von Benjamin von Wyl

Szenen einer Familie: Die Lebruments und ihre Medien

Hanspeter Lebrument, der Patriarch der Schweizer Medienbranche, hat die Somedia-Geschäfte der nächsten Generation übergeben. Wie geht es dem Familienunternehmen und seinen Medien? Ein Besuch in Chur.

Auf der Vorderseite, bei der Autobahn, wirkt das Churer Medienhaus wie Teil der Agglo-Hölle. Doch die Glasfront im Büro von Susanne Lebrument eröffnet eine ganz andere Perspektive: Viel Grün, Berghänge, ein paar Schafe weiden, der Verkehrslärm bleibt ferne Erinnerung. Leider könne sie die Aussicht kaum geniessen, sagt die 49-jährige Medienmanagerin. Von ihrem Vater habe sie gelernt: «Immer unterwegs, immer bei den Kunden sein.» Sie weist der MEDIENWOCHE einen Platz zu in ihrem Büro und verschwindet noch einmal. «Konsolidierte Jahresrechnung» steht auf der Broschüre, die direkt vor dem zugewiesenen Platz liegt. Ein spannendes Dokument, denn Somedia hat zuletzt 2016 einen Jahresbericht mit Geschäftszahlen veröffentlicht. Doch die MEDIENWOCHE konnte der Versuchung widerstehen und macht Lebrument stattdessen zu Gesprächsbeginn auf die geheimen Zahlen aufmerksam.

Somedia ist wahlweise das kleinste der grossen Medienunternehmen oder das grösste unter den Kleinen.

«In Graubünden verarscht man sich einmal und dann nicht mehr», sagt Lebrument und womöglich erklärt das ihr Vertrauen. Wer von ausserhalb komme, staune über den Umgang mit Nähe und Distanz in Graubünden. Man lerne sich schnell kennen, trinke schnell ein Glas Wein zusammen, begegne sich freundschaftlich und sei aber auch gezwungen, intensiv zusammenzuarbeiten. Eine solche Umgebung präge auch die Redaktion. «Ob man dem nun professionelle Nähe oder Distanz sagen will: Trotz tiefgreifenden Geschichten hält das Verhältnis zu Politikerinnen, Politikern und zu den Behörden – trotz Themen wie dem Baukartell.»

Im Rest der Schweiz gilt vielen genau die Enthüllung des Bündner Baukartells als Beispiel dafür, dass es ein Medium von ausserhalb, eines mit grösserer Distanz brauchte, um die Geschichte aufzurollen. Die «Republik» hat doch das Baukartell aufgedeckt, oder? «Das ist der falsche Eindruck. Schon um 2012 begannen wir mit der Berichterstattung über den Baukartell-Skandal. 2015 haben wir das dann gross aufgezogen – aber sachlich, ohne den Whistleblower so in den Vordergrund zu zerren.»

Somedia beschäftigt gegenwärtig 650 Mitarbeitende. Zu Spitzenzeiten waren es tausend. Es ist wahlweise das kleinste der grossen Medienunternehmen oder das grösste unter den Kleinen. Möglichst kleingeredet hat der heute über 80-jährige Gründer Hanspeter Lebrument Somedia immer dann, wenn es darum ging, zu verdeutlichen, dass sein Unternehmen kein Monopolist sei und den von ihm gegründeten «Südostschweiz»-Zeitungsverbund nicht dominiere. In allen anderen Situationen sah Hanspeter Lebrument, Vorgänger von Pietro Supino als Präsident des Verlegerverbands, sein Unternehmen aber gerne bei den Grossen.

Bis ins Frühjahr 2018, solange die «Südostschweiz» zusammen mit den AZ-Zeitungen noch eine eigene Bundeshausredaktion beschäftigte, nahm man ihren Journalismus in der ganzen Schweiz wahr. Heute bestehen die Inland-Nachrichten der «Südostschweiz»-Zeitungen fast ausschliesslich aus Meldungen von Keystone-SDA. Die Agenturjournalist:innen werden sogar mit Namen genannt. Dass es sich dabei um Agenturmeldungen handelt, bleibt hingegen unerwähnt. Für die internationale Berichterstattung teilt sich die «Südostschweiz» Korrespondent:innen mit deutschen und österreichischen Zeitungen. So erreichen die Leser:innen im Einzugsgebiet von Rapperswil über Glarus bis nach Graubünden dieselben Berichte aus Europa und der Welt wie die Leser:innen der linken deutschen Tageszeitung «taz» oder des österreichischen «Standard».

