von Benjamin von Wyl

The Good, The Bad & The Ugly XXXV

Baba News, Fetisov Journalism Awards, Ringier

The Good – «Baba News» hat’s geschafft

Schon im ersten «Baba News»-Video von vor drei Jahren steckt so viel, was man zuvor kaum je in einem Medium hören oder lesen konnte: Die Schweizer Fussballnationalspielerin Jehona Mehmeti sucht nach Gründen, weshalb Rassismus im Männerfussball Alltag, bei den Frauen aber kein Thema ist. Ein Schwarzer Fachmann Betreuung erzählt, dass er bei der Arbeit oft Menschen mit psychischen Problemen begegne, die rassistische Dinge sagen. Da stelle sich dann die Frage, ob sie etwas nachplappern oder auch so meinen.

Die «Baba News»-Beiträge sind nicht wegen Primeurs so exklusiv, sondern weil diese Perspektiven sonst kaum vorkommen: «Aus dem Inneren einer multiethnischen Community – für alle» lautet der Selbstanspruch.

Immer in Mundart, lebensnah, in drei bis fünf Videos pro Monat. Obwohl der erfolgreichste Beitrag eine halbe Million Mal geschaut wurde und trotz Stiftungs- und öffentlichen Geldern arbeitete das Team um Chefredaktorin Albina Muhtari bisher weitgehend ehrenamtlich. Jetzt soll sich das ändern: Das Crowdfunding, das am Donnerstag zu Ende gegangen ist, sichert nun bescheidene 4000-Franken-Monatslöhne für ein halbes Jahr.

The Bad – Der Milliardär und sein Journalismuspreis

Am Donnerstag fand im Dolder Grand Hotel in Zürich die Verleihung der zweiten Fetisov Journalism Awards statt. Zwölf journalistische Beiträge teilen sich ein Preisgeld von rekordhohen 520’000 Franken, gestiftet vom russischen Milliardär Gleb Fetissow.

Gewonnen haben viele Recherchen aus dem globalen Süden und aus der Schweiz ein Swissinfo-Longformbeitrag über Goldgeschäfte in Peru. Zwei der Ausgezeichneten gewannen schon im Vorjahr. Was keine statistische Unmöglichkeit ist, denn nun waren es 283 Einsendungen aus 77 Ländern und 2019 gemäss Veranstalter etwas mehr als halb so viele. Zum Vergleich: 1612 Einsendungen bewarben sich 2017 für den Deutschen Reporter:innenpreis. Die Selbstbezeichnung «grösster Preis in der Geschichte des internationalen Journalismus» trifft also weiterhin bloss mit Blick auf die Preisgeldsumme zu.

Nachdem bei der ersten Verleihung keine berichtenden Journalist*innen teilnehmen durften, konnte man sich dank der Pandemie nun bequem in den Stream einloggen. «Eine neue Weltordnung entwickelt sich», begrüsste Finanzier Fetissow im Dolder. In der englischen Rede sprach er sich für Pressefreiheit und gegen Desinformation aus.

Er sagte aber auch Sätze, bei denen unklar blieb, wie sie gemeint sind: «Neue journalistische Formen bedingen ideologische Gehirnwäsche.» Am Ende der 100-minütigen Veranstaltung bedankte sich der Moderator mit «profundester Wertschätzung» unterwürfigst bei «Gleb Fetissow und seiner Familie».

Immerhin: In der kommenden FJA-Ausschreibung fällt ein Hinderungsgrund weg, sich für den Preis zu bewerben: Die «Forza Italia»-Politikerin und frühere Berlusconi-Sprecherin Deborah Bergamini sitzt nicht mehr in der Jury. Sie ist seit März italienische Staatssekretärin.

The Ugly – Nichts Neues vom Ringier-Boulevard

Schon vor zwei Jahrzehnten handelten Ralph Donghis Artikel im «Blick» von Sex, Gewalt und Verbrechen. Sein journalistischer Output blieb bis heute sprachlich und inhaltlich ähnlich primitiv. Dass er dabei oft rücksichtslos vorgeht und sich an der Grenze zur Legalität bewegt, ist dokumentiert. Diese Woche machte CH Media bekannt, wie Ringier jüngst vor Gericht bis zum Schluss «uneinsichtig» blieb, dass mehrere «Blick»-Artikel die Persönlichkeitsrechte von Kindern, die Opfer von sexuellem Missbrauch wurden, verletzt haben. Am Obergericht handelte Ringier dann die Genugtuung von 20’000 auf 10’000 Franken runter.

Ein Zigfaches dieser Einsparung zahlt Ringier wohl der Daten-Firma Palantir für ihre Dienste. Über die «unheimliche US-Firma» («Der Spiegel»), deren Aufbau von der CIA mitfinanziert wurde und die sich nun in der Steueroase Schwyz niederliess, berichteten «Ringier»-Medien schon immer zimperlicher als über Gewaltopfer: Der CEO sei «Inbegriff des Freidenkers» («Bilanz») oder «Datenzauberer von Palo Alto» («Blick»). Wie die WOZ in ihrer aktuellen Ausgabe thematisiert, sitzt seit Sommer auch eine Palantir-Managerin als einzige Frau im Ringier-Verwaltungsrat. Bereits seit zwei Jahren nutzen «bis zu 85 Prozent» der Journalist*innen im «Blick»-Newsroom ein Palantir-Daten-Tool, das die Artikelperformance analysiert, um «fundiertere Entscheidungen zu treffen, welche Inhalte am besten die Erwartungen der Leserinnen und Leser erfüllen». Es ist komisch: Was will der «Blick» seinen Journalismus mit immer mehr Daten entwickeln, wenn seine Witwenschüttlerfraktion seit Jahrzehnten das Gleiche treibt?