Ein russischer Milliardär stiftet sich den grössten Journalismuspreis der Welt
Mit einer halben Million Franken Preisgeld sind die «Fetisov Journalism Awards» der weltweit am höchsten dotierte Medienpreis. Gestiftet wird er vom russischen Milliardär Gleb Fetissow. Die Verleihung soll im Januar in Luzern stattfinden. In der Jury sitzen neben anerkannten Medienschaffenden auch eine Berlusconi-Vertraute und ein Kämpfer wider die «Russophobie» aus Genf.
Was beschleunigt eine Journalistenkarriere stärker als die Auszeichnung durch eine internationale Top-Jury, in der der globale Direktor von Reporter ohne Grenzen und die Direktorin des International Press Institutes sitzen? Die Auszeichnung durch diese Top-Jury plus 100’000 Franken obendrauf.
Insgesamt 520’000 Franken, aufgeteilt auf vier Kategorien mit jeweils drei Preisrängen, sollen bei den «Fetisov Journalism Awards» Anfang 2020 erstmals verteilt werden. Die Kategorien, für die sich Journalist*innen aus der ganzen Welt bis Anfang Oktober bewerben konnten, tragen schillernde Bezeichnungen, etwa «Aussergewöhnlicher Beitrag zum Frieden» oder «Exzellenz in Umweltjournalismus». Das tönt fast nach einem kleinen Geschwister des Friedensnobelpreises.
Der Preis werde «die Rolle von Journalismus in der Gesellschaft stärken», heisst es unbescheiden in einem programmatischen Text mit dem Titel «Making A World of Difference». Explizit gehe es dem «Steering Comittee» hinter den Preis auch darum, jene zu stärken, welche die «Macht zur Rechenschaft ziehen». In der Jury und dem Expertenkomitee sind mehrheitlich international renommierte Journalist*innen sowie Menschenrechts- und Pressefreiheitsverteidiger*innen. Der Stifter und Gründer des Preises, der russische Milliardär Gleb Fetissow hält offenbar viel vom Journalismus, seit er in Russland inhaftiert war. Journalistinnen und Journalisten seien damals die einzigen gewesen, die versucht hätten, die Wahrheit aufzudecken, berichten Vertraute über ihn.
Eine massgebliche Nebenrolle spielte Fetissow bei den harten Auseinandersetzungen um die Kontrolle der sibirischen Aluminiumindustrie.
Fetissow wurde 1966 im Moskauer Umland geboren. Er gehört zu jenen Superreichen, die im spätsowjetischen Wissenschaftsbetrieb sozialisiert wurden. Nach einem Wirtschaftsstudium arbeitete er vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion in einem einschlägigen Forschungsinstitut. Anschliessend wechselte er in den damals neuen privaten Bankensektor. Zwischen 1996 und 2000 spielte Fetissow für die «Alfa-Gruppe» eine massgebliche Nebenrolle bei den harten Auseinandersetzungen um die Kontrolle der sibirischen Aluminiumindustrie, die unter dem Begriff «Aluminiumkriege» in die Wirtschafts- und Kriminalgeschichte Russlands eingingen. Konkret fungierte er damals für «Alfa» als Konkursverwalter im Altschinsker Tonerden-Kombinat AGK, wo etwa ein spektakulärer Polizeieinsatz im September 1999 auch für landesweite Schlagzeilen sorgte. Freilich fehlt diese Alumium-Vergangenheit heute in seiner englischsprachigen Biografie.
Fetissows Sibirieneinsatz war erfolgreich. Dies gilt auch für den anschliessenden Verkauf von Anteilen in der Aluminiumindustrie und die Investition von Erlösen in die deutlich sauberere Telekommunikationsbranche, die damals Fetissow laut russischen Medien seinen Arbeitgebern bei der «Alfa-Gruppe» vorgeschlagen haben soll. Letzteres dürfte in der Folge zu Fetissows eigener Beteiligung am entsprechenden Portfolio der «Alfa-Gruppe» geführt haben.
Fetissow verfolgte auch eine mässig erfolgreiche Karriere in der russischen Politik. Von 2001 bis 2009 vertrat er als Senator die Region Woronesch im Rat der Föderation, der zweiten Kammer des russischen Parlaments. Anschliessend versuchte er sich als Parteipolitiker und war Mitgründer einer zwischenzeitlich wieder aufgelösten Grünen-Partei.
Der Milliardär verbrachte anderthalb Jahren in Untersuchungshaft im berüchtigten Lefortowo-Gefängnis in Moskau.