Die Story von Hanspeter Lebrument, dem Outsider in Graubünden, der als Redaktor nach Chur kam und es bald zum Chefredaktor, bald zum Verleger brachte, ist oft erzählt worden – nicht zuletzt von ihm selbst. Lebrument, der in den 1970er-Jahren wegen der restriktiver Informationspolitik der Bündner Regierung bis vors Bundesgericht zog, gilt den einen als Held. Anderen war er ein Feindbild: Als «Speerspitze eines eindimensionalen Neoliberalismus» bezeichneten ihn die Mediengewerkschaften 1998 in einer vierseitigen Fake-Ausgabe der «Südostschweiz», welche die Gewerkschaften an alle Bündner Haushalte liefern liessen. Das Blättchen hiess «Monopolschweiz». Später galt er als «GAV-Killer» («Work», 2004), weil er den letzten Gesamtarbeitsvertrag der Medienbranche kippte.

Die Unabhängigkeit des Familienunternehmens wollen die Lebruments bewahren. Ob das gelingt?

Im «SRF Medientalk» befand man kürzlich, es sei ein Wunder, dass ein Haus wie Somedia noch unabhängig ist. Ob Wunder oder nicht: Die Geschichten vom «Lö», wie Hanspeter Lebrument genannt wird, sind auserzählt; jetzt steht die nächste Generation in der Verantwortung. Im September ist der Vater im Handelsregister als Präsident der Somedia AG gelöscht worden. Neu nimmt sein Sohn Silvio diese Funktion wahr; seine Tochter Susanne, die davor unter anderem die Bereiche «Anzeigen» und «Zeitungsverlag» leitete, wird Vizepräsidentin und Delegierte des Verwaltungsrats. Pesche, das dritte Kind, ist nicht in der Unternehmensleitung. Die Unabhängigkeit des Familienunternehmens wollen die Lebruments bewahren. Der MEDIENWOCHE sagt Susanne Lebrument: «Wir haben als Team definiert, das Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben.» Ob das gelingt? Sie sei optimistisch.

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Wenn man Susanne Lebruments Ausführungen folgt, dann blühen alle Geschäftsbereiche der Somedia-Gruppe: Der Ertrag aus dem klassischen Anzeigenmarkt gehe zwar zurück, aber Journalismus sei noch immer «auch finanziell eine tragende Säule». Im Zuge der Pandemie habe das Medienhaus grosse Solidarität von Anzeigenkund:innen wie Leser:innen erfahren – in manchen Monaten mit einer Abozunahme von 170 Prozent. Die Somedia Partner AG – die Druckerei, an der Somedia 33 Prozent hält
– sei trotz Rückgang im Druckgeschäft einträglich. Gerade habe man 16.5 Millionen Franken in eine neue Druckmaschine und in bauliche Massnahmen investiert. «Ob das die letzte neue Maschine sein wird, wird sich weisen», sagt sie. Die Somedia Promotion AG, die Werbevermarktung, laufe gut. Erfolgreich sei auch die Viaduct AG, in der die hauseigene Webagentur und Filmproduktion als Marketingagentur zusammengeführt sind. Anders als andere Medienhäuser, die IT und Services ins Ausland verlagert, wolle die Somedia-Gruppe in der Schweiz «Full Service» bieten. Damit das gelingen kann, bildet Somedia auch Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen, etwa die Speed U Up Suisse AG. Die auf Digitalmarketing im Alpentourismus spezialisierte Firma arbeitet unter anderem für «Graubünden Ferien» und Skigebiete wie Flims-Laax oder Zermatt.

Die EMS-Chemie ist bis heute Mehrheitsbesitzerin der Verlagsrechte des «Bündner Tagblatt», das auch zu Somedia gehört.

In Susanne Lebruments Feld fallen auch die «neuen Kinder» der Somedia-Gruppe, wie die 2020 gegründete SomediaLearning. «Lern- und Lehrmittel produzierten wir schon immer. Nun bauen wir das Feld im Digitalen aus», sagt Lebrument. Gegenwärtig arbeiten bei SomediaLearning zehn Leute, doch in seiner Branche soll das junge Unternehmen in die «Top drei der Schweiz kommen». Das Tochterunternehmen hat Büros in Zürich, «weil dort die grossen Unternehmen sind.» Aber auch in der Region gebe es Unternehmen, die für Lernvideos und -apps als Klient:innen attraktiv seien. «Bei uns nennen wir sie Hidden Champions: Wir haben in Graubünden eine EMS-Gruppe, eine Integra, eine Repower.» Über die Herausforderung, dass die «Südostschweiz» immer wieder über Klient:innen und wichtige Inseratekund:innen berichtet, sagt Lebrument: «Da sind wir in einem Boot mit allen Medienhäusern.» Dann erzählt sie eine Anekdote über Autojournalismus bei Tamedia in den 1980er-Jahren.

