SRF im Dilemma mit den Drittplattformen
Schweizer Radio und Fernsehen SRF will seine Inhalte verstärkt auf Drittplattformen ausspielen. Ziel sei es, so die Nutzerinnen und Nutzer auf die eigenen Plattformen zu ziehen. Solange es keine ernsthaften Anreize gibt, dafür Youtube, Spotify und Co. zu verlassen, wird das nicht gelingen.
Eigentlich sollte es ohne gehen, aber ohne geht es auch nicht. Etwas ausführlicher formuliert das Dilemma der deutsche Mediensoziologe Volker Grassmuck: «Stellen die Öffentlich-Rechtlichen ihre Inhalte auf YouTube, Instagram, Twitter & Co., stärken sie damit die Aufmerksamkeitsmacht dieser Plattformen. Tun sie es nicht, dann kommen sie in der Meinungsbildung der digitalen Öffentlichkeit schlicht nicht vor.» In diesem Spannungsfeld bewegt sich Schweizer Radio und Fernsehen SRF schon länger und inzwischen immer stärker.
Um die unter 45-Jährigen besser zu erreichen, will SRF künftig vermehrt Inhalte auf Youtube, Spotify oder Instagram anbieten, also dort, wo sich diese Altersgruppe massgeblich informiert und unterhalten lässt. Darum plant SRF neue Kanäle auf Youtube für Volksmusik, Pop und Rap, aber auch die Auseinandersetzung mit Philosophie und Wissen soll verstärkt auf der beliebten Videoplattform stattfinden.
Gemäss dem Konzept für den Umgang mit Drittplattformen will SRF mit seinen Angeboten auf Youtube, Spotify und Co. die Nutzerinnen und Nutzer auf die eigenen Plattformen ziehen. «Zum Beispiel, indem wir nur einen Ausschnitt oder nur die erste Episode einer Serie auf der Drittplattform platzieren und die restlichen Inhalte dann auf unseren Plattformen zu finden sind», erläuterte Projektleiter David Elsasser im vergangenen März in einer Information für das SRF-Personal das Konzept. Drittplattformen seien komplementär zum eigenen Angebot zu verstehen.
Heute ist davon noch nichts zu sehen. Auf Spotify finden sich sämtliche Podcasts von Schweizer Radio. Irgendeinen Anreiz, auf die SRF-eigene Audio-Plattform zu wechseln, gibt es nicht. Nicht anders sieht es bei Youtube aus. Auf dem Kanal SRF DOK findet sich ein Grossteil der in den letzten zehn Jahren produzierten Dokumentarfilme und Reportagen von SRF. Auch hier gibt es keinen Grund, Youtube zu verlassen und zum SRF-Angebot zu wechseln. Das könnte sich demnächst ändern, wenn Play Suisse startet. Auf der mehrsprachigen Videoplattform der SRG wird das Schweizer Fernsehen SRF neben Spielfilmen und Serien auch seine Dokumentationen und Reportagen präsentieren.
Wird nun SRF das Angebot auf seinem Youtube-Kanal SRF DOK verknappen und so einen Anreiz schaffen, um auf Play Suisse zu wechseln? Zu solchen Spekulationen wolle man keine Stellung nehmen, heisst es auf Anfrage bei der Medienstelle von SRF. Das neue Konzept zur Distribution von Inhalten auf Drittplattformen greife erst ab kommendem April.
Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass SRF seine Aktivitäten auf den Drittplattformen zurückfährt, zumal die Zeichen auf Ausbau stehen und weiterhin der Grundsatz gilt: Unser Angebot ist dort, wo unsere Nutzerinnen und Nutzer sind – also auch auf Youtube, Spotify und wo auch immer. Wie es unter diesen Vorzeichen gelingen soll, das Publikum auf die eigenen Plattformen zu ziehen, bleibt schleierhaft. Es wäre aber ein Gebot der Stunde: «Ansonsten droht, dass die öffentlich-rechtlichen Angebote als solche nicht erkennbar sind, und sie sich in einem kommerziellen Umfeld bewegen, das den Vorgaben für eigene Angebote nicht genügt», hielt eine Studie des ORF vor einem Jahr fest.