollte ich nicht. Aber ich habe von den USA aus keine Stelle gefunden.» Von Arx blieb, zuerst eher aus Not, später aus Tugend: Sie wurde Mitglied bei der Hollywood Foreign Press Association, der Organisation aus Filmjournalist*nnen, die jährlich die Golden Globes verleihen: «Dadurch habe ich einen wahnsinnig guten Zugang zu wichtigen Leuten erhalten, man kommt sehr viel herum. Das hat mir sehr gefallen – hätte ich dieses Netzwerk nicht, dann wäre ich schon lange wieder in der Schweiz.»
«Das sind alles Profis, die sagen dir während eines Interviews nichts, was sie nicht gedruckt sehen wollen.»
Auch im glamourösen Hollywood ist das Leben als Filmjournalistin heute ein härteres als früher. Die Stars reisen mehr, erzählt von Arx, geben auch in Europa Interviews, die Redaktionen in der Schweiz sind nicht mehr angewiesen auf Material von Freischaffenden vor Ort. Missgunst unter den Journalist*innen spüre sie aber keine.
Ist das Leben in Hollywood wirklich so glamourös, wie man es sich vorstellen könnte? «Ach, das mit dem Glamour», sagt von Arx, lehnt sich zurück und grinst. Sie erzählt, dass die grossen Filmpremieren natürlich Teil des Jobs sind. Natürlich gäbe es jeweils eine Afterparty, «aber die dauern nicht bis in die frühen Morgenstunden». Oft seien die grossen Stars dann gar nicht mehr dabei – im Gegensatz zu solchen Anlässen in London: «Dort bleiben die Darsteller*innen, trinken auch mal einen zu viel. L.A. ist da wirklich das pure Gegenteil, die Premiere ist Teil vom Business: Die Stars putzen sich heraus, zeigen sich, bleiben dann vielleicht zehn Minuten im VIP-Bereich der Party und gehen dann wieder. Die dürfen ja auch alle keine Augenringe haben am nächsten Tag.» Eine wirkliche Beziehung zu den Stars baue man als Journalistin auch in Hollywood nicht auf, sagt von Arx. Auch die Kultur des Gegenlesens existiert kaum: «Das sind alles Profis, die sagen dir während eines Interviews nichts, was sie nicht gedruckt sehen wollen».
Nach all den Jahren in der Branche ist von Arx nicht mehr nervös vor Interviews: «Es klingt vielleicht blöd», erklärt sie, «aber ich habe die ja alle schon so oft getroffen.» Viel mehr habe sie sich gefreut, als sie vor kurzem an einem Schwingfest in der Ostschweiz den Schwinger Samuel Giger gesehen habe. Oder als sie an einem Event auf Roger Federer traf: «Ich war ja schon Tennisfan, bevor der überhaupt auf der Welt war.»
«Kürzlich fragte ich Journalistenschüler, ob sie sich eigentlich bewusst seien, dass uns die Stars mit ihren Social-Media-Aktivitäten praktisch überflüssig machen.»
Ihre Arbeit werde heute stark von den Social-Media-Aktivitäten der Stars beeinflusst, sagt von Arx: «Die haben heute ja praktisch alle Instagram. Kürzlich nahm ich an einer Diskussion an einer Journalistenschule in Los Angeles teil und fragte die Schüler, ob sie sich eigentlich bewusst seien, dass uns die Stars dadurch praktisch überflüssig machen.» Aber auf seinem Instagram-Account gibt Brad Pitt keine Interviews. «Nein, aber die Promotionsarbeit findet dort statt. Die Stars posten auf Instagram das, was sie der Welt erzählen wollen.» Und die Branche reagiert: Es gäbe auch Schweizer Schauspielerinnen, die von Arx erzählen, dass sie unter einer gewissen Followerzahl nicht einmal zu Castings zugelassen werden.
Mit Social Media macht von Arx aber auch gute Erfahrungen. So hat sie eine regelmässige Kolumne bei Bluewin erhalten. «Auf einem Filmevent von Sony lernte ich eine Redaktorin kennen, wir befreundeten uns auf Facebook. Ich bot über diesen Kanal eine Geschichte an und daraus wurde eine anhaltende, regelmässige Zusammenarbeit.» Zu ihren regelmässigen Kunden gehören heute ausserdem CH Media, «Schweizer Illustrierte», «Style», «Frame» und das «Migros Magazin».
Wie schlägt man sich als freie Journalistin durch in Hollywood, einer Welt, die nicht nur oberflächlich, sondern auch ganz schön teuer ist? «Ich brauche nicht viel Geld», sagt von Arx, «und ich habe das Glück, dass meine Wohnung ‹rent controlled› ist. Das heisst, die Miete darf pro Jahr um nicht mehr als einen gewissen Betrag erhöht werden.» Anders als sonst in den USA üblich.
«Niemand war in Hollywood wirklich überrascht vom Fall Weinstein – dass es aber so schlimm war, das wussten wohl die wenigsten.»
Spricht man mit einer Filmjournalistin aus Hollywood, kommt man nicht darum herum, auch über den Produzenten Harvey Weinstein zu sprechen. Der Fall sei noch immer dauerpräsent und habe grosse Wellen geworfen in der Branche, erzählt von Arx: «Niemand war wirklich überrascht – dass es aber so schlimm war, das wussten wohl die wenigsten.» Der Zusammenhalt, der sich unter Hollywoods Frauen gebildet hat, sei enorm wichtig. Vor dem Fall, erzählt von Arx, sei der Konkurrenzdruck gerade unter Schauspielerinnen im Fokus gestanden: «Die durften ja kaum zugeben, dass sie sich auch privat kennen und vielleicht sogar mögen.» In der Post-Weinstein-Zeit ist das anders. Dass momentan noch viel über Quoten läuft, findet von Arx in Ordnung. Die Berner Schauspielerin und Regisseurin Yangzom Brauen erzählte von Arx im Interview vom harten Einstieg in die Filmbranche. Für von Arx ist Yangzom ein Beispiel, das gut aufzeigt, warum Quoten der richtige Weg sein können: «Natürlich ist sie sich bewusst, dass nebst Ihres Könnens gleich zwei Pluspunkte für sie sprechen: Sie ist eine Frau und eine Minderheit, weil sie keine Amerikanerin ist. Aber momentan sind solche Veränderungen wichtig.» Und auch, wie über Frauen geschrieben wird, habe sich seither verändert. Sie sei allerdings verwundert darüber, wie lange das nun schon andauert und wie viele Journalist*innen noch immer extrem oberflächlich über Frauen schrieben, erzählt von Arx: «Ich selber schreibe schon seit Dekaden nicht mehr über die Äusserlichkeiten von Frauen.»