Medienpaket: Nicht perfekt, aber auch nicht schlecht
Das Massnahmenpaket zugunsten der Medien ist nicht so gefährlich wie die Gegner behaupten. Ob es so viel bringt, wie die Befürworter davon erwarten, zeigen erst die nächsten Jahre. Aber nur, wenn das Paket angenommen wird.
Am 13. Februar 2022 entscheiden die Schweizer Stimmberechtigten nach 2015 und 2018 bereits zum dritten Mal an der Urne über eine Medienvorlage. Diese Häufung rührt daher, dass in den letzten rund zehn Jahren rechte Kreise, von bürgerlich-gewerblich bis radikal-libertär, die Medienpolitik verstärkt auf ihre Agenda setzten.
Im Sommer 2015 war es der Gewerbeverband, der eine zeitgemässe Weiterentwicklung der Finanzierung des Service public zu verhindern versuchte. Die Umstellung von einer geräteabhängigen Gebühr zu einer Haushaltsabgabe kam an der Urne nur knapp durch. Im März 2018 versuchten rechte Jungparteien mit «No Billag» das bewährte und austarierte System des Service public aus den Angeln zu heben – erfolglos.
Zielten die Angriffe bisher auf die SRG, so rücken mit dem Referendum gegen das Mediengesetz nun auch die privaten Verlage in den Fokus. Im Kern geht es ums Gleiche: kein (zusätzliches) Steuergeld für die Medienfinanzierung, allein der Markt soll es richten – oder auch Mäzene und Milliardäre. Und wenn es im bisherigen Takt weitergeht, wäre als nächstes wieder die SRG dran. Es würde nicht überraschen, wenn die SVP ihre lange angekündigte «Halbierungsinitiative» mit der Forderung nach wesentlich weniger Geld für die SRG als Mobilisierungsvehikel vor den nationalen Wahlen 2023 bringt.
Dass die indirekte Presseförderung die Unabhängigkeit der Medien beschädigt hätte, lässt sich weder beobachten noch belegen.
Doch vorerst tobt der Kampf ums Mediengesetz vor der Referendumsabstimmung im Februar. Ein Gesetzesbündel, das das Parlament erarbeitet hat aus Sorge um die Entwicklung der Medien in den letzten Jahrzehnte mit sinkenden Werbeerträgen und einer anspruchsvollen digitalen Transformation.
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Das Förderpaket in Kürze
Im vergangenen Sommer verabschiedeten National- und Ständerat ein vom Bundesrat vorgelegtes Gesetzespaket, das verschiedene Förderinstrumente für Medien enthält. Der finanzielle Aufwand für sämtliche darin enthaltenen Massnahmen beträgt 151 Millionen Franken pro Jahr.
70 Millionen davon fliessen an die Schweizerische Post und andere Verteilorganisationen. Damit gewähren diese den Zeitungsverlagen Rabatte auf die Kosten für die Zustellung der Zeitungen. Von den vergünstigten Zustelltarifen profitiert auch die sogenannte Mitgliedschafts- und Stiftungspresse, also Mitteilungsblätter von Verbänden, NGOs, Kirchen usw. Printmedien werden bereits heute auf diese Weise finanziell entlastet.
Ebenfalls im Paket enthalten sind 30 Millionen Franken für Online-Medien. Das ist eine neue Form der Medienförderung. Die insgesamt 100 zusätzlichen Millionen pro Jahr für Presse- und Onlineförderung kommen aus dem Bundeshaushalt. Konzessionierte Lokalradio- und Regionalfernsehsender sollen zusätzliche 28 Millionen Franken erhalten. Mit weiteren 23 Millionen aus der Haushaltsabgabe für Radio und Fernsehen sollen Fördermassnahmen finanziert werden, die sämtlichen Medien zugute kommen, wie zum Beispiel die Unterstützung des Presserats oder der Aus- und Weiterbildung von Medienschaffenden.
Gegen das Gesetzespaket hat ein Komitee aus Kleinverlegern von Gratismedien und Politikern aus Rechtsparteien erfolgreich das Referendum ergriffen. Deshalb stimmt die Schweizer Bevölkerung am 13. Februar 2022 über das Mediengesetz ab. Das Massnahmenpaket ist auf sieben Jahre befristet.
