Aussteigen oder bleiben?
Nach fünf Jahren Berufserfahrung und einem bald abgeschlossenen Studium fragt sich unser Autor, ob er dem Journalismus den Rücken kehren soll. Die Vorstellung, in den Medien alt zu werden, wirkt derzeit wenig erbaulich.
Das wird für mich das Jahr der Entscheidung. Als junger Journalist mit der Hoffnung es in diesem Beruf vielleicht einmal zu etwas zu bringen, jedoch im Wissen um den miserablen Zustand dieser Branche, gepaart mit dem Selbstzweifel den Ansprüchen nationaler Zeitungen möglicherweise nicht zu genügen, trage ich mich heute ernsthaft mit dem Gedanken, den Journalismus gleich bleiben zu lassen. Dies aus Angst, mit 40 Jahren zu den gleichen Schlüssen zu kommen wie heute und es dann zu bereuen, mir mit 30 Jahren nicht eine andere berufliche Perspektive aufgebaut zu haben. Und auch, weil mein bisheriges Arbeitsverhältnis beim Bieler Tagblatt ausläuft. Ich habe noch ziemlich genau drei Monate Zeit zu überlegen, bevor das RAV über mein Leben bestimmen könnte. Beides gute Voraussetzungen, um sich an eine Standortbestimmung zu wagen.
Ich will bleiben!
Bezüglich der intrinsischen Motivation ist die Antwort klar: Ich will bleiben. Denn kein einziger Beruf, den ich zuvor ausgeübt habe, hat mir Spass gemacht und jeder andere Beruf nebst dem Journalismus scheint mir mit mehr Nachteilen behaftet zu sein. Die Freiheit, die man geniesst, die Eigenständigkeit in Denken und Handeln, die grosse Zufriedenheit, die aus der unmittelbaren Anschauung des eigenen Werks entsteht – all das kann mir nur der Journalismus bieten. Ganz zu schweigen von den spannenden Kontakten, die man als Journalist meist mühelos schliessen kann. Dafür war ich bislang bereit, auf gewisse Dinge zu verzichten: geregelte Arbeitszeiten, guter Lohn, Überstundenentschädigung und anständige Büros. Das ist alles nicht so wichtig, wenn man einmal das innere Feuer für den Journalismus entdeckt hat. Das zählt ungleich mehr.
Doch wofür brennt mein inneres Feuer? Sicher nicht für die Perspektive des Instant-Journalismus mit seinen Live-Tickern, seinen orthografischen und sprachlichen Unzulänglichkeiten, seiner Abwesenheit von Relevanz, Tiefe und Analyse. Mein inneres Feuer brennt, oder besser gesagt, der unter der Realitätsasche verbliebene Rest glüht für die langwierige Recherche, die tiefschürfenden Hintergründe, die kluge Analyse, den scharfen Kommentar und auch den leisen Spott der Glosse oder das staunende Beobachten in einer einfachen Reportage.
Pflichtprogramm als Stressfaktor
Doch leider stelle ich fest, dass dies kaum mehr ermöglicht wird in der heutigen Realität des deutschschweizerischen Journalismus. Beim Bieler Tagblatt beispielsweise wurden in den letzten rund zwei Jahren schleichend mehrere Stellen abgebaut. Das Pflichtprogramm zu erfüllen wurde zum Stressfaktor, langwierige Recherchen klemmte ich irgendwie dazwischen, Interviews bereitete ich am Sonntagabend zu Hause vor, Reportagen mit Beobachtungen, die Leser vielleicht verärgern könnten, weil in ihnen stand, was ist, wurden intern von höchster Stelle kritisiert. So erhielt ich einen Rüffel, weil ich im letzten Dezember bei der EWR-Feier der SVP in Biel auch den massiven Polizeieinsatz thematisierte und in die Reportage einbaute. Nicht objektiv wurde das genannt. Gemeint war: Für unsere Leser aus dem Seeland – SVP-Stammlande par Excellence – nicht das, was sie lesen möchten und für die Abo-Performance, wenn nicht abträglich, so doch sicher nicht zuträglich. Last but not least verlangte der Verlag vom Wirtschaftsressort mehrere Male das Verfassen von PR-Texten für irgendwelche Firmenjubiläen. Das konnte nach Protesten der Redaktion dann immerhin abgestellt werden. Jetzt macht der Verlag die Publireportage gleich selber.