Parallel zu seiner politischen Tätigkeit hatte sich Fetissow seiner beruflichen Wurzeln besonnen und eine Bank erworben. Doch obwohl er einst Lehrbücher über Bankenstabilität verfasst hatte und im Rat der Föderation für die Branche zuständig gewesen war, lief es mit seiner «Moj Bank» nicht optimal: Zwei Monate nachdem Fetissow diese verkauft hatte, wurde der Bank Ende Januar 2014 die Lizenz entzogen. Ursache dafür waren Liquiditätsprobleme.
Kurze Zeit später klickten bei Fetissow die Handschellen: Der Milliardär verbrachte anderthalb Jahren in Untersuchungshaft im berüchtigten Lefortowo-Gefängnis in Moskau. Der Verdacht: Veruntreuung. Ein renommierter russischer Politjournalist und ein ehemaliger Weggefährte Fetissows orteten gegenüber der MEDIENWOCHE keine politische Motive als Hintergrund dieser Strafverfolgung, sondern ehemalige Kunden der Bank, die ihren Einfluss spielen liessen und so versuchten, den Verlust ihres Vermögens abzuwenden.
Zu einer rechtskräftigen Anklage gegen Fetissow ist es bislang nicht gekommen und dürfte es wohl auch nicht mehr kommen. Obwohl er noch in Untersuchungshaft alle Schulden seiner ehemaligen Bank beglich und dafür umgerechnet 200 Millionen Schweizer Franken zahlte, sorgten die Ermittlungen für nachhaltiges Ungemach. Doch der Geschäftsmann, der sich zuletzt mit eher bescheidenem wirtschaftlichen Erfolg als Produzent von Action- und Historienfilmen betätigte, konnte seinen Reichtum bewahren. Die russische Forbes-Ausgabe bewertet sein Vermögen seit 2015 konstant mit 1,2 Milliarden Dollar.
Nun steckt der «Geschäftsmann, Produzent, Wissenschaftler und Philantrop», wie er sich selbst nennt, einen Teil seines Vermögens in die «Fetisov Journalism Awards», ein für Branchenverhältnisse unüblich hoch dotierter Preis für investigativen und engagierten Journalismus. Fetissow selbst war für die MEDIENWOCHE nicht zu erreichen. Sein Assistent, der bei der persönlichen Mobilnummer des Milliardärs abhob, versprach einen Rückruf, zu dem es jedoch nicht kam.
Wer will sich schon im Namen eines Milliardärs ehren lassen, der bisher mit Journalismus nicht eben viel zu tun hatte?
Es gibt zahlreiche internationale Journalismuspreise, die nach Männern benannt sind. Bei ihnen handelte es sich jedoch um Kriegsreporter (Kurt Schork), Journalismusprofessoren (Philip Meyer), Verleger (Joseph Pulitzer) oder Pulitzerpreis-Gewinner (Donald Barlett und James Steele). Meist sind die Namenspatrons bei der ersten Ausschreibung bereits tot.
Vor knapp zehn Jahren versuchte Fetissow vergeblich «Le Monde» zu kaufen, zeitweise schrieb er Kolumnen und sporadisch verklagte er in Moskau russische Medien wegen seines Erachtens nicht korrekter Berichterstattung über ihn. Das ist kein ungewöhnliches Verhältnis zwischen Superreichen und den Medien. Aber eines, das zeigt, weshalb lebende Superreiche als Stifter und Namenspatrons von Journalismuspreisen kaum geeignet sind. Wer will sich schon im Namen eines Milliardärs ehren lassen, der bisher mit Journalismus nicht eben viel zu tun hatte?
Jury-Mitglied Deborah Bergamini war Journalistin für Bloomberg, bevor sie als persönliche Assistentin ins PR-Team von Silvio Berlusconi wechselte.
Superreiche mischen bereits als Besitzer, Verleger und Herausgeber von Medien mit. Ein Superreicher, der sowohl in der Politik als auch im Mediengeschäft ungleich erfolgreicher war als Fetissow, ist indirekt in der Preis-Jury präsent: Silvio Berlusconi.
Die Integrität von sechs der acht Jury-Mitglieder steht ausser Frage. Zwei sind zweifelhafte Gewährsträger von journalistischem Ethos.
