von Marko Ković

Propaganda gegen Konzernverantwortung: Worthülsen in der Abwehrschlacht

Im Abstimmungskampf um die Konzernverantwortungsinitiative setzen die Gegner der Vorlage gezielt auf inhaltsfreie Propaganda, die manipulieren und verwirren soll. Eine wichtige Rolle in dieser Abwehrschlacht spielt die PR-Agentur furrerhugi. In der aktuellen Folge unseres Podcasts «Das Monokel» beleuchten Christian Caspar und Marko Ković die Strategie der Initiativgegner.


Die Konzernverantwortungsinitiative, über die am 29. November abgestimmt wird, erhitzt die Gemüter. Die Initiative fordert, dass sich Schweizer Unternehmen auch im Ausland an international geltende Menschenrechte und Umweltstandards halten sollen. Diese Forderung ist – wenig überraschend – grossen Teilen der Wirtschaft und ihren politischen Vertreterinnen und Vertretern nicht genehm. Entsprechend angeregt verläuft die Debatte zwischen dem Ja- und dem Nein-Lager. Das ist durchaus zu begrüssen, denn in unserer direkten Demokratie brauchen wir einen möglichst ergiebigen politischen Streit, der alle relevanten Argumente beinhaltet.

Dass die Debatte bei kontroversen Fragen hitzig und emotional verläuft, ist normal. Doch bei der Konzernverantwortungsinitiative schwingt noch eine zusätzliche Dimension von Informationen und Behauptungen mit, die weit über das rein Emotionale hinausgehen: Das Nein-Lager verbreitet seit Monaten Informationen, die in erster Linie manipulativen und verwirrenden Charakter haben. Es geht darum, mit rhetorischen Tricks und irreführenden Behauptungen, losgelöst von Sachfragen, Stimmung gegen die Vorlage zu machen.

Ein besonders bizarres Beispiel für eine solche manipulative Behauptung ist der Vorwurf, die Initiative sei eine Form von «Kolonialismus» und «Imperialismus». In der Zeitung «Finanz & Wirtschaft» beklagt Redaktor Peter Morf, dass die Initiative an «alte koloniale Gepflogenheiten» erinnere. Der Unternehmer Peter Gehler meint im Tages-Anzeiger, dass der «kolonialistische Geist» der Initiative besonders verwerflich sei. Und Bundesrätin Karin Keller-Sutter kritisiert im «Blick», dass die Forderung, internationale Standards sollten durchgesetzt werden, eine «koloniale Sichtweise» sei.

Der Kolonialismus-Vorwurf hat mehr als nur einen Beigeschmack von Orwell’schem Neusprech.

Der Kolonialismus-Vorwurf ist doppelt absurd: Einerseits bezweckt die Initiative ja genau, Unterdrückung und Ausbeutung der Schwachen zu stoppen. Und andererseits geht es nicht um Schweizer Recht, das anderswo durchgesetzt werden soll, sondern um internationale Menschenrechts- und Umweltstandards. Der Kolonialismus-Vorwurf hat mehr als nur einen Beigeschmack von Orwell’schem Neusprech: Kolonialismus ist also jetzt, wenn man wirtschaftliche Ausbeutung bekämpft und den Schwachen mehr Rechte geben will.

Ein anderes prominentes manipulatives Argument des Nein-Lagers ist der Vorwurf, die Konzernverantwortungsinitiative sei «zu moralisierend». Gerhard Schwarz, der langjährige Wirtschaftschef der NZZ, wirft der Initiative «moralische Überheblichkeit» vor und sieht das Ja-Lager als die tatsächlich Unmoralischen. Bundesrat Ueli Maurer wird es ob der «Arroganz» der Initiative «fast schlecht», denn es passe doch nicht zur Schweiz, dass wir auf der ganzen Welt moralisierten. Und Bundesrätin Karin Keller-Sutter gab in der NZZ zu verstehen, dass sie das «zunehmend Moralisierende» störe, denn das sei ein «Totschlagargument»; man müsse die Welt einfach nehmen, wie sie sei. Der Moralismus-Vorwurf ist ein absurdes Stammtisch-Argument: Die Initiative erhebt tatsächlich moralische Vorwürfe – aber anstatt auf die konkreten Vorwürfe einzugehen, wird beklagt, dass die moralische Kritik an sich das eigentliche Problem sei. Man stelle sich derartige Logik in einem anderen Kontext vor: Ein Mann bringt seine Kinder um, seine Frau ist am Boden zerstört. Darauf meint der Mann, das *eigentliche* Problem an der Situation sei dieses unsägliche Moralisieren der Frau.

Glauben die Gegnerinnen und Gegner ehrlich an die Dinge, die sie behaupten?

Solcher Argumentation, die am eigentlichen Thema vorbeischiesst, könnte man halbwegs wohlwollend begegnen, wenn sie aufrichtig wäre. Glauben die Gegnerinnen und Gegner ehrlich an die Dinge, die sie behaupten? Vielleicht ja. Doch diese wohlwollende Deutung wirkt etwas unplausibel, wenn man genauer unter die Lupe nimmt, woher die manipulativen Argumente genau stammen.

