Kultz, Blick TV, Nebelspalter
The Good – «Kultz» will den Kuchen sprengen
Der Frühling bringt 2021 gleich zwei Medien, die Journalismus mit Satire verbinden. Das sympathischere ist die Neugründung «Kultz». Ein Onlinemagazin, das von Luzern aus die Zentralschweizer Kulturlandschaft beleuchtet. «Uns interessiert nicht nur Spartenkultur, sondern auch Traditionelles und Kommerz», sagt Co-Redaktionsleiterin Jana Avanzini. «Wir wollen den Kuchen sprengen.»
Diese Woche wurde bekannt, dass das Team komplett und die Finanzierung gesichert ist. Gut 34’000 Franken kamen im Crowdfunding zusammen; Stiftungen und öffentliche Hand leisteten Anschubfinanzierung. Langfristig will «Kultz» mit Mitgliedschaften à 50 Franken pro Jahr überleben.
Während die Zentralschweiz zuvor ohnehin satirisches Brachland war, darbt auch der Journalismus. Aus Luzern und Zug berichtet neben den CH-Media-Kopfblättern das Online-Portal «Zentralplus». Doch dieses versteckt seine wenigen Beiträge zu Kultur-Themen zwischen Eishockeyberichten im Ressort «Freizeit».
Bei «Kultz» sollen auch Ob- und Nidwalden, Uri, Schwyz und die ländlichen Regionen in Luzern Raum bekommen. «Es ist traurig, was den Zentralschweizer Medien passiert ist», sagt Avanzini. In Nidwalden, wo sie aufgewachsen ist, sei es besonders schlimm. «Wenn nur ein meist unkritisches Blatt bleibt, wird der Diskurs eindimensional. Den Leuten fehlt das. Sie bekommen dann bei jeder kritischen Frage einen halben Herzinfarkt.» Das gelte nicht nur für die Kulturberichterstattung. Aber dort tritt «Kultz» nun an.
The Bad – Ringiers Interesse spielt «keinen Rugel»
Die Sendung «Blick-Abstimmungs-Kampf» ist das Pendant zur SRF «Arena» bei «Blick TV». Moderator Jonas Projer heizt dort gerne die Stimmung an, mässigt seine Gäste nur scheinbar, um dann selbst noch einen draufzusetzen. Was für den Diskurs kaum konstruktiv ist, bekommt in der aktuellen Sendung zum E-ID-Gesetz, das in Ringiers kommerziellem Interesse ist, einen zusätzlichen Beigeschmack.
Zu Beginn sagt Projer zwar, die Interessen des Verlags spielten «auf der Redaktion keinen Rugel». Aber er wirkt trotzdem weniger wie ein Moderator als ein Pressesprecher des Ringier-CEO. «Sie schaden den Schweizer Firmen, die endlich vorwärtsmachen wollen mit der Digitalisierung», wirft Projer dem E-ID-Kritiker Jörg Mäder vor. «Ou, ou, ou Herr Noser – jetzt hat er mich fast ein wenig überzeugt», leitet er später zum Befürworter über.
Projer weilt in den Ferien und will deshalb nicht selbst Stellung nehmen. Die «Blick»-Gruppe berichte über die E-ID-Abstimmung ebenso unabhängig, wie sie es «in ihrer redaktionellen Berichterstattung generell tut», heisst es bei der Medienstelle. Projers Sendung sei dafür «der beste Beweis»: Ein Befürworter und ein Gegner erhalten je sieben Minuten Redezeit.
Die polarisierende Moderation ist nicht der entscheidende Grund, weshalb der «Blick Abstimmungskampf» Klicks bringt: In jeder Sendung wird per Onlineabstimmung ein Zeitungsinserat verlost. Die beiden politischen Lager teilen den Link eifrig. Die E-ID-Gegner*innen entschieden das Voting für sich. Darum fand sich im «Blick» vom Freitag deren Inserat.
Auf der Folgeseite stand ein 8000-Zeichen-Interview, in dem Bundesrätin Karin Keller-Sutter für die E-ID weibelte und auf Blick.ch findet sich am Freitagmorgen ein Native-Ad für das E-ID-Gesetz prominent auf der Startseite. Vor ein paar Wochen ist auch ein kritischer Artikel zur E-ID im «Blick» erschienen.
The Ugly – Massnahmengegner in Schlüsselpositionen
Das andere Medium, das ab diesem Frühjahr Satire und Journalismus verbinden will, ist Markus Somms «Nebelspalter». Wie man jetzt weiss, sitzen dort Kritiker der Corona-Massnahmen in Schlüsselpositionen. Somm selbst äusserte im Januar in Reto Brennwalds Talk-Sendung auf «Presse-TV» sein «Gefühl», die Krankheit werde «im April bald einmal einfach weggehen». Wegen der Impfrate und der Immunität.
Am Dienstag machte Brennwald öffentlich, dass er künftig einen wöchentlichen Talk auf nebelspalter.ch moderiert. Brennwalds Haltung ist bekannt. Die Selbstbezeichnung des Moderators lautet «ein Journalist, der Corona-Skeptikern Raum gewährt».
Seit Donnerstag weiss man auch, dass der langjährige «Nebelspalter»-Chefredaktor Marco Ratschiller – anders als angekündigt – seine Position als Leiter der gedruckten Ausgabe abgibt, sobald Somm startet. Seine Position übernimmt der Satiriker und bisherige «Nebelspalter»-Produzent Ralph Weibel.
Weibel fantasiert in einem seiner neusten Beiträge darüber, wie man im zehnten Jahr der Pandemie feststellen werde, dass man sich mit den Corona-Massnahmen «aus Angst vor dem Sterben, zum kollektiven Selbstmord entschlossen» habe. Die Frage, ob Corona-Tote im Risikogruppenalter «schlimm oder nicht schlimm» seien, habe die Gesellschaft gespalten. «Für die einen durfte sie überhaupt nicht gestellt werden, die anderen wurden als Coronalügner verunglimpft.» Das gibt einen Vorgeschmack, welche Satire bald in den Wartezimmern dieses Landes aufliegt. Wie hingegen der künftige «Nebelspalter»-Bundeshauskorrespondent Serkan Abrecht zum Umgang mit der Pandemie steht, ist nicht bekannt.
Christian Hug 22. Februar 2021, 17:18
Die Hauptnavigation von zentralplus führt die Hauptbereiche News, Leben, Arbeiten, Freizeit. Kultur ist für uns ebenso wie Sport ein Teil davon und rechtfertigt keinen eigenen Bereich, wie dies der Autor offenbar gerne hätte. Die These, dass wegen der Navigation von zentralplus der Journalismus in der Zentralschweiz darben soll, ehrt uns zwar – wir finden sie dennoch nicht ganz stringent. Und ganz nebenbei: Mit jährlich gegen 250 eigenen Geschichten zu und über Kultur (Jahr 2020) bedienen wir auch dieses Segment ganz ordentlich.
Den Kolleginnen und Kollegen von Kultz wünschen wir mit ihrem Baby einen guten Start und viel Durchhaltevermögen.