Bis heute sitzt das Jurymitglied Deborah Bergamini für Berlusconis Mitte-Rechts-Partei Forza Italia in der italienischen Abgeordnetenkammer. Sie arbeitete bis 1999 als Journalistin für Bloomberg in Grossbritannien und kam dann als persönliche Assistentin ins PR-Team des oppositionellen Medientycoons Silvio Berlusconi. 2002, kurz nach Berlusconis zweiter Wahl zum italienischen Premier, wechselte Bergamini zum öffentlich-rechtlichen Fernsehsender RAI, wo sie erst als Vize-Marketingchefin und dann als Marketingchefin amtete. Ihr Abgang bei RAI wurde begleitet von einer Kontroverse über einen «angeblichen Geheimpakt» zwischen Bergamini und den Verantwortlichen bei den Berlusconi-Sendern von Mediaset. Nach einer anfänglichen Suspendierung und einer schnell eingestellten Untersuchung der Staatsanwaltschaft von Mailand erfolgte Bergaminis Abgang bei RAI schliesslich einvernehmlich. Im April 2008 verliess Bergamini, die die Anschuldigungen zu jedem Zeitpunkt bestritten hat, RAI mit einer Abgangsentschädigung von 390‘000 Euro. Nur Tage danach wurde sie für Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis ins italienische Parlament gewählt. Seither ist sie Abgeordnete. Von 2013 bis 2016 amtete sie zusätzlich als Sprecherin des italienischen Medienmoguls und Politikers. Deborah Bergamini äusserte sich auf mehrfache Anfrage der MEDIENWOCHE nicht.
Auch das zweite kontroverse Jury-Mitglied bewegt sich im Unschärfebereich zwischen Politik und Journalismus. Der Genfer Guy Mettan wirkte einst als Chefredaktor der «Tribune de Genève», war lange Jahre CVP-Politiker, sitzt seit seinem Austritt als Parteiloser im Genfer Grossrat und ist noch bis Ende 2019 Direktor des Genfer Presseclubs. Daneben veröffentlichte Mettan Bücher wie «Creating Russophobia». Darin zeigt er sich überzeugt, dass der mediale und diplomatische Diskurs im Westen Wladimir Putin als «Bad Guy» konstruiert habe. Für Mettan zeigt der Krieg in der Ukraine, den er nicht «Krieg» nennt, «wie der Westen all seine Soft Power mobilisiert, um das Märchen vom bösen Russland zu erzählen, das davon träumt, das pure, unschuldige Europa zu verschlingen». Auch in einer Gastkolumne für die staatliche russische Medienagentur Sputnik News hat Mettan offenbart, wie er über die journalistische Arbeit seiner Kolleg*innen in der Schweiz und Westeuropa allgemein denkt: Der Journalismus sei komplett eingebettet; die grossen Medien gehörten Milliardenunternehmern oder «Waffenhändlern».
Mettan teilte mit, dass er wegen dem «hohen Grad an Russophobie und Russland-Bashing in den Schweizer Medien keine Fragen beantworten» wolle.
Als Direktor des Genfer Presseclubs, einer Institution, die der Kanton Genf bezuschusst, wurde Mettan immer wieder von NGOs und Menschenrechtsorganisationen für seine prorussischen Tätigkeiten und Haltungen kritisiert, etwa als er den Freundschaftsorden des russischen Staates entgegengenommen hat.
Ihren Höhepunkt erreichte die Kritik vor knapp zwei Jahren, als Mettan und der Genfer Presseclub in einer Pressekonferenz die «White Helmets» diskreditierten. Die «White Helmets» oder Syria Civil Defence sind eine private Zivilschutzorganisation, die in syrischen Rebellengebieten humanitäre Hilfe leisten. Die Organisation wird beinahe täglich von russischen Staatsmedien und ihren Freunden in Ost und West mit Fake-News eingedeckt, wie eine Auflistung zeigt. An der Pressekonferenz des Genfer Presseclubs behaupteten Mettan und die Sputniknews-Journalistin an seiner Seite unter anderem, dass es den «White Helmets» nur um Geld gehe und sie an Exekutionen beteiligt seien. Daraufhin sistierte die Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen ihre Mitgliedschaft im Presseclub.
Nun sitzt Mettan bei den «Fetisov Journalism Awards» mit dem internationalen Direktor von Reporter ohne Grenzen, Christophe Deloire, in derselben Jury. Deloire war trotz mehrfacher Nachfrage der MEDIENWOCHE für keinen Kommentar verfügbar. Mettan wiederum teilte via Twitter mit, dass er wegen dem «hohen Grad an Russophobie und Russland-Bashing in den Schweizer Medien keine Fragen beantworten» wolle.
Ihren Sitz hat die Stiftung hinter dem Preis bei einer Vermögensverwaltung, die einst in den Football Leaks Erwähnung fand.
