Ausgezappt: Kein Guckloch mehr zum TV-Trash
Nach acht Jahren stellt Ringier Axel Springer das Video-Format «Zappin’» ein. Damit verschwindet ein Kleinod schweizerischer TV-Kultur.
Zeit ist ein knappes Gut. Gerade die Medienmasse führt uns das immer wieder eindrücklich vor Augen. Doch es gibt Abkürzungen und Hintertüren. Wer sich nicht durch einen mehrhundertseitigen Managementwälzer kämpfen mag, kann sich bei einem darauf spezialisierten Anbieter eine Zusammenfassung besorgen. Die liest sich dann mindestens genauso trocken wie das Original. Auch mit dem beschleunigten Abspielen von Film und Video lässt sich Zeit gewinnen. Wie bei der Buchzusammenfassung leidet auch hier der Genuss; für die Zeitersparnis zahlen wir in der Regel mit einem Qualitätsverlust. Entsprechend selten schafft es ein komprimiertes Format, das Original zu überflügeln oder gar sich als eigenständige Kunstform zu etablieren. «Zappin’» ist das gelungen.
Seit 2013 konnte man sich die täglichen Höhe- und vor allem Tiefpunkte des schweizerischen Unterhaltungsfernsehens auf drei bis fünf Minuten komprimiert als Video ansehen. Als die Programmzeitschrift «Tele» das Format lancierte, wollte sie damit «die witzigsten und aufregendsten TV-Momente des Vortages» einfangen und dokumentieren. Rohmaterial stand dafür ausreichend zur Verfügung. Wer sich im Fernsehen auf die Suche nach den sprichwörtlichen 15 Minuten Ruhm begab, musste jederzeit damit rechnen, von «Zappin’» auf unrühmliche Weise vorgeführt zu werden.
Keine Panne oder Peinlichkeit entging den gnadenlosen Chronist:innen von «Zappin».
Vor allem die Reality-Shows der 3+-Sender lieferten reichlich Stoff, den das «Zappin’»-Team genüsslich ausschlachten konnte. Ob «Bachelor(ette)», «Bauer, ledig, sucht …» oder «Bumann, der Restauranttester» – sie alle trugen ihren Anteil zur täglichen Freakshow bei. Aber auch die Regionalsender und das Schweizer Fernsehen kriegten ihr Fett weg. Und wenn das heimische TV-Schaffen mal nichts hergab, half immer noch ein Blick über die Landesgrenze, gerne nach Österreich.
Keine Panne oder Peinlichkeit entging den gnadenlosen Chronist:innen von «Zappin». Ob technisches Versagen, Versprecher, ungelenke oder auch träfe Aussagen von Auskunftspersonen – das alles fand Eingang in die tägliche Mikrodosis Fremdschämen. Als Kitt (und Kommentar zugleich), der die einzelnen Fundstücke zu einem Ganzen verband, dienten kurze, Meme-artige Sequenzen, die teilweise aus früheren «Zappin’»-Folgen stammten.
Das eigentliche Markenzeichen von «Zappin’» war die Stimme von Off-Sprecher Roy Gablinger.
Unzählige Male kommentierte Komiker Viktor Giacobbo mehr oder weniger passend: «Er ist einfach wirklich eine coole Sau.» Ebenso legendär das verschmitzte «Jo und näi» von Starfotograf Walter Pfeiffer, das immer wieder als Einspieler herhalten musste, genauso wie die kultverdächtigen Grussworte «Hallo Muetter» des Jungen auf der Gewerbeausstellung. Doch das eigentliche Markenzeichen von «Zappin’» war die Stimme von Off-Sprecher Roy Gablinger. Als näselnde Nervensäge drückte er mit seinem Sprechorgan dem Format den Stempel auf.
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Um die 150’000 Personen schauten sich die tägliche TV-Trash-Zusammenfassung an. Sie vermittelte einem das gute Gefühl, Zeit zu sparen, weil man nicht Stunden vor dem Bildschirm verbringen musste und trotzdem die wirklich entscheidenden Momente des Unterhaltungsfernsehens auf dem Silbertablett serviert erhielt.
Wie so oft in den Medien korrespondieren Beliebtheit und Kultfaktor nicht zwingend mit dem wirtschaftlichen Erfolg. Ringier Axel Springer entschied sich darum, «Zappin» den Stecker zu ziehen. Es würde aber nicht erstaunen, wenn ein anderer Verlag in die Bresche springen und das Format weiterführen würde. Und wenn nicht, bleibt auf Youtube ein grosses «Zappin’»-Archiv. Auch ältere Folgen bleiben unterhaltsam, zumal sich Pointen und Personal über die Jahre wenig geändert haben. Fernsehen bleibt Fernsehen. Trash bleibt Trash.
Daniel Bernet 05. April 2022, 22:37
Schade! Mhm. Jo. Jo und näi.