Presseförderung: von der Giesskanne zum Sprinkler
Wenn im kommenden Jahr über das millionenschwere Medienförderungspaket abgestimmt wird, interessiert vor allem, was das viele Geld zu bewirken vermag. Die bisherige Bilanz der indirekten Presseförderung sieht durchzogen aus.
Seit in der Schweiz eine indirekte Presseförderung existiert, wird über die Höhe der Subventionen für den Zeitungsvertrieb gestritten. «Immer wieder verlangten die Verleger günstigere Bedingungen», steht etwa in der bundesrätlichen Botschaft zur Änderung des Postverkehrsgesetz von 1951. Damals gab es die tarifliche Vorzugsbehandlung der Verlage bereits seit über hundert Jahren. Schon im ersten Posttaxengesetz des modernen Bundesstaates von 1849 stand die Taxermässigung für den Zeitungstransport festgeschrieben.
In der inzwischen mehr als 170-jährigen Geschichte der Presseförderung erhielt die Post mal grössere, mal kleinere Beträge zugesprochen, die sie den Verlagen als Rabatt auf die Kosten für die Zeitungszustellung weitergeben konnte. Das Modell hält sich bis heute.
Mit dem vom Parlament im letzten Juni beschlossenen Förderpaket erreichte der Subventionsbetrag einen neuen Höchstwert. Die Postzustellung von Zeitungen tagsüber und neu auch die Frühzustellung sollen während sieben Jahren mit insgesamt 90 Millionen Franken aus der Bundeskasse mitfinanziert werden; das sind pro Jahr 60 Millionen mehr als die bisherige Vergünstigung der Postzustellung.
Anders als bei früheren Erhöhungen des Subventionsbetrags hat diesmal die Stimmbevölkerung das letzte Wort. Ein Referendum aus Kreisen rechter Kleinverlage ist nach Angaben des Komitees am 8. September 2021 zustande gekommen. Die Beglaubigung der erforderlichen 50’000 Unterschriften steht noch aus.
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Die Gegner einer ausgebauten staatlichen Medienförderung kritisieren insbesondere eine, wie sie meinen, gefährliche Staatsabhängigkeit der Medien, oder wie sie im Argumentarium schreiben: «Die Staats-Subventionen bedeuten das Ende der freien und unabhängigen Medien in der Schweiz.»
Es steht zwar nicht zum Besten mit dem Journalismus, dies aber zuletzt wegen dem seit jeher subventionierten Zeitungsvertrieb.
Mit Blick auf die lange Geschichte der indirekten Presseförderung hiesse dies, dass schon heute und seit 172 Jahren der Grossteil der Schweizer Zeitungen nicht frei und unabhängig berichten können, weil sie der Staat am Gängelband führt. Das ist natürlich Unsinn. Es steht zwar nicht zum Besten mit dem Journalismus, dies aber zuletzt wegen dem seit jeher subventionierten Zeitungsvertrieb.
Etwas anders sieht es bei der geplanten Förderung von Online-Medien aus, wo das Geld direkt den Unternehmen zukommen soll. Doch die inhaltlichen Vorgaben eignen sich keineswegs, um die Berichterstattung zu beeinflussen und die Unabhängigkeit zu gefährden. Bei den privaten Lokalradios und Regionalfernsehen, die weit strengere Anforderungen zu erfüllen haben, damit sie Gebührengeld erhalten, spricht schliesslich auch niemand von «Staatssendern».
Das Problem der Medienförderung ist daher nicht die Gefahr der Staatsabhängigkeit, sondern wenn schon die Wirkungslosigkeit hinsichtlich des politischen Ziels, dank der Subventionen die Presse- und Meinungsvielfalt zu erhalten.
«Wenn der Bund die notleidende Lokal- und Regionalpresse unterstützen soll, müsste das mit gezielten Beiträgen erfolgen.»
Bundesrat zur Presseförderung 1999
In seinem Bericht «über die Prüfung der Bundessubventionen» hielt der Bundesrat bereits 1999 unmissverständlich fest: «Dieser Mitteleinsatz ist ineffizient. Wenn der Bund die notleidende Lokal- und Regionalpresse unterstützen soll, müsste das mit gezielten Beiträgen erfolgen. Auf diese Weise könnte mit bedeutend weniger Mitteln mehr erreicht werden. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, dass diese Giesskannensubvention so rasch wie möglich durch eine effizientere Lösung zu ersetzen ist.»
