Her mit den Abos!
Nur zahlende Kundschaft sichert die Zukunft. Das wissen die Zeitungsverlage. Je mehr Abos, desto besser. Corona sorgte für einen kleinen Lichtblick dank ausserordentlich guter Verkaufszahlen. – Was die grossen Schweizer Medienunternehmen weiter tun wollen und warum es kein «Spotify für Nachrichten» geben wird.
Ganz so brotlos, wie in letzter Zeit oft geschildert wurde, war die Corona-Zeit für die Nachrichtenmedien doch nicht. Die Rekordzugriffe auf die Online-Angebote brachten zwar keine Werbung, aber immerhin ein paar zusätzliche Abos. Die fünf grössten Schweizer Verlage Tamedia, Ringier, NZZ, CH Media und Somedia haben alle von März bis Mai 2020 mehr Abonnements verkauft als in den Monaten davor. Genaue Zahlen nennen die Unternehmen nicht.
Zum Beispiel CH Media: Mit seinen Tageszeitungen in Nordwest-, Zentral- und Ostschweiz verkaufte die gemeinsame Firma von Peter Wanner und der NZZ-Gruppe in den Monaten April und Mai «einige hundert zusätzliche» Digital-Abos. Gleichzeitig verloren aber die gedruckten Ausgaben der CH-Media-Zeitungen weiter Abonnenten. Unter dem Strich bleibt damit ein negativer Saldo. Der Abwärtstrend habe sich «in den Corona-Monaten leicht abgeschwächt», erklärt CH-Media-Sprecher Stefan Heini. Was aber auch heisst: CH Media konnte den Verlust an Print-Abos nicht einmal während Corona mit dem Zugewinn neuer digitaler Abos kompensieren, geschweige denn die Rückgänge auf dem Werbemarkt auffangen.
Das gilt auch für die Tamedia-Zeitungen: «Den Rückgang im Werbemarkt wird das Wachstum im Nutzermarkt leider nicht annähernd auffangen können», teilt Tamedia-Sprecherin Nicole Bänninger auf Anfrage mit. Und das, obwohl die Aboabschlüsse «in den letzten Monaten tatsächlich markant gestiegen» seien. Zahlen legt Tamedia keine offen und verweist auf den Halbjahresabschluss.
Bei der NZZ erfährt man immerhin, dass der Verlag von März bis Mai 17’000 Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen konnte. Ein Wachstun, das «deutlich höher» gewesen sei als in der Zeit davor. Auch Ringier und Somedia registrierten ein gesteigertes Interesse an ihren Medien, das zu zusätzlichen Aboabschlüssen führte.
Die Preisfrage lautet weiterhin: Mehr Abos, aber wie?
Natürlich, jedes Abo zählt – aber mehr als ein Strohfeuer vermochte der Corona-Boom trotzdem nicht zu entfachen. Der kurzfristige Zuwachs im Nutzermarkt ändert nichts daran, dass die Verlage noch viel mehr Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen müssen, um ihr Geschäft längerfristig zu stabilisieren; erst recht, weil ein digitales Abo nur den Bruchteil eines Zeitungsabos kostet. Der Erfolg auf dem Nutzermarkt ist auch darum wichtig, weil sich die Höhe der öffentlichen Fördergelder für Online-Medien auch am Kundenertrag orientieren wird.
Die Preisfrage lautet darum weiterhin: Mehr Abos, aber wie? Eine Antwort liefert die sogenannte Digital-Allianz. Der Zusammenschluss der vier grössten schweizerischen Verlagshäusern plus der SRG will 2021 ein zwingendes Login einführen für die digitalen Newsangebote der Allianz-Mitglieder. Der angemeldete Nutzer gibt den Verlagen automatisch Auskunft über seine Vorlieben. Das soll in erster Linie der Werbung dienen, die von den Verlagen bessere Daten erhält. Genauso hilft es aber auf dem Nutzermarkt. Die TXGroup mit ihren Tamedia-Abozeitungen weiss um das Potenzial: «Damit werden die einzelnen Titel in der Lage sein, das Angebot noch besser auf die eigene Nutzerschaft auszurichten», teilt Michele Paparone, Sprecher der TX Group, auf Anfrage mit.
13 Prozent der Nachrichtenkonsumenten in der Schweiz haben im vergangenen Jahr für Online-News gezahlt.
Ob das der Schlüssel ist zu mehr verkauften Abos, steht auf einem anderen Blatt. Hoffnung gibt eine Zahl: 13 Prozent der Nachrichtenkonsumenten in der Schweiz haben im vergangenen Jahr für Online-News gezahlt. Mit Blick auf Länder wie Norwegen mit einem Käuferanteil von 42 Prozent erscheint der Wert für die Schweiz sehr tief. Dafür ist hierzulande das Potenzial umso grösser. Dass es mit der Zahlbereitschaft aufwärts geht, zeigt der Anstieg des Werts innert eines Jahres von 11 auf 13 Prozent.
Das Reuters Institute in Oxford, das diese Zahlen ermittelt hatte, stellte auch fest, dass jene, die für News im Netz zahlen, in der Regel ein einziges Angebot abonniert haben. Dazu untersuchte der Reuters-Forscher Richard Fletcher die sehr unterschiedlichen Märkte der USA, Grossbritanniens und Norwegens.