Dabei sucht die Konstellation von Somedia bis heute ihresgleichen: Einerseits ist die EMS Chemie als grösstes Unternehmen im Kanton ein wichtiger Inseratekunde und gleichzeitig Objekt der Berichterstattung. Andererseits ist die EMS-Chemie bis heute Mehrheitsbesitzerin der Verlagsrechte des «Bündner Tagblatt», das auch zu Somedia gehört. Das bestätigt der EMS-Generalsekretär gegenüber der MEDIENWOCHE. Zudem sucht die EMS-Unternehmerin Magdalena Martullo Blocher als SVP-Vizepräsidentin und -Nationalrätin die Öffentlichkeit.

Ehemalige Somedia-Redaktor:innen berichten, wie Martullo Blocher teilweise fordernd aufgetreten sei – etwa wenn sie zu einem bestimmten Thema interviewt werden wollte. Ihr jeweiliger persönlicher Assistent sei ausdauernd in den Kontaktversuchen per Telefon. Doch Eingriffe in die redaktionelle Unabhängigkeit habe es nie gegeben, höchstens vorauseilender Gehorsam der Redaktion.

Dieses Jahr hat Martullo Blocher in der Wochenendausgabe der «Südostschweiz» über das Geschäftsjahr der EMS Chemie und ihre Einschätzung der Bündner Regierung sprechen dürfen. In der «Südostschweiz» hat Martullo Blocher auch eine regelmässige Kolumne – ebenso wie linke Politiker:innen und Kulturschaffende. Im «Bündner Tagblatt» erschienen 2020 zwei grosse Interviews mit der SVP-Nationalrätin und ein historischer Artikel über die Geschichte ihres Unternehmens. Allesamt kamen diese auf Seite 3 – der dritten von drei Seiten, auf welchen sich das «Bündner Tagblatt» noch von den anderen Ausgaben der «Südostschweiz» unterscheidet. Verantwortlich für diese drei Seiten ist Pesche Lebrument. Dass er Chefredaktor des traditionell konservativeren «Bündner Tagblatts» ist, habe nichts mit seiner persönlichen Einstellung zu tun. Der MEDIENWOCHE beschreibt er seinen Alltag als Chefredaktor eines Blatts ohne eigene Redaktion so: «Auf die Front schauen, gucken, dass alle Gefässe da sind, die Kolumnisten betreuen, die Fotos und die Honorierung verwalten.» Daneben habe er «TV Südostschweiz» geprägt als Chefredaktor und Moderator.

«Er hat ein bedeutendes Medienhaus aufgebaut, der Mann, der auch mein Papa ist», sagt der Sohn in die Kamera. «Papa, gleich zum Einsteigen: Ist ein solches Interview aus einem journalistischen Standpunkt eigentlich seriös?» Das TV-Interview war diesen Sommer in «Südostschweiz Standpunkte» auf SRF zu sehen. Der Sohn ist Pesche Lebrument. Manche Momente im langen Gespräch lassen tief blicken in die hierarchisch wirkende Vater-Sohn-Beziehung. Vater Hanspeter Lebrument sagt: «Was wir haben, ist auch ein Familienunternehmen.» – «Mit dem Nachteil, dass während Jahrzehnten immer über das Geschäft gesprochen worden, das im Vordergrund gestanden ist…», will der Sohn dagegen halten – lässt sich aber wieder vom Vater unterbrechen: «Und mit dem Vorteil, dass man immer über etwas reden konnte!» Der Junge stimmt dem Alten kleinlaut zu. Die Idee für das Interview, in dem Hanspeter Lebrument unter anderem behauptet, es gebe gar nicht genug Inhalte für mehr als eine überregionale Zeitung in Graubünden, hatte Pesche Lebrument: Der MEDIENWOCHE schildert er begeistert, wie er sich von einem Interview, das CNN-Moderator Chris Cuomo mit seinem Bruder, dem New Yorker Ex-Gouverneur Andrew Cuomo, führte, inspirieren liess.

Wie so vieles in Graubünden miteinander verflochten ist, so ist diese Nähe auch im Churer Medienhaus räumlich spürbar.

Während Pesche Lebrument in die Ferne schweift, ist die Somedia-Gruppe in der Region vielfältig eingebunden. Jahr für Jahr gehört sie zu den Hauptsponsoren des Wirtschaftsforum Südostschweiz. Sie organisiert die Inserate für das Magazin der Ostschweizer Fachhochschule, layoutet das Magazin des Bündner Skiverbands, verlegt das Magazin der Forstbranche «Bündner Wald». Im SomediaBuchverlag sind unter anderem ein Kochbuch des Kantonspitals erschienen und die Bücher und Hefte des kantonalen Archäologischen Diensts. National übernimmt das Unternehmen unter anderem die Anzeigen für die Publikationen des Jodlerverbands und layoutet die Publikationen von Swiss Snowsports.

Wie so vieles in Graubünden miteinander verflochten ist, so ist diese Nähe auch im Churer Medienhaus räumlich spürbar. Der Studiengang «Multimedia Production» der FH Graubünden ist am Somedia-Sitz angesiedelt. Auf der Etage der konvergenten «Südostschweiz»-Redaktion stehen die Regale der Lehrmittelausstellung des kantonalen Amts für Volksschule und Sport. Nach einem Verlustbereich in der Somedia-Gruppe gefragt, fallen Susanne Lebrument bloss strategische Investitionen ein. Das elegante, 2015 fertiggestellte Medienhaus kostete 30 Millionen Franken. Heute arbeiten in der Redaktion alle von «Radio Südostschweiz» über den Onlineauftritt bis zu Social Media konvergent. Zuvor habe die Somedia-Gruppe alleine in Chur fünf Standorte gehabt. «Die Räumlichkeiten haben es wahnsinnig erleichtert, dass man schnell von Viaduct in die Redaktion reingeht …», sagt Susanne Lebrument. Soll man das denn, von der hauseigenen Marketingagentur in die Redaktion? «Das ist natürlich ein heikler Punkt. Zusammen reden soll man.» Die Redaktion sei aber «sakrosankt». «Wir haben der Redaktion nicht reinzureden. Wir sagen: Reden darf man miteinander, aber man kann nie sagen, ihr müsst. Man darf natürlich Geschichten stecken.»

«Wir haben keine Luxusautos, keine Jachten, keine Kunstsammlung – unser Geld haben wir hier grösstenteils in der Somedia investiert.»
Susanne Lebrument, Vizepräsidentin Somedia

Susanne Lebrument hat selbst die Diplomausbildung zur Journalistin am MAZ absolviert und bei der «Basler Zeitung» und dem «Tages-Anzeiger» einige Dutzend Artikel verfasst. Obwohl das lange her ist, spürt man die starke ethische Verpflichtung, die sie als Medienmanagerin und Miteigentümerin gegenüber dem Journalismus empfindet. Ein Familienunternehmen, zumal ein Medienfamilienunternehmen, verpflichte: «Hätten wir eine Raviolifabrik, wäre die nicht weniger wert – aber wir tragen eine spezielle Verantwortung der Region gegenüber, gegenüber der regionalen Politik, Kultur und Wirtschaft.» Solange es die unabhängige Somedia gibt, bedeute das eine lokale Ansprechpartnerin zu sein für alle, die Öffentlichkeit suchen. «Die Redaktorinnen und Redaktoren kennt man. Man kann sie anrufen und wird ernst genommen. Man findet statt. Das ist relevant für die Schweiz.» In ihre Verantwortung als Miteigentümerin wachse sie stetig stärker hinein. «Wir haben keine Luxusautos, keine Jachten, keine Kunstsammlung – unser Geld haben wir hier grösstenteils in der Somedia investiert», sagt sie. Die anderen Investitionen der Familie tätigen die Lebruments als «unternehmerische Investoren mit Langfristperspektive.» Rendite sei wichtig, ja: «Damit Somedia lebt. Aber wir ordnen nicht alles dem Kapitalismus unter und werfen moralisch-ethische Grundsätze über Bord.»

Dass das neue Mediengesetz mit der ausgebauten Presseförderung für Somedia wirtschaftlich bedeutend ist, sei ein offenes Geheimnis. «Aber die Medienförderung beinhaltet auch einen starken Service-public-Gedanken.» Ja, sie hätte gerne mehr Konkurrenz im Lokaljournalismus, aber wer die «Südostschweiz» für ein Monopolblatt halte, kenne sich in Graubünden nicht aus. «Wir haben den ‹Prättigauer und Herrschäftler›, der eigenständig ist, ‹Il Grigione italiano›, der eigenständig ist, ‹Il Bernina›. Wir haben die ‹Engadiner Post›, ‹La Pagina da Surmeir›, ‹GR heute›», zählt sie in einem Zug auf. «Es gibt einen bunten Strauss aus kleinen, mittleren unabhängigen Medienhäusern.» Unabhängiger Lokaljournalismus sei so unglaublich wichtig und wenn er fehlt, breche etwas weg. Wenn nur noch Social Media bleibt, herrsche Wilder Westen. «Wir haben einen Code of Conduct. Wir haben das Vier- oder Sechs-Augen-Prinzip. Wir bringen keine rechtsextremen Positionen, keine linksextremen, keinen Porno, keine Tierfolterungen, keine Beleidigungen – wenn man kritisch schreibt, muss man im Text argumentieren.» Lebrument macht unmissverständlich klar, wo all das in ihrer Wahrnehmung kaum kontrolliert wuchert: auf den Plattformen der internationalen Tech-Giganten. «Dort arbeiten unter anderem Softwareentwickler mit wenig oder gar keinem moralisch-ethischen Verständnis.» Um deren Wirken einzudämmen, sieht Lebrument «nur starke staatliche Interventionen» und «Reglementierungen» als Lösung.

Was Susanne Lebrument mit Hanspeter Lebrument gemeinsam hat: Sie verstellt sich nicht.

Während ihr Bruder Pesche im TV-Interview mit dem eigenen Vater immer wieder gestrauchelt ist, wirkt Susanne Lebrument so, als könne sie sich durchsetzen. Seit sieben Jahren leitet sie als Geschäftsführerin das Family Office der Lebruments, verwaltet also die Investitionen der Familie ausserhalb der Somedia AG. Damals habe sie die Familienmitglieder zu einem strategischen Workshop geladen. Schon bevor sie ihre Präsentation beginnen konnte, habe ihr Vater deutlich gemacht, sie solle ihm nicht widersprechen. «Da hab ich ihm entgegnet: Ein sogenanntes Gespräch bedeutet, dass du etwas sagst und ich etwas anderes. Es gehört dazu, dass wir nicht immer derselben Meinung sind.» Ihr Vater sei «ein Patron, ein Patriarch». Dass er immer alles selber entschieden hat, sei extrem gut gewesen – aber das präge auch den Charakter. «Wir haben, nur schon, weil wir zu dritt sind, ganz andere Rollen und einen anderen Umgang.» Sie fühle sich in «kooperativen Rollen wohler», sei ein ganz anderer Typ als ihr Vater und offen, eigene Fehler zu benennen, auch gegenüber Mitarbeiter:innen im Unternehmen. «Ich scheitere mehrmals am Tag – jeden Tag. Wie alle Menschen. Das müssen wir auch akzeptieren lernen.» Was Susanne Lebrument mit Hanspeter Lebrument gemeinsam hat: Sie verstellt sich nicht. Das Interview mit ihr ist ein wirkliches Gespräch. Einige, die sie am «Swiss Media Forum» in Luzern haben sprechen sehen, beschreiben ihren Auftritt als Lichtblick. Da treffe eine Frau mit Klartext auf ein Umfeld, das sich das nicht mehr gewohnt ist. Mit Wucht, wie man sie von ihrem Vater kennt, antwortet Susanne Lebrument ganz zum Schluss des Gesprächs mit der MEDIENWOCHE: «Es braucht mehr Frauen in den Medien!» Es fehle in der Schweiz an einer staatlichen Ganztages-Betreuung, aber auch an Verständnis für Eltern in den Unternehmen. Die Medienbranche sei nach wie vor ungenügend – je höher die Ebene desto schlimmer.

Das siebenköpfige Präsidium des Verlegerverbands ist rein männlich besetzt. Susanne Lebrument ist heute eine der höchsten Medienmanagerinnen der Schweiz.

Leserbeiträge

Fibo Deutsch 22. Oktober 2021, 12:49

In der Familiensaga wird das Jahr 1981 ausgeblendet. Da hatte sich Ringier-CEO Heinrich Oswald den Löwen von Chur für kurze Zeit als Chefredaktor des elitären Newsmagazins «Die Woche» nach Zürich geholt :«Die Woche hat allen etwas zu sagen, die etwas zu sagen haben!» HP scheiterte mit dem Blatt nach wenigen Monaten – und: Er konnte auch nicht Autofahren. Als geschockter Mitfahrer bei ihm auf einer Fahrt nach Bern nahm ich zur Rückfahrt ein Taxi…Gerne erinnere ich mich an ihn als Kollegen zurück.

David Sieber 27. Oktober 2021, 10:28

Autofahren mit Le
😱

Victor Brunner 22. Oktober 2021, 15:55

Verstehe dass Lebruments Zahlen nicht veröffentlichen, sie wollen ja auch an die Honigtöpfe der SteuerzahlerInnen! Da könnte Transparenz nur hinderlich sein.