Der grössere Rahmen präsentiert sich nicht viel besser: Am Sonntag betreiben die politischen Akteure Agenda-Setting via Medien, statt dass die Medien wenigstens versuchen würden, die Agenda der Politik zumindest teilweise zu bestimmen. Die klügsten Analysen liefern allzu oft eingekaufte Alt-Politiker statt altgediente Journalisten. Der Platz für lange Reportagen wird allenthalben immer knapper. Kommt hinzu, dass der Gesinnungsjournalismus auf dem Vormarsch ist. Ich will aber kein Gesinnungsjournalist sein, ich will als einzige Gesinnung die Werte der liberalen Demokratie zum Massstab nehmen, statt mir – man wähle – die Meinung der FDP, der SVP oder der SP unbedacht einzuverleiben. Ganz abgesehen davon, dass die Medien immer weniger in der Lage sind, dem Staat, den Firmen und den Verbänden wirkungsvoll auf die Finger zu klopfen. Wäre es da nicht besser, gleich selber beim Staat anzuheuern, um an der Quelle mitzuarbeiten, statt nur darüber zu schreiben?
Perspektive Psychopharmaka
Was also tun? Sich durchbeissen in unterdotierten Redaktionen, Jahr für Jahr hoffen, dass der Job nicht gerade an der letzten Budget-Sitzung gestrichen wurde und sich weiter in einem Umfeld bewegen, in dem die Anzahl geschiedener Väter und Mütter mit komplizierten Scheidungsgeschichten nahezu 100 Prozent erreicht und das innere Feuer bei anderen nicht erlischt, sondern ausbrennt und danach mit Psychopharmaka Brandwache gehalten wird? Will ich das wirklich selbst erleben? Will ich mir das antun, angesichts der Tatsache, dass derjenige Journalismus, den ich gerne machen würde, in der Schweiz noch von ein paar wenigen privilegierten Journalisten betrieben werden kann und sich der Rest mit den Brosamen abfinden muss? Ist es mir das Risiko wert, mit aller Kraft zu versuchen, zu diesen drei Prozent zu gehören und dann mit einer nicht unwesentlich hohen Wahrscheinlichkeit mit 40 Jahren festzustellen, dass es wohl doch nicht ganz reicht – und dann?
Noch habe ich mich nicht entschieden. Aber Bewerbungen werde ich sicher auch an die «andere Seite» schicken.
Peter T. Klaentschi 06. Februar 2013, 11:33
Lieber Joel
Nach 38 Jahren in der Medienbranche verstehe ich deine – leider sehr realen -Ausführungen nur zu gut. Ich glaube, mental hast du dich bereits gegen den Journalismus entschieden.
Bedenke auch: Wenn du mehrere Jahrzehnte in dieser Branche gearbeitet hast, bist du ein für allemal als Medienmensch abgestempelt. Du wirst es dann sehr schwer haben, den Beruf zu wechseln.
Schau dir doch auch einmal den Beitrag eines anderen Fachjournalisten unter
http://sfj-ajs.ch/index.php?option=com_content&view=article&id=933%3Aallgemeine-situation-fuer-freie-fachjournalisten-brsfj-&catid=1%3Aactualit&Itemid=63&lang=de
an. Es geht in unserer Branche also vielen viel schlechter als es nach aussen hin aussieht. Aber Fact ist: Journalisten erkennt man an den ausgefransten Fingern. Und am besten „qualifiziert“ für den Journi-Beruf ist heute, wer sich als jwb-Typ anbiedert. Wobei jwb für jung, willig und billig steht.
Beste Grüsse schickt dir
Peter
Christoph Emch 06. Februar 2013, 18:40
Ich habe viel Verständnis für die hier beschriebene Ratlosigkeit. Und meine Kritik mag sehr einfach klingen. Aber ich glaube, dass es Journalistinnen und Journalisten nicht allein Ihren Arbeitgebern überlassen sollten, was mit Ihrer Branche passiert.