Auf die Preisfrage: Mehr Abos, aber wie? gibt Fletcher keine endgültigen Antworten. Er liefert aber wertvolle Hinweise, worauf zu achten sei. «Preis und Benutzerfreundlichkeit sind Schlüsselfaktoren, die einen Unterschied machen könnten», schreibt Fletcher im jüngst veröffentlichten Digital News Report des Reuters Institutes.
Was heisst: Heutige Nicht-Zahler geben an, sie würden Medien abonnieren, wenn das kostenpflichtige Angebot billiger und besser wäre. Etwas konkreter und praxisnäher wirkt dagegen der Wunsch nach verlagsübergreifenden Angeboten mit einem Zugang zu mehreren Anbietern für einen fixen Abo-Preis. «Die Art und Weise, wie Nachrichten derzeit verkauft werden, entspricht nicht immer den Anforderungen an einen einfachen, flexiblen, übersichtlichen Zugang zu mehreren Quellen, die die Menschen angeblich gerne hätten», hält Forscher Fletcher dazu fest. In den drei untersuchten Märkten gaben zwischen 12 und 17 Prozent der Befragten an, eine Flatrate für News könnte sie zum Zahlen bewegen.
Zwar führen die in der Digital-Allianz zusammengeschlossenen Verlage ein gemeinsames Login ein. Aber verlagsübergreifende Aboangebote sind nicht geplant.
Auch wenn die Forderung nach einem «Spotify für Nachrichten» seit Jahren immer wieder laut wird, gibt es triftige Gründe, warum es ein solches Modell in der Schweiz nicht geben wird. Die Verlage suchen ihr Glück lieber im Alleingang. Sie wollen die Kundenbeziehung exklusiv.
Zwar führen die in der Digital-Allianz zusammengeschlossenen Verlage ein gemeinsames Login ein. Aber verlagsübergreifende Aboangebote sind nicht geplant. «Derzeit beschränkt sich das Projekt auf ein gemeinsames Login. Jede Mediengruppe wird auch künftig für die eigenen Titel eine unabhängige Preisgestaltung beibehalten», erklärt Michele Paparone, der für die TX Group zur Digital-Allianz Auskunft gibt.
Ein Fixpreis-Angebot für die unbeschränkte Nutzung der wichtigsten Newsquellen in einem Land oder in einer Sprachregion könne in der Frühphase sinnvoll sein, wenn es darum gehe, das Publikum überhaupt erst für das Bezahlen zu sensibilisieren. Tomáš Bella weiss wovon er spricht. Der slowakische Journalist und Unternehmer gründete vor zehn Jahren die Firma Piano. Mit deren Technologie bündelten die grossen Verlagshäuser in der Slowakei, in Slowenien und in Polen ihre Zeitungen und Magazine zu einem Pauschalpaket; die Rede war von einer «nationalen Paywall». Ein paar Jahre ging das gut so. Inzwischen verkaufen in allen drei Ländern die Medienunternehmen wieder selber die Abos.
Damit sich das Modell für die Verlage rechnet, müsste ein «Abo für alles» um die 200 Franken pro Monat kosten.
Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung mit der Piano-Paywall weiss Tomáš Bella, warum ein Flatrate-Modell für den Schweizer Markt nicht funktionieren würde: «Die Interessen der verschiedenen Verlage sind zu unterschiedlich, und sie werden ständig aufeinander prallen. Jeder wünscht sich andere Preise, andere Werbeaktionen und Rabatte.» Weiter spreche die Preisstruktur gegen eine Flatrate. Damit sich das Modell für die Verlage rechne, müsste ein solches «Abo für alles» um die 200 Franken pro Monat kosten, schätzt Bella. Auch wenn es durchaus Leute gebe, die so viel für Nachrichtenmedien zu zahlen bereit sind, sei ein Pauschalbetrag in dieser Höhe «einfach zu viel».
Weiterhin gibt es verlagsunabhängige Online-Plattformen, die einen digitalen Zeitungskiosk anbieten mit einer Auswahl an Medien, die sie unter Lizenz weiterverkaufen dürfen. Gegen einen monatlichen Fixpreis hat man uneingeschränkten Zugang zum gesamten Angebot. Nur: Die Kioskauslage weist erhebliche Lücken auf. So existiert zum Beispiel keine solche Plattform mit allen grossen Schweizer Tageszeitungen. Auf Pressreader, einem der ältesten Anbieter, kann man für 30 Franken pro Monat gerade mal NZZ, Basler Zeitung und Le Temps lesen – sowie, ebenfalls kostenpflichtig, «20 Minuten». Das zeigt auch: Längst nicht alle Verlage wollen ihre Medien zum Pauschalpreis verhökern.
Auf dem Abo-Markt vertrauen die Schweizer Verlage auf die Stärken der eigenen Marken. Wenn Qualität, Preis und Komfort stimmen, dann steigt auch die Zahlungsbereitschaft. Dem Geschäft weniger zuträglich ist es hingegen, wenn Verlage ihre Marken immer weiter aushöhlen.