Die Millionen von Franken an zusätzlichen Subventionen, so das zentrale Argument des Referendumskomitees, käme im Fall der geplanten Medienförderung sowieso nur jenen Verlagen zugute, die gar keine öffentliche Unterstützung bräuchten. Und überhaupt würden Subventionen die Redaktionen in eine gefährliche Staatsabhängigkeit führen, die den unabhängigen Journalismus verunmöglichten.
Die indirekte Presseförderung mittels vergünstigter Posttarife für die Zeitungszustellung gibt es seit 1849. Dass sie die Unabhängigkeit der Medien beschädigt hätte, lässt sich weder beobachten noch belegen. Nun soll dieses niederschwellige Instrument ausgeweitet und finanziell aufgestockt werden.
Mit zusätzlichen 20 Millionen Franken pro Jahr (zu den bestehenden 30) könnte die Post die Tageszustellung von Zeitungen weiter vergünstigen. Ausserdem hat das Parlament die Auflagenobergrenze von 40’000 Zeitungsexemplaren als Voraussetzung für die Subventionsberechtigung aufgehoben. Das nützt insbesondere Tamedia und CH Media mit ihren hochauflagigen Tageszeitungsverbunden. Allerdings würden neu kleinere Titel proportional stärker profitieren als die grösseren. Das ist eine Abkehr vom bisherigen Modell, bei dem die Post allen Titeln genau gleich viel Rabatt gewährte. Künftig soll zudem auch die Früh- und Sonntagszustellung von Zeitungen unterstützt werden. Dafür sind 40 Millionen Franken vorgesehen.
Am Schluss blieb auch bei den Grossverlegern eine mittlere Unzufriedenheit zurück. Das Parlament hat das Gesetz keineswegs nur für Tamedia & Co. massgeschneidert.
Dass ein Grossteil der zusätzlichen Subventionen, insgesamt 60 Millionen Franken, der Presse zugutekäme, liegt einerseits daran, dass gedruckte Zeitungen weiterhin eine wichtige Rolle spielen bei der Informationsverbreitung. Andererseits liegt die Printlastigkeit auch im Gesetzgebungsprozess begründet. Wie die langwierigen und teils zähen Verhandlungen im Parlament zeigten, gelang die Einigung auf das nun vorliegende Massnahmenpaket nur dank einem Geben und Neben. Und wer dabei die grössere Lobbykraft hat, kriegt entsprechend mehr. Der Verband Schweizer Medien, wo die grossen Zeitungsverleger den Ton angeben, legte sich kräftig ins Zeug für deren Interessen. Allerdings blieb am Schluss auch bei den Grossverlegern eine mittlere Unzufriedenheit zurück. Das Parlament hat das Gesetz keineswegs nur für Tamedia & Co. massgeschneidert.
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Was man gerne vergisst, weil sich die Diskussion vor allem um die Grossen dreht: Gut hundert unabhängige Lokal- und Regionalzeitungen, die schon heute von der indirekten Presseförderung profitieren, sollen nun weiter entlastet werden. Es sind Zeitungen wie der «Tössthaler», der «Frutigländer» oder «Il Grigione Italiano», die in Gemeinden und Tälern für eine kontinuierliche Lokalberichterstattung sorgen und so das Fundament der föderalistischen Demokratie stärken. Doch diese kleinen und mittelgrossen Verlage müssen im Moment mit begrenzten Ressourcen einen Spagat meistern: Auch ihr Zeitungsgeschäft erodiert, während das Online-Geschäft nur langsam in die Gänge kommt.
Würden auch gratis Online-Medien gefördert, wären «20min.ch» und «blick.ch» die grossen Profiteure. Das wäre sicher auch nicht im Sinn des Referendumskomitees.
Mit insgesamt 30 Millionen Franken pro Jahr sollen darum neu auch Online-Medien finanziell unterstützt werden. Dazu zählen eigenständige Netzmedien wie etwa die «Republik», aber auch die Online-Angebote von Zeitungen, die gedruckt erscheinen. Auch hier gilt der Grundsatz: Grössere kriegen anteilsmässig weniger als kleinere. Bemessen werden die Förderbeträge am Umsatz, den die Online-Medien mit Publikumserträgen wie Abos oder Spenden erzielen. Darin sehen die Gegner der Vorlage eine Wettbewerbsverzerrung. Gratis Online-Medien, die sich über Werbung finanzieren, würden benachteiligt, da sie a priori von der Förderung ausgeschlossen sind. Nur: Würden auch gratis Online-Medien gefördert, wären «20min.ch» und «blick.ch» die grossen Profiteure. Das wäre sicher auch nicht im Sinn des Referendumskomitees.