Zu einem ähnlich kritischen Befund kam elf Jahre nach dem Bundesrat auch eine Studie im Auftrag des Departements Uvek. In einer «Evaluation der Presseförderung» anerkannte 2010 das private Forschungsinstitut Ecoplan zwar, dass das Geld «für die Regional- und Lokalpresse einen wichtigen Beitrag» darstelle. Ohne Subventionen müssten die Abopreise entsprechend angehoben werden, was einen Leserschwund zur Folge hätte. Aber die «Wirksamkeit der Presseförderung hinsichtlich der politischen Ziele der publizistischen Vielfalt sowie der staatspolitischen Relevanz der Presse ist hingegen sehr begrenzt.» Als Mittel gegen Konzentration und Abbau sei die indirekte Presseförderung nicht wirksam genug.
Gerade für kleinere und mittelgrosse Verlage bietet das Fördergeld eine wichtige und willkommene Entlastung.
Dass die Politik dennoch bis heute daran festhält, liegt vor allem daran, dass es dazu keine «glaubwürdige Alternative» gibt. Als der Bundesrat 2012 ein Sparpaket schnürte, stand auch die Presseförderung auf der Streichliste. Das Parlament pfiff aber die Regierung zurück und hielt an der indirekten Presseförderung fest – solange eben «keine glaubwürdige Alternative gefunden ist».
Gerade für kleinere und mittelgrosse Verlage, deren Kosten für den Zeitungsvertrieb trotz Ausdünnung des Abonnentenstamms gleich bleiben, bietet das Fördergeld eine wichtige und willkommene Entlastung.
Wenn die Grossverlage schon vom Geldsegen aus Bundesbern mitprofitieren, interessiert natürlich, welche Leistungen sie dafür erbringen.
Von den Subventionen profitieren aber auch ertragsstarke Unternehmen, die eine finanzielle Entlastung gar nicht nötig hätten, allen voran die TX Group / Tamedia. Eine Auswertung der MEDIENWOCHE der bis dahin nicht öffentlich zugänglichen Zahlen zur indirekten Presseförderung zeigte 2016, dass die damalige Tamedia in der Periode 2013/14 den grössten Rabatt auf den Vertrieb ihrer Zeitungen erhielt. Daran dürfte auch das vom Parlament beschlossene degressive Modell nichts ändern, wonach «die Ermässigungen tiefer sind, je höher die Auflage ist».
Wenn die Grossverlage schon vom Geldsegen aus Bundesbern mitprofitieren, interessiert natürlich, welche Leistungen sie dafür im Sinne der «Erhaltung einer vielfältigen Regional- und Lokalpresse» zu erbringen gedenken. Schliesslich standen und stehen auch bei Tamedia und CH Media die Zeichen in den letzten Jahren auf Abbau und Konzentration. Vermag die Medienförderung daran etwas zu ändern?
Für Tamedia antwortete auf eine entsprechende Anfrage der MEDIENWOCHE Unternehmenssprecherin Nicole Bänninger: «Wenn wir mehr finanzielle Mittel erhalten, werden wir dies in unserer Planung berücksichtigen. Die Presseförderung hilft, Risiken abzudecken, wir dürfen uns aber nicht darauf abstützen, sondern müssen aus eigener Kraft eine nachhaltige Geschäftsbasis herstellen.» Dass Tamedia darauf verzichtet, Redaktionen zusammenzulegen, wie das derzeit in Bern mit «Bund» und «Berner Zeitung» geschieht, oder sogar in den Lokaljournalismus investiert – Fehlanzeige.
Ähnlich liest sich die Stellungnahme von CH Media, was sie als Gegenleistung im Sinne des Subventionszwecks bieten würden. Sprecher Stefan Heini formuliert es so: «Wir beschäftigen rund 800 Journalistinnen und Journalisten in den Bereichen Print/Online, TV und Radio und zwar schwerpunktmässig im Lokaljournalismus. Die Presseförderung trägt zum Erhalt der Medienvielfalt bei und unterstützt die digitale Transformation dieser demokratierelevanten journalistischen Produkte.»
Die vom Parlament beschlossenen Massnahmen sind ein Kompromiss, respektive ein ganzes Bündel von Kompromissen.
Davon geht auch die für die Medien zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga aus. In den Beratungen zum Medienförderungspaket sagte sie sinngemäss, die Medien sollten mit der Bundeshilfe tragfähige Modelle aufbauen können in kommenden Jahren. Ob das mit der Aufrüstung von der Giesskanne zum Sprinkler besser gelingt als bisher, soll eine Evaluation der ausgebauten Medienförderung nach vier Jahren zeigen.
Die vom Parlament beschlossenen Massnahmen sind ein Kompromiss, respektive ein ganzes Bündel von Kompromissen. Gleichzeitig ist es auch das maximal Mögliche, das der verfassungsrechtliche Rahmen und die politischen Mehrheitsverhältnisse gegenwärtig zulassen. Eine zielgerichtetere Förderung journalistischer Leistung in Print- und Online-Medien, etwa nach dem Vorbild der Medienabgabe von Radio und Fernsehen mit Konzessionen und Leistungsaufträgen, wird es so schnell nicht geben in der Schweiz.