Black Box Presseförderung
Mit 70 Millionen Franken steht die indirekte Presseförderung als grösster Posten im Medienpaket, über das am 13. Februar abgestimmt wird. Ob dieses Geld dazu beitragen kann, die Medienvielfalt zu erhalten, ist zweifelhaft. So genau weiss es niemand. Nicht einmal die zuständige Bundesrätin.
In der SRF-«Arena» vom 21. Januar zum Mediengesetz stellte Moderator Sandro Brotz eine wichtige Frage. Leider erhielt er keine Antwort. Denn die wäre noch wichtiger gewesen als seine Frage. Brotz wollte von Bundesrätin Simonetta Sommaruga wissen, warum sie die Presseförderung ausweiten wolle, wenn das doch gar keine publizistische Vielfalt bringe. Dazu zeigte er eine Aussage des Bundesrats von 2017: «Die Evaluation dieser Massnahmen für die Presse zeigt, (…) dass aber keine direkte Wirkung hinsichtlich des politischen Ziels der publizistischen Vielfalt ersichtlich ist.»
Anstatt die Frage zu beantworten, wich Sommaruga aus und sagte mit anderen Worten, was sie schon zuvor gesagt hatte: Es sei zentral, Redaktionen vor Ort zu haben; die Leute beschäftige es, wenn Zeitungen verschwinden. Mit viel gutem Willen kann man die Aussage der Bundesrätin als indirekte Antwort auf die Frage interpretieren: Damit weiterhin Zeitungen aus den Regionen berichten können, brauche es die indirekte Presseförderung. Und mit noch mehr gutem Willen liesse sich Sommarugas Aussage sogar so verstehen, dass sich diese Fördermassnahme irgendwie positiv auf die Medienvielfalt auswirken könnte.
Die Politik hatte es in all den Jahren versäumt, genauer zu definieren, was sie mit der indirekten Presseförderung genau bezwecken will.
In der Vergangenheit hatte der Bundesrat immer wieder auf die Wirkungslosigkeit der indirekten Presseförderung hingewiesen. Als er sie deshalb abschaffen wollte, lief er beim Parlament auf, das daran festhielt. Auch darum liegt der Schwerpunkt im Massnahmenpaket auf diesem Förderinstrument. Insgesamt 70 Millionen Franken sollen die Post und andere Zustellorganisationen zusätzlich erhalten, um Zeitungen und Zeitschriften zu günstigen Konditionen versenden und verteilen zu können. Das ist der grösste Posten im Medienpaket, das am 13. Februar 2022 zur Abstimmung gelangt.
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Das Förderpaket in Kürze
Im vergangenen Sommer verabschiedeten National- und Ständerat ein vom Bundesrat vorgelegtes Gesetzespaket, das verschiedene Förderinstrumente für Medien enthält. Der finanzielle Aufwand für sämtliche darin enthaltenen Massnahmen beträgt 151 Millionen Franken pro Jahr.
70 Millionen davon fliessen an die Schweizerische Post und andere Verteilorganisationen. Damit gewähren diese den Zeitungsverlagen Rabatte auf die Kosten für die Zustellung der Zeitungen. Von den vergünstigten Zustelltarifen profitiert auch die sogenannte Mitgliedschafts- und Stiftungspresse, also Mitteilungsblätter von Verbänden, NGOs, Kirchen usw. Printmedien werden bereits heute auf diese Weise finanziell entlastet.
Ebenfalls im Paket enthalten sind 30 Millionen Franken für Online-Medien. Das ist eine neue Form der Medienförderung. Die insgesamt 100 zusätzlichen Millionen pro Jahr für Presse- und Onlineförderung kommen aus dem Bundeshaushalt. Konzessionierte Lokalradio- und Regionalfernsehsender sollen zusätzliche 28 Millionen Franken erhalten. Mit weiteren 23 Millionen aus der Haushaltsabgabe für Radio und Fernsehen sollen Fördermassnahmen finanziert werden, die sämtlichen Medien zugute kommen, wie zum Beispiel die Unterstützung des Presserats oder der Aus- und Weiterbildung von Medienschaffenden.
Gegen das Gesetzespaket hat ein Komitee aus Kleinverlegern von Gratismedien und Politikern aus Rechtsparteien erfolgreich das Referendum ergriffen. Deshalb stimmt die Schweizer Bevölkerung am 13. Februar 2022 über das Mediengesetz ab. Das Massnahmenpaket ist auf sieben Jahre befristet.
Obwohl es die indirekte Presseförderung bereits seit 1849 gibt, existieren keine verlässlichen Aussagen zu einer positiven Auswirkungen auf die Presse- und Meinungsvielfalt. Selbst die Medienforschung bleibt hierzu im Ungefähren. «Wie sich die Presseförderung auf die publizistische Vielfalt und schliesslich auf die Meinungsvielfalt auswirkt, ist schwierig abzuschätzen», steht in einer Evaluation der Presseförderung von 2010. Dieser Bericht des privaten Forschungsbüros «Ecoplan» ist eines der wenigen, wenn nicht das einzige Dokument, das – einigermassen erfolglos – einen Zusammenhang zu ergründen versucht zwischen der indirekten Presseförderung und der Medienvielfalt.