Die Stiftung hinter dem Preis, die «Fondation Caritative Fetisov», hat ihren Sitz in Genf an einer c/o-Adresse bei einer britischen Vermögensverwaltungsfirma mit Büros unter anderem in Zypern, Malta und auf der Kanalinsel Jersey. Als Zweck gibt sie an, «menschliche Werte wie Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Mut und Würde am Beispiel herausragender Journalisten, Maler, Wissenschaftler und Künstler, Interpreten und Sportler aus der ganzen Welt zu fördern, die zur Verbesserung der Welt beitragen.» Neben Fetissow selbst und einer Drittperson ist auch eine Kaderfrau jener Vermögensverwaltung Mitglied des Stiftungsrats. Dieselbe Firma verwaltete im Steuerparadies Jersey eine Briefkastenfirma, welche die Markenrechte des französischen Spitzenfussballers Paul Pogba besass. Bekannt wurde dieses Konstrukt durch die Football Leaks.
Es gibt einen einfachen und logischen Grund, weshalb Fetissow seine Stiftung in der Schweiz gegründet hat: In der Schweiz sind die Bedingungen, um steuerrechtlich als gemeinnützige Stiftung anerkannt zu werden, in einigen Kantonen besonders niedrig. Die Erstausgabe der «Fetisov Journalism Awards» ist wohl sehr kurzfristig organisiert worden. Interesse an Projekten in der Schweiz tönte Fetissow zwar bereits in einem Interview mit der «Weltwoche» im Juni 2018 an, der bisher einzigen Erwähnung des Russen in Schweizer Medien. Nachdem ihn «Weltwoche»-Vize Philipp Gut im Gespräch «herzlich eingeladen» hatte, in der Schweiz zu investieren, erklärte der Milliardär, er prüfe gegenwärtig verschiedene Projekte im Land.
Das «Steering Comittee» des Medienpreises dankte für die «nette Anfrage», aber Fragen würde man erst zu einem späteren Zeitpunkt beantworten.
Am 2. Oktober 2018 wurde die Internetadresse fjawards.com registriert. Die Stiftung wurde erst am 5. August dieses Jahres gegründet. Bereits ab dem 10. August um Mitternacht konnten Journalist*innen ihre Beiträge einreichen. Am 22. Januar 2020 sollen die «Fetisov Journalism Awards» in Luzern verliehen werden – wo genau ist noch nicht bekannt. Die Frage blieb wie der gesamte Fragenkatalog der MEDIENWOCHE, in dem alles hier aufgeführte thematisiert worden ist, unbeantwortet. Das «Steering Comittee» dankte für die «nette Anfrage», aber Fragen würde man erst zu einem späteren Zeitpunkt beantworten.
Vorsitzende des «Steering Committee» ist die russische Journalistin Jewa Merkatschowa, die gleichzeitig auch in der Jury mitwirkt. Merkatschowa arbeitet als Autorin der liberalen Boulevardezeitung «Moskowski Komsomolez» und berichtete als solche auch wiederholt über Gleb Fetissow. Zuletzt etwa, dass der Milliardär Russland seit dem Spätsommer wieder verlassen kann. In einem kurzen Telefonat mit der MEDIENWOCHE am 16. Oktober betonte Jewa Merkatschowa ihre Unabhängigkeit und nannte auch die Motive Fetissovs für die Stiftung eines Medienpreises.
MEDIENWOCHE:
Sie haben relativ viel über Fetissow in der Tageszeitung «Moskowski Komsomolez» geschrieben. Sehen sie da keinen Interessenskonflikt, dass sie gleichzeitig über ihn schreiben und eine Funktion beim von ihm gestifteten Journalismuspreis haben?
Jewa Merkatschowa:
Für die «Fetisov Journalism Awards» arbeiten wir ehrenamtlich. Einen Interessenskonflikt könnte es bloss geben, wenn wir bezahlt würden. Fetissow hat einst gesagt, dass Journalistinnen und Journalisten die einzigen waren, die in seinem Fall versuchten, die Wahrheit aufzudecken. Ich denke, dass der Preis Ausdruck seiner Dankbarkeit ist, um echte, wirkliche Journalisten zu unterstützen. Wir sehen sie als Helden. Der Preis ist ein zivilgesellschaftliches Projekt.
MEDIENWOCHE:
Gleb Fetissow stiftet diesen Preis also aufgrund seiner Erfahrungen in U-Haft?
Jewa Merkatschowa:
Ja. Er erachtete, dass Journalisten die einzigen sind, welche die Situation verändern können und für die Wahrheit kämpfen. Ich bin derselben Meinung. Journalismus ist eine grosse Sache, die Vierte Gewalt, wie man sagt.
MEDIENWOCHE:
Aber warum in der Schweiz?
Jewa Merkatschowa:
Damit der Preis maximal unabhängig und nicht an Russland gebunden ist. Wir wollen möglichst die internationale Dimension betonen. Deshalb gibt es auch eine internationale Jury. Ich halte jedes Jurymitglied für eine grosse journalistische Persönlichkeit.
