UKW für den Notfall: Digitalradio bleibt analog
Bis in zwei Jahren hat UKW für die Übertragung von Radioprogrammen in der Schweiz ausgedient – nicht aber für die Alarmierung der Bevölkerung bei Katastrophen. Das wird nicht ganz einfach zu vermitteln sein.
Frage an Radio Eriwan: Hat UKW eine Zukunft? Antwort: Im Prinzip ja, aber nur wenn man mit dem Schlimmsten rechnet.
Eigentlich lautet die Botschaft unmissverständlich: Die Radiozukunft ist digital. Bis Anfang 2023 wird in der Schweiz die Verbreitung von Radioprogrammen via UKW komplett eingestellt und auf DAB+ Digitalradio umgestellt. Auf diesen Abschaltplan hat sich die Radiobranche geeinigt. Das zuständige Bundesamt für Kommunikation Bakom betrachtet ihn als «verbindliche Verpflichtung».
Damit diese Umstellung gelingt, gibt der Bund seit Jahren viel Geld aus für Informationskampagnen. Mit Plakaten und Inseraten, online und in Radio und Fernsehen bemüht sich der Bund, das Radiopublikum «zum Umstieg auf den digitalen Empfang zu bewegen». Das gelingt ganz gut. UKW ist ein Auslaufmodell. So hören aktuell nur noch 12 Prozent der Schweizer Bevölkerung Radio ausschliesslich über UKW.
Doch nun kommt eine knifflige Komponente in die Kommunikation: UKW ist zwar ein Auslaufmodell für den Empfang von Radioprogrammen, aber für die Information der Bevölkerung bei Katastrophen bleibt die vermeintlich veraltete Technologie weiterhin im Einsatz. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS bereite Kommunikationsmassnahmen vor, um die Bevölkerung zu instruieren, teilt BABS-Sprecher Andreas Bucher auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit.
Die Botschaft wird nicht ganz einfach zu vermitteln sein, dass man weiterhin ein funktionstüchtiges UKW-Radiogerät bereithalten soll für den Fall der Fälle.
Auch nach der Umstellung des Radiobetriebs auf DAB+ Digitalradio wird der Bund ein UKW-Notsendernetz unterhalten, das hochgefahren würde, wenn alle anderen Kommunikationskanäle versagen. Zum Einsatz käme es etwa bei einem grossflächigen und länger andauernden Stromausfall oder wenn die Bevölkerung die Schutzräume aufsuchen muss. Mit UKW kann ein Notprogramm auch durch dicken Beton hindurch empfangen werden, was mit DAB+ nicht möglich wäre.
Dass UKW ein zweites Leben erhält, war nicht immer klar. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS prüfte auch die Umstellung auf DAB+ oder auf Internet-Streaming. Ebenso stand eine ersatzlose Abschaltung des Notfallradios zur Diskussion. Doch am Ende blieb man beim Bewährten. «Die aktuelle UKW-Lösung erfüllt weiterhin die Anforderungen», schreibt BABS-Sprecher Bucher auf Anfrage.
So überlegen die Lösung mit UKW auf der Senderseite sein mag, so suboptimal erweist sie sich auf der Empfängerseite.
«In der Notfallvorsorge ist es grundsätzlich problematisch, auf ein System zu setzen, das nur im Katastrophenfall zum Einsatz kommt», stand vor zwei Jahren in einem Fachartikel des BABS zur Frage «Wie weiter mit dem Notfallradio?».
Ganz so problematisch präsentiert sich die Situation allerdings nicht. Denn heute verfügt praktisch jedes Radiogerät für den Empfang von DAB+ Digitalradio auch die Möglichkeit, auf UKW umzuschalten. Im Katastrophenfall müsste also nur ein Hebel am Radiogerät umgelegt werden.
Wie lange UKW als Notfallradio weitergeführt wird, ist heute nicht klar. Vorerst bis 2027. Allerdings wird sich auch darüber hinaus an der Ausgangslage nichts grundlegend ändern. Nur mit UKW-Radio hat der Bund einen «von Dritten entflochtenen Informationskanal, der in allen Lagen einsatzbereit ist und es den Behörden erlaubt, sich direkt an die Bevölkerung zu wenden». Und genau das ist in einer Krisen- oder Katastrophensituation unabdingbar.
marc 12. April 2021, 18:46
Der Satz „So überlegen die Lösung mit UKW auf der Senderseite sein mag, so suboptimal erweist sie sich auf der Empfängerseite.“, ist schlicht und einfach falsch. UKW-Radios gibt es zuhauf für Batteriebetrieb (oder sogar mit Kurbel!). DAB-Empfänger hingegen sind üblicherweise für 230V-Betrieb.
Und da liegt eines der grossen Probleme: Notfall-Radio im Krisenfall muss auch dann möglich sein, wenn keine Stromversorgung mehr vorhanden ist! Und wie vielleicht noch bekannt ist, auch im Schutzraum funktionieren.
Es ist also gerade umgekehrt: DAB-Empfänger sind für den Krisenfall nicht geeignet.
Nick Lüthi 12. April 2021, 22:14
Wenn aber die Programmverbreitung über UKW eingestellt wird, was ja demnächst geschehen soll, gibt es keinen Grund mehr, ein UKW-Radio betriebsbereit zu halten – ausser für den Notfallzweck. Ob das die Leute tun werden, oder ob sie die Geräte nach und nach entsorgen, weiss heute noch niemand.