Es überrascht nicht, dass selbst Fachleute kein deutlicheres Bild zeichnen können. Denn die Politik hatte es in all den Jahren versäumt, genauer zu definieren, was sie mit der indirekten Presseförderung genau bezwecken will. Bis 2007 profitierten alle abonnierten Zeitungen und Zeitschriften von der Posttaxenverbilligung. Dann stellte die Politik die «Giesskanne» ab und gewährte den Rabatt nur noch Titeln mit einer Auflage bis maximal 40’000 Exemplaren und einem redaktionellen Anteil von mindestens der Hälfte des Blattumfangs. Unklar blieb aber, ob damit nur die Lokal- und Regionalpresse gefördert werden sollte oder auch kleinere Titel mit überregionaler Reichweite. «Diffuse Zielvorstellungen erschweren zudem die Überprüfbarkeit der Zielerreichung», hielt der «Ecoplan»-Bericht dazu fest.
Belegen lässt sich einzig die unmittelbare Wirkung für die einzelnen Unternehmen, deren Budget die Presseförderung entlastet.
Seither sind die Zielvorstellungen nicht deutlicher geworden. Mit dem Medienpaket soll die 2008 eingeführte Auflagenobergrenze wieder aufgehoben werden, aber die kleineren Zeitungen würden dank eines degressiven Zahlmodells stärker profitieren als die grossen. Ob sich damit die Medien- und Meinungsvielfalt erhalten oder gar stärken lässt, bleibt aber offen.
Belegen lässt sich einzig die unmittelbare Wirkung für die einzelnen Unternehmen, deren Budget die Presseförderung entlastet. Darum weibeln die Verlage für das Medienpaket und für die zusätzlichen Rabatte auf den Zeitungsvertrieb. In manchen Fällen könnte das Ausbleiben weiterer finanzieller Entlastung drastische Folgen haben. Susanne Lebrument von Somedia nennt als Sparszenario die Zusammenlegung von Zeitungen aus ihrem Verlag. Das wäre dann ein Verlust an Vielfalt – aber trotzdem kein Beleg für die Wirksamkeit der indirekten Presseförderung. Sparentscheide hängen nicht von einem einzelnen Faktor ab.
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Selbst wenn die Stimmberechtigten in der Abstimmung vom 13. Februar 2022 die zusätzlichen 70 Millionen Franken für die indirekte Presseförderung annehmen sollten, gibt es keine Garantie dafür, dass diese die Existenz der heute noch erscheinenden Regional- und Lokalzeitungen mittelfristig sichern können. Wenn Abozahlen und Werbeerträge weiter zurückgehen, wovon auszugehen ist, dann ist die Entlastung bei den Vertriebskosten ein Tropfen auf den heissen Stein. Vielleicht (über-)lebt die eine oder andere Zeitung dank Presseförderung etwas länger. Mit dem hehren Ziel, damit «die Presse- und Meinungsvielfalt zu erhalten», hat das aber wenig zu tun. Auch die 70 Zeitungen, die seit 2003 ihr Erscheinen eingestellt haben, profitierten von ermässigten Posttarifen – und überlebten trotzdem nicht.
Wenn auch in Zukunft trotz Subventionen Zeitungen eingestellt werden, erschallt bestimmt der Ruf nach einem weiteren Ausbau der Presseförderung.
Eine Weiterführung der indirekten Presseförderung wäre nur dann sinnvoll, wenn sich deren Wirksamkeit und Wirkung belegen liesse. Weil solche Angaben aber fehlen, können die Stimmberechtigten gar nicht richtig beurteilen, ob sie einem tauglichen Instrument zustimmen oder ein Fass ohne Boden öffnen. Denn wenn auch in Zukunft trotz Subventionen Zeitungen eingestellt werden, erschallt bestimmt der Ruf nach einem weiteren Ausbau der Presseförderung.
Unabhängig davon, ob die Presseförderung ausgebaut oder auf bisherigem Niveau weitergeführt wird, tun die zuständigen Behörden gut daran, gründlich evaluieren zu lassen, was dieses Instrument bisher bewirkt hat. Dann müsste Bundesrätin Sommaruga auch nicht mehr ausweichend antworten auf die Frage nach der Wirksamkeit der Presseförderung.
Ueli Custer 28. Januar 2022, 10:16
Danke Nick. Das ist das Beste, das ich bisher zu diesem Thema gelesen habe. Ich werde trotzdem Ja stimmen, aber nicht mit Überzeugung. Mit einem Nein wird sich gar nichts verändern, mit einem JA ev. etwas in positiver, sicher aber nicht in negativer Richtung.