Ich bin kein Experte. Dennoch finde ich, dass diese Ratlosigkeit von einer falschen Annahme ausgeht. Nämlich die, dass sich mit Qualitätsjournalismus immer weniger und bald kein Geld mehr verdienen lässt. Die Möglichkeit, dass neue Modelle journalistischer Arbeit ebenso hochstehend sein können, wird ausgeblendet. Die Entwicklung hin zu digitalen Kanälen, hat nicht nur schlechte Live-Ticker zutage gefördert*. Aber sie verlangt von Verlagen und Redaktionen, dass diese Ihre Arbeit grundsätzlich überdenken.
Vielleicht gehören gewisse Formate oder Textsorten, so wie wir sie heute kennen, bald der Vergangenheit an. Wie es gelingt, dass die Qualität nicht auch der Vergangenheit angehört, das sollte meiner Meinung nach diskutiert werden.
*Es gibt auch aussergewöhnlich gute Live-Ticker: Der britische Guardian versteht es, die offenbar weitherum verpönte Form auf eine überraschende und überzeugende Weise zu interpretieren.
Christian Endt 06. Februar 2013, 23:51
Du sprichst mir, der ich gerade noch ganz am Anfang meines Journalistendaseins stehe, so dermaßen aus der Seele – danke!
Mark 07. Februar 2013, 09:09
Nun ja, innerhalb erhielten sie in mehreren Artikeln die Gelegenheit, das Stadionprojekt zu sabotieren. Glücklicherweise ist ihnen das trotz vollem Einsatz nicht gelungen. Trotzdem waren ihre Artikel oft mit Interesse zu lesen. Aufgehoben sind sie wohl dennoch woanders besser. Denn Hand aufs Herz: Vom Bieler Tagblatt erwartet ja niemand mehr viel mehr als Gratulationen für 80-jährige, Firmenporträts und Eishockey-Berichte von Schreibern, die seit gefühlten 100 Jahren bei Gassmann angestellt sind. Ansonsten hat es jegliche Relevanz verloren.
Joel Weibel 07. Februar 2013, 11:05
Lieber Mark, da muss ich doch schnell reagieren. Das Stadionprojekt in Biel habe ich als Journalist nicht sabotiert. Die Akteure haben eher den Anspruch der Öffentlichkeit auf Information sabotiert, indem sie immer wieder lange schwiegen. Ich war und bin ein Befürworter des Projektes, habe jedoch als Journalist erlebt, wie Versprechungen/Ankündigungen immer wieder nicht eingehalten worden sind. Das habe ich thematisiert und das liess meinen Glauben an die Realisierung der Stadien zunehmend kleiner werden. Wenn Sie beispielsweise auf Teleblielingue die Sendung zu den Stadien (ca April 2012) gesehen haben, so wissen Sie, dass ich dort der einzige war, der sich noch für das Projekt ausgesprochen hat. Zwei Lokalgrössen aus Journalismus und Immobilien haben dort das Projekt bereits totgeredet.
Zum zweiten Punkt: Es ist nicht falsch, wenn eine Lokalzeitung solche Erwartungen übertrifft.
Nette 07. Februar 2013, 14:18
lieber joel, es ist ein traumberuf, der von der realität überholt wurde. wenn du jung bist, rennst du idealistisch deinen träumen hinterher. du lässt dich dafür ausbeuten, aber der wert der erfahrungen wiegt es auf. doch am ende des tages möchtest du vielleicht auch einfach einen schönen job, den du gerne machst, der gerecht bezahlt ist und dir zeit lässt für die wirklich wichtigen dinge im leben. nur sind diese jobs rar und begehrt und dann machst du halt weiter, was du immer schon gemacht hast und wirst zum zyniker. dann schmeissen sie dich eines tages doch raus – und dein leben entscheidet sich von selbst.
Freelancer 07. Februar 2013, 14:49
…ganz klar, aus aus deutscher Perspektive kann man nur zustimmen: honorare, perspektiven, Arbeitsbedingungen sind oft schlicht unterirdisch. trotzdem: so negativ sehe ich es nicht. wer es richtig macht, verdient nach wie vor halbwegs vernünftig. „natürlich“ darf man sich dabei nicht an anderen hochqualifizierten /Akademikern messen (wo kämen wir denn dann hin…) aber halbwegs vernünftig verdienen (und nicht nur um und bei Hartz IV/Studiniveau) geht schon noch. alles hat seinen preis und ein preis der vorteile des jobs ist derzeit leider nun mal der „gehaltsverzicht“ . das ist auch in anderen attraktiven jobs (künstler