von Anne-Sophie Scholl

The Good, The Bad & The Ugly V

Lehrstück Medienmacht,
Männer fördern Männer,
Interview als Kommentar-Aufguss

The Good — Schleuderkurs des Grossverlegers

Ein Aufatmen geht durch die Branche. Am Donnerstag hat der Nationalrat mit deutlichem Mehr die Medienförderung an die vorberatende Kommission zurückgewiesen. Diese hatte in letzter Minute die Online-Förderung aus dem Paket ausgeschlossen. Der Entscheid, das Förderpaket aufzuschnüren, war äusserst knapp gefallen. Er ist wahrscheinlich dem Verwaltungsratspräsidenten von CH Media zu verdanken. Peter Wanner hatte zuvor in einem ganzseitigen Meinungsbeitrag in der «Schweiz am Wochenende» geschrieben, die Online-Förderung sei unausgereift. Die «Schweiz am Wochenende» ist seine eigene Zeitung. Die Zeitung hat eine Reichweite von Aarau bis Zernez und die mit Abstand höchste Auflage in der Schweiz — allerdings nur im Print.

Dabei sei es gar nicht in seinem Sinn gewesen, die Online-Förderung abzuschiessen. Das jedenfalls schrieb Wanner, der auch stellvertretender Präsident des Verlegerverbandes ist, allen Nationalrätinnen und Nationalräten in einer Mail, um sie wieder auf Spur zu bringen, wie die Republik bekannt machte.

Wanners kommunikativer Schleuderkurs führt vor: Der Grossverleger hat zu viel Macht. Damit liefert er das beste Argument für eine starke Förderung neuer, innovativer, unabhängiger Online-Medien. Das Geschäft geht also in die vorberatende Kommission zurück. Es dauert nun alles ein bisschen länger. Im besten Fall bauen sie nun die Online-Förderung sogar aus — und ergänzen das Paket mit einer ebenso dringend benötigten griffigen Genderpolitik, zum Beispiel Frauenquoten. Damit wären wir beim «The Bad» der Woche.

The Bad — Leadership in den Medien

Seit diesem Monat schreibt der frühere NZZ-am-Sonntag-Mann Francesco Benini für die CH-Media-Zeitungen. Wir erinnern uns: Bei der Bekanntgabe der Personalie liess sich CH-Media-Chefredaktor Patrik Müller mit folgendem Satz zitieren: «Man kennt sich gegenseitig, über die Zeit ist es dann zu dieser Entscheidung gekommen».

Was der CH-Media-Chefredaktor nicht zu wissen scheint: Diesen Satz, den er hörbar stolz vorbringt, führt moderne Leadership-Literatur exemplarisch an als Ursache für die Verhinderung von Frauenkarrieren. Mit solcher Personalpolitik ist CH Media nicht alleine. Im jüngst erschienenen Buch «Frau. Macht. Medien» sagt Andrea Bleicher, vormals Chefredaktorin beim «Blick» und stellvertretende Chefredaktorin der «Sonntagszeitung»: «Die Beförderungsstrategien im Journalismus sind hochgradig amateurhaft. Man findet jemanden witzig beim Feierabendbier und stellt ihn ein.»

Zusammen mit Männerdominanz in Entscheidungsgremien und harten Hierarchien, die durch die Medienkonzentration maximiert werden, ist das der Grund, warum Frauen in der Branche nicht vorankommen, die sich als vierte Gewalt sehen will und neuerdings Anspruch auf satte Steuergelder stellt. Apropos Männerdominanz, bei CH Media sieht die Chefredaktion einschliesslich Chefsessel in St. Gallen, Luzern, Basel und Aarau so aus:
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Jüngst hat mehr als eine halbe Million Menschen auf der Strasse echte Gleichstellung verlangt.
Das Netzwerk Medienfrauen Schweiz fordert 50 Prozent Frauen auf allen Führungsebenen.

Vor einem Jahr hat das CH-Media-Männergremium vorgeführt, dass sie, um Platz für andere zu schaffen, problemlos ausgewiesene Journalistinnen auf die Strasse stellen können — etwa die langjährige Bundeshausjournalistin Eva Novak, damals 60-jährig.

Wir wünschen keinem Kollegen, dass er seinen Job verliert. Trotzdem, was wir jetzt gerne sehen würden: Wie dieses Gremium Platz schafft für fünf wunderbare Frauen. Wie CH Media dann vertrauensvoll in die Zukunft schaut, dass diese Frauen mit Unterstützung vom Team und der neuen Co-Leitung ganz neue Talente beweisen werden.

The Ugly — Journalismus als Schalltrichter

Wenn drei vergleichbare Ereignisse auftreten, spricht man von einem Trend. So geht ein Bonmot im Journalismus. Letzte Woche haben wir an dieser Stelle einen Text von Chefredaktor Matthias Ackeret des Medienportals «Persönlich» kritisiert, diese Woche müssen wir es wieder tun.

«Persönlich» steigt am Montag in die Woche ein mit einem gross aufgemachten Interview mit Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser. Dieser hatte in der Sonntagszeitung einen Kommentar verfasst. Darin ging es um den Entscheid des Zuger Kantonsgerichts und dessen vorsorgliche Verfügung in der Causa Jolanda Spiess-Hegglin und — nein, nicht Blick, sondern Tamedia. Punkt für Punkt durfte der Tamedia-Chefredaktor auf «Persönlich» seinen Kommentar noch einmal ausführen.

Dabei vergass der Interviewer die einzig relevante Frage: Warum in dem Kommentar in der «Sonntagszeitung» von Buchverbot die Rede ist, wo das Gericht doch bloss ein Persönlichkeitsverletzungsverbot verfügt hat. Ein Verbot der Persönlichkeitsverletzung ist keine Verletzung der Pressefreiheit. Ein Verbot der Persönlichkeitsverletzung bedeutet Schutz der Intimsphäre, hier: der Intimsphäre einer Frau. Wenn ein Chefredaktor einem anderen Chefredaktor den Teppich ausrollt — kann man da noch von Journalismus reden?


Update 13.9.2020: In einer früheren Version der Rubrik «The Ugly» stand: «Ein Verbot der Persönlichkeitsverletzung ist keine Einschränkung der Pressefreiheit.» Das ist insofern falsch, weil Persönlichkeitsschutz die Pressefreiheit sehr wohl einschränkt: Die Pressefreiheit reicht nur so weit, wie sie das Gebot des Persönlichkeitsschutzes nicht verletzt.