Meinungsfreiheit für alle – ausser für die anderen
Jene Medien, die am lautesten vorgeben, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, sind oft dieselben, die andere Meinungen nur schlecht ertragen. Ein Kommentar.
«Diese virtuelle Gegendemonstration wäre grundsätzlich in Ordnung, wenn sich nicht ein erstaunlich grosser Teil des Protests gegen die Meinungsfreiheit Andersdenkender richtete.» Mit diesen Worten bekundete die Inlandchefin der NZZ ihren Unmut über die Kritik an der Corona-Demonstration in Liestal durch die Gegenbewegung #NoLiestal.
Ein weiteres flammendes Plädoyer der NZZ für die Meinungsfreiheit. Was die Autorin dieses Kommentars geflissentlich übersieht: Auch die Kritik an den Corona-Demonstrationen ist eine Meinungsäusserung und damit durch die Verfassung geschützt. Ihre Argumentation verkommt zu einer Worthülse. Denn es gibt wohl ein Recht auf freie Meinungsäusserung – aber es gibt kein Recht, nicht kritisiert zu werden.
Die Empörung darüber, dass die Meinungsfreiheit und damit unsere Demokratie in Gefahr sein könnte, schürt Emotionen.
Deshalb funktioniert dieses Totschlagargument, das übrigens auch oft von Corona-Skeptikerinnen bemüht wird, recht gut. Dabei ist es grundsätzlich ein gutes Zeichen, wenn auf provokative Aussagen (egal von welcher Seite) Kritik folgt. Es zeigt eben genau, dass unsere Demokratie funktioniert.
Die NZZ ist nicht die einzige Zeitung, die dieses Scheinargument regelmässig heranzieht, um ihrer Ansicht nach zu Unrecht kritisierte Meinungen in schriller Rhetorik gegen den «brutalen Kannibalismus der Gutmenschen», die «hysterische Political Correctness» und den «Terror der Wahrheit» zu verteidigen. Hoch im Kurs ist die Instrumentalisierung der Meinungsfreiheit und das Anprangern einer angeblichen «Cancel Culture» selbstverständlich auch bei der «Weltwoche».
Gebrauch von seinem Recht auf freie Meinungsäusserung im Zusammenhang mit der Corona-Demonstration in Liestal machte «Arena»-Moderator Sandro Brotz.
Am 20. März 2021 schrieb Brotz auf Twitter: «Jene, die gegen Corona-Massnahmen demonstrieren, sind dieselben, die nicht dagegen demonstrieren müssten, wenn sie die Massnahmen konsequent einhielten.» Und: «Aber das ist dann wohl zu hoch für Flat-Earther.»
Der zweite Teil seines Tweets war unnötig. Und er gibt berechtigten Anlass zur Diskussion darüber, ob ein SRF-Moderator eine solche pauschale Aussage veröffentlichen soll. Brotz steckte dafür einiges an Kritik ein (und nahm später gegenüber Watson auch Stellung dazu). Doch auf Brotz’ Tweet folgte nicht nur Kritik, sondern auch Hass. Viel Hass. Am 29. März zog sich Brotz aus den Sozialen Medien zurück. Die Begründung: «Zu viel Hass im Netz.»
Wenn wir davon ausgehen, dass sich eine «NZZ» oder eine «Weltwoche» ernsthaft um die Meinungsfreiheit sorgt, dann wäre jetzt die naheliegende Frage: Wo sind ihre Stimmen, wenn tatsächlich ein digitaler Mob auf jemanden losgeht, nachdem dieser seine Meinung geäussert hat? Antwort: Die NZZ ist still. Keine einzige Meldung zu den Vorkommnissen (Stand: 31. März). Die «NZZ am Sonntag» betitelte Brotz als «Oberlehrer» mit «bislang intellektuell dürftigem Meinungseifer». Und die «Weltwoche» bezeichnete Brotz als «die fatalste Fehlbesetzung, die sich SRF je geleistet hat».
Die grössten «Verteidiger» der Meinungsfreiheit verteidigen diese offenbar nur, wenn es um ihre eigene Meinung geht.
Victor Brunner 06. April 2021, 09:02
Warum wurde nicht der zweite Teils von Brotz Tweet abgebildet wo er Teilnehmer der Demo Vollidioten nennt? Brotz ist Brandstifter und wie viele von den Social Medias überfordert. Vielleicht sollte Brotz vor dem twittern gebrieft werden, wie bei der Arena, wo ihm Vorbereiter und Einflüsterer zur Seite stehen!.
Janina Fischer 07. April 2021, 09:39
Guten Tag Herr Brunner. Danke für Ihren Kommentar. Meinen Sie die Aussage «Aber das ist dann wohl zu hoch für Flat-Earther»? Dieser zweite Teil des Tweets ist im Text abgebildet und thematisiert.
Victor Brunner 07. April 2021, 10:28
Nach Flat-Earther kommen doch noch die Vollidioten!
Remo Schenker 12. April 2021, 22:06
Wenn Sie Leute als Flat-Earther und Vollidioten bezeichnen, müssen Sie keine Streicheleinheiten erwarten. Wäre dieser Tweet früher ein Leserbrief gewesen, hätte man ihn garantiert nicht gedruckt. Als Angestellter des Zwangsgebühren-Fernsehens sollte man bei seiner Wortwahl nicht unter ein bestimmtes Niveau fallen. Wie heisst es so schön in der Bibel: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Nicht nur die Meinungsfreiheit ist bedroht, auch die Meinungsvielfalt. Dass die meisten Journalisten/-innen eine klare politische Schlagseite nach links haben und seit geraumer Zeit mehr Meinungs- statt Informationsjournalismus betreiben, hilft der Meinungsvielfalt ganz sicher auch nicht. Beleidigungen, Hass-Nachrichten und Drohungen sind heute leider «normal» geworden. Das ist sehr bedauerlich.