In der Kritik stehen weiter auch die Kriterien, die Online-Medien als Voraussetzung für die Subventionierung erfüllen müssen. So schreibt das Gesetz etwa vor, das redaktionelle Angebot müsse «zur Hauptsache Informationen zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen» enthalten. Was das genau heisst, würde der Bundesrat allerdings erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes genauer bestimmen. Das ist unschön, aber noch lange kein Beleg für eine staatliche Gängelung der Medien, wie dies die Gegnerseite des Medienpakets suggeriert. Was stimmt: Die Kriterien sind strenger als bei der indirekten Presseförderung, aber sie liegen weit entfernt von den detailliert ausformulierten Leistungsaufträgen wie sie konzessionierte Regionalsender in Radio und TV erfüllen müssen.
Sollten Online-Medien längerfristig mit Bundesmitteln unterstützt werden, müsste diese Form der Subvention auf einer stabilere Grundlage stehen.
Wenn schon, dann ist ein anderer Punkt heikel. Das neue «Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien» steht auf tönernen Füssen. Ob sich das neue Gesetz auf den Medienartikel in der Bundesverfassung stützen kann, darüber gehen die Meinungen unter Fachleuten auseinander. In Artikel 93 sind nur Radio und Fernsehen explizit erwähnt. Von Online oder Internet steht da nichts drin, nur von andern «Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen» ist die Rede. Sollten Online-Medien längerfristig mit Bundesmitteln unterstützt werden, müsste diese Form der Subvention auf einer stabilere Grundlage stehen. Da sie gemäss Gesetz sowieso nur auf sieben Jahre befristet ist (wie die zusätzliche Presseförderung auch), hat sie experimentellen Charakter und müsste entsprechend auch beendet werden können. Etwa dann, wenn die nach vier Jahren vorgesehene Auswertung ergibt, dass die Fördermillionen nicht die gewünschte Wirkung entfaltet, respektive die Wirkung verpufft.
Ein dritter Förderbereich soll mit 25 Millionen Franken aus der Haushaltsabgabe für Radio und Fernsehen finanziert werden. Neben einer Aufstockung der Beträge für konzessionierte Lokalradios und Regionalfernsehen, umfasst er verschiedene Massnahmen, die der gesamten Branche und nicht einzelnen Medienunternehmen zugutekämen. Dazu zählt die Unterstützung der Nachrichtenagentur SDA, die im Sinne eines Service public für ein mediales Grundrauschen sorgt und dort Lücken im Angebot einzelner Medien füllen kann, wo Redaktionen nicht (mehr) über ausreichend eigene Kapazitäten verfügen. Das vorgesehene Geld für den unter der Beschwerdelast ächzenden Presserat soll helfen ein Organ zu stärken, das eine wichtige Rolle für die Einhaltung von berufsethischen Standards spielt (und mit mehr Mitteln eine noch wichtigere spielen sollte). Auch die Mittel für Aus- und Weiterbildung im Journalismus sind gut investiertes Geld – gerade in einer Branche, die sich gerade dadurch auszeichnet, dass es keinen standardisierten Karriereweg gibt ist ein vielfältiges Bildungsangebot umso wichtiger.
Man kann einzelne Teile und Aspekte für missraten und wenig zielführend, aber das Paket an sich trotzdem für notwendig halten.
Aus dem gleichen Topf könnte der Bund auch «digitale Infrastrukturen» finanziell unterstützen, welche «die Beschaffung, die Herstellung oder die Verbreitung von publizistischen Angeboten oder […] deren Auffindbarkeit» ermöglichen oder optimieren. Diese Form der Förderung kann man auch als Alternative zu den Google-Millionen sehen, mit denen der Suchkonzern in den letzten Jahren Schweizer Verlagen für den Aufbau innovativer Digitalprojekte unter die Arme gegriffen hat.
Auch wenn das Gesetzespaket weder eine abschliessende noch eine kohärente Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen der schweizerischen Medien liefert, vermögen die einzelnen Massnahmen an entscheidenden Punkten im Mediensystem für Linderung zu sorgen. Man kann einzelne Teile und Aspekte für missraten und wenig zielführend, aber das Paket an sich trotzdem für notwendig halten. Wie sagt doch das Sprichwort: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.