Nur eines der angefragten Jurymitglieder hat auf Anfrage der MEDIENWOCHE offiziell Stellung genommen. Barbara Trionfi ist Direktorin des International Press Institutes IPI in Wien. Sie fühle sich geehrt, bei den «Fetisov Journalism Awards» in der Jury mitzuwirken. Das IPI sei der Verbreitung von unabhängigem, qualitativen Journalismus verpflichtet. Dieser Verpflichtung komme man auf viele Arten nach: Anwaltschaft für Journalist*innen und gegen Beschränkungen der Pressefreiheit, Weiterbildungsprogramme und Einsatz dafür, dass Qualitäts- und Investigativjournalismus mit den nötigen Ressourcen ausgestattet wird. Die «Fetisov Journalism Awards» steigern laut Trionfi das Bewusstsein für qualitativen Investigativjournalismus und statte Journalist*innen, mit finanziellen Mitteln aus, «die bewiesen haben, dass sie fähig und willig sind, wichtige journalistische Recherchen zu stemmen».
Die personelle Zusammensetzung sei eine Garantie für Qualität und Unabhängigkeit, findet Jury-Mitglied Barbara Trionfi.
Aber Trionfi geht in ihrer langen schriftlichen Antwort auch auf Kritik ein: «Wie Sie angemerkt haben, besteht die Jury mehrheitlich aus Leuten, die ein tiefgründiges Verständnis von unabhängigem Qualitätsjournalismus haben. Die Jury-Mitglieder seien entweder selbst im Journalismus oder haben enge Verbindungen zur journalistischen Gemeinschaft.» So sei gesichert, dass jedes Fehlverhalten oder jeder äussere Druck, die Jury zu beeinflussen – «den ich nicht erwarte» –, sofort aufgedeckt würde. Sie vertraue darauf, dass die Jury-Zusammensetzung eine Garantie für Qualität und Unabhängigkeit ist. Trionfi ist sich sicher, dass bei der Kommunikation der Gewinner*innen die Preisträger*innen im Fokus stehen. «Gewinner werden auch die Möglichkeit haben, den Preis abzulehnen oder ihn in ihrem Lebenslauf nicht zu erwähnen, falls sie befürchten, dass der Award ihrem Image schaden könnte.»
Damit hat Trionfi recht. Aber aus demselben Grund haben manche Journalist*innen womöglich gar nicht erst einen Beitrag eingereicht: Weil sie nicht im Namen eines Milliardärs ausgezeichnet werden wollen oder weil sie ihre journalistische Arbeit nicht von einer Vertrauten von Silvio Berlusconi beurteilen lassen wollen. Aber trotz dem hohen Preisgeld, das den Gewinner*innen winkt, gab es auch einen materiellen Grund, auf die Teilnahme bei den «Fetisov Journalism Awards» zu verzichten. Die Awards forderten sämtliche Beiträge in Englisch oder mit englischer Übersetzung: «Die Übersetzung muss von einem professionellen Übersetzer ausgeführt worden und von hoher Qualität sein», heisst es in den Eingabebedingungen. Für unabhängige Journalist*innen bedeutet das einen beträchtlichen finanziellen Aufwand. Dafür verfügen sie über das, was sich Philantropen zu erkaufen hoffen: Integrität und einen besseren Ruf.
Gemäss Leuten, die ihn gut kennen, ist internationale Reputation für Fetissows Aktivitäten eine entscheidende Triebkraft. «Seine Berater sagen ihm, dass er schnell Anerkennung im Westen braucht», erklärte ein ehemaliger Weggefährte gegenüber der MEDIENWOCHE. Wie sehr ihn Fragen des Rufs beschäftigen, machte Fetissow bereits 1999 deutlich: Noch während den sibirischen «Aluminiumkriegen» schrieb er ein wirtschaftswissenschaftliches Werk über Bankenstabilität. Er widmete das Buch seiner Mutter und zitierte als Epigraph aus Theodore Dreisers Roman «Der Finanzier»: «Nothing was so precious as reputation and standing» – Nichts war so wertvoll wie Ruf und Ansehen.
Roberto Zimmermann 18. Oktober 2019, 07:49
Der einzige Weg, wie diese seltsame Jury „Ruf und Ansehen“ ihres aus ominösen Geldern genährten Preises etablieren können, ist dessen Vergabe an einen russlandkritischen Journalisten – am besten eines russischen. Das wird kaum passieren. Darum sollte man die Verleihung und das ganze erkaufte Drumherum schlicht ignorieren.