von Nick Lüthi

The Good, The Bad & The Ugly CVIII

Kommentarurteil, Bundesratsoverkill, Zensurjustiz

The Good – Bundesgericht stärkt Rechte des SRF-Publikums

Bisher verfährt SRF bei der Moderation von User-Kommentaren nach dem Prinzip «Im Zweifelsfall löschen». Als Folge davon können schon mal Wortmeldungen verschwinden, die niemanden beleidigen und auch sonst nicht offensichtlich gegen die Hausregeln verstossen. Das geschah auch am 10. August 2021. Eine Leserin bekannte sich in ironischen Ton unter einem Beitrag zur Abschaffung der Gratis-Corona-Tests in Deutschland auf dem Instagram-Kanal von SRF weder gegen Corona geimpft noch je getestet worden zu sein. Der Kommentar wurde ohne Begründung gelöscht.

Die Schreiberin wollte sich damit nicht abfinden und beschwerte sich bei der Ombudsstelle. Doch die erklärte sich für nicht zuständig für die Handhabung der Kommentarspalten durch SRF. Ebenso die UBI als nächsthöhere Instanz. Also blieb noch das Bundesgericht. Und das kommt nun zum Schluss, dass sich die Vorinstanzen mit der Beschwerde hätten befassen müssen. Die Löschung eines Kommentars sei «ein wertender redaktioneller Akt» und falle damit in die Zuständigkeit von Ombudsstelle, respektive UBI. Das Bundesgericht weist weiter auf die spezielle Verantwortung der SRG hin (zu der auch SRF gehört) als «gesamtschweizerisch konzessionierte Anbieterin im Radio- und Fernsehbereich».

Das Urteil führt im Idealfall zu einem sorgfältigeren Umgang mit Leserkommentaren und zu weniger vorschnellen Löschentscheiden. Zum Rechtsstreit wäre es in dem Fall nicht gekommen, wenn SRF nach der Maxime gehandelt hätte «Im Zweifelsfall stehen lassen».

The Bad – «Arena» mit fünf Sendungen zur Bundesratswahl

Als wäre nicht schon vieles – oder alles – gesagt zum Thema, hat sich die «Arena» von Schweizer Fernsehen SRF auch gestern Abend wieder mit der Bundesratsersatzwahl vom kommenden Mittwoch beschäftigt. Es war die fünfte Sendung zur Nachfolge von Simonetta Sommaruga und Ueli Maurer. Mit einer Ausnahme standen seit Ende Oktober nur Bundesratswahlen, Bundesratswahlen, Bundesratswahlen, Bundesratswahlen und noch einmal Bundesratswahlen in der wichtigsten Diskussionssendung von Fernsehen SRF auf dem Programm.

Klar, eine Doppelvakanz in der Landesregierung kommt nicht alle Tage vor. Aber alle paar Jahre. 2018 gab es keine einzige «Arena» zur Nachfolge von Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann. Das war vielleicht eine Sendung zu wenig. Doch «damals dominierten neben der Bundesratsersatzwahl noch andere Themen den politischen Diskurs», schreibt «Arena»-Redaktionsleiterin Franziska Egli (Bild). Gibt es heute wirklich nur ein Thema? Immerhin schaffte es die Debatte um die Reform des Rentensystems in eine Sendung. Und andere aktuelle Themen, etwa die drohenden Strommangellage, flossen in die Bundesratswahlsendungen ein.

Am Ende bleibt der Eindruck eines Overkills. Nach den beiden Extremen mit keiner Sendung 2018 und deren fünf 2022 zu einer Doppelvakanz im Bundesrat klappt es das nächste Mal bestimmt mit einem angemessenen Wert dazwischen.

The Ugly – Genfer Justiz als Zensurhelferin

Als die Sendungen «Rundschau» und später auch «Deville» des Schweizer Fernsehens kürzlich über eine grossangelegte Spionageoperation aus Katar gegen die Fifa berichteten, ging es nicht lange und ein indischer IT-Unternehmer mit Wohnsitz in der Westschweiz meldete sich beim Genfer Zivilgericht. Er kam namentlich in der Berichterstattung vor. Doch in diesem Kontext wollte er nicht genannt werden und sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Darum erwirkte er eine superprovisorische Verfügung gegen das Schweizer Fernsehen. Das Genfer Gericht gab dem Begehren statt. Das Fernsehen musste die Person unkenntlich darstellen und den Namen anonymisieren.

Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, hat das Gericht die Zensurmassnahme möglicherweise vorschnell beschlossen. Denn SRF hatte in weiser Voraussicht, dass Akteure, die in der Recherche vorkommen, dagegen vorgehen könnten, eine sogenannte Schutzschrift beim Gericht deponiert. Darin kann eine Redaktion präventiv darlegen, warum sie eine identifizierende Berichterstattung für rechtmässig hält. Doch das Genfer Gericht ignorierte die vorgebrachten Argumente und hiess die vorsorgliche Massnahme gut. Angeblich sei die Zahlung für die Hinterlegung der Schutzschrift beim Gericht noch nicht eingegangen sei. SRF hat gezahlt, aber das Geld war noch nicht eingetroffen.

Die Ignoranz des Genfer Gerichts wirft ein schlechtes Licht auf die Justiz. Erst kürzlich hat die Politik die Hürden für vorsorgliche Massnahmen gesenkt, dann sollte wenigstens die Justiz garantieren, dass die Rechte der Medien nicht noch weiter untergraben werden.

Leserbeiträge

Ueli Custer 03. Dezember 2022, 15:16

Nachdem  ja das Parlament für die Bundesratswahlen zuständig ist, habe ich mich auch gefragt, was dieser Overkill eigentlich soll. Dabei ist die Arena ja nicht das einzige Gefäss, das dazu beiträgt. Die Tagespresse füttert einen ja auch jeden Tag mit meist unwichtigen Details zu den Kandidierenden.

Hansjürg Feuz 03. Dezember 2022, 15:54

Wäreliwär schaut sich denn die Arena (noch) an? Ist sie nicht – seit Jahrzehnten – ein Gefäss zum Verschnarcheln? Sie ist eine von vielen Sendungen, die es mir leicht machen, seit 4 Jahren auf einen TV-Apparat zu verzichten. Der sowieso nur Platz versperrt. Und Zeit stiehlt, die ich für Besseres einsetze – gerne auch mal fürs Nichts-Tuun… h.feuz