Die kommunikativen Fäden im Nein-Lager ziehen Economiesuisse und die PR-Agentur furrerhugi. Economiesuisse ist um das offizielle Nein-Komitee besorgt, und furrerhugi zeichnet für succèSuisse (das Wirtschaftskomitee «Nein zur UVI») und für das Ethik-Komitee gegen die Konzernverantwortungsinitiative verantwortlich. furrerhugi betreibt zudem das leicht dystopisch anmutende Portal Argumentator, wo man sich «personalisierte Argumente» gegen die Konzernverantwortungsinitiative zusammenstellen lassen kann, sowie den «KVI-Faktencheck», wo vermeintlich neutrale «Fakten, Informationen und Argumente» zur Initiative zusammengetragen sind. In Tat und Wahrheit sind es einfach Nein-Argumente.

Mit anderen Worten: Wir haben es mit professioneller Propaganda zu tun.

Auf all diesen Portalen finden sich just jene wirren und verwirrenden Argumente, welche das Nein-Lager seit Monaten öffentlich kundtut. Das legt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Argumenten nicht um ehrliche Überzeugungen handelt, sondern um eine konzertierte Kommunikationsstrategie, welche manipulieren, verwirren und Zweifel sähen soll. Mit anderen Worten: Wir haben es mit professioneller Propaganda zu tun.

furrerhugi scheint in dieser Propaganda-Schlacht der wichtigste Player zu sein. So hat die PR-Agentur Anfang November Harouna Kaboré, den Handelsminister von Burkina Faso, nach Bern eingeflogen, um Propaganda zu verbreiten. Der «Blick» ist auf die PR-Veranstaltung aufgesprungen und hat Kaborés Behauptungen (inklusive Kolonialismus-Vorwurf) unkritisch wiedergegeben. Der Witz am Ganzen: Wenn furrerhugi nicht gerade Propaganda gegen die Konzernverantwortungsinitiative herstellt, verrichtet die Agentur unter anderem PR-Arbeit für den Rohstoffgiganten Glencore, dessen umfassend dokumentierte Menschenrechtsverletzungen der eigentliche Stein des Anstosses für die Konzernverantwortungsinitiative waren.

Es geht überhaupt nicht mehr um rationale Argumente, sondern um möglichst wirksame Manipulation und Verwirrung.

Economiesuisse warnt vor einer «Amerikanisierung» mit Schadenersatzklagen in exorbitanter Höhe, falls die Initiative angenommen wird. Das ist zwar nur ein weiteres inhaltsleeres Propaganda-Argument, aber der Abstimmungskampf beschert uns tatsächlich eine Amerikanisierung: Es wird nicht einfach mit harten, aber ehrlichen Bandagen gekämpft, sondern mit professioneller, auf Hochglanz polierter politischer Propaganda. Dabei geht überhaupt nicht mehr um rationale Argumente und Bezug zur Realität, sondern um möglichst wirksame Manipulation und Verwirrung. Das mag kurzfristig wirken (und die Kassen von furrerhugi füllen), aber wozu ein von derartig arglistiger Propaganda infizierter öffentlicher Diskurs führt, offenbart ein Blick über den grossen Teich.

An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, wie es denn hinsichtlich Propaganda im Ja-Lager aussieht. Sitzen dort nur Engel, die immer ehrlich und aufrichtig kommunizieren? Nicht ganz: Das Ja-Komitee hat Anfang November zwei Interviews mit Dick Marty, Co-Präsident des Initiativkomitees, als Flyer verschickt – im Layout von «Schweizer Illustrierte» bzw. «Le Matin Dimanche», wo die Interviews ursprünglich veröffentlicht wurden. Der Absender stand nur im Kleingedruckten. Inhaltlich fand keine Manipulation statt, aber es konnte der Eindruck entstehen, dass die zwei Medientitel Werbung für die Initiative machen wollten. Diese Episode hat definitiv einen etwas fahlen Beigeschmack. Propaganda ist diese Aktion aber kaum, schon eher Kommunikationsguerilla.

Zum Podcast:

Leserbeiträge

Ursula Schmid 14. November 2020, 09:19

Danke für Ihren Podcast. Zu korrigieren ist: Bundesrätin Karin Keller-Sutter ist nicht Juristin.

Marko Kovic 14. November 2020, 09:41

Grüezi Frau Schmid

Merci viel Mal für den Hinweis! Ein peinlicher Fehler – Frau Keller-Sutter ist natürlich Justizministerin, nicht Juristin…

Wir haben die betroffene Stelle aus der Folge rausgeschnitten und die Anpassung bei den Errata auf der Podcastseite festgehalten:
https://dasmonokel.xyz/infos/

Mit bestem Gruss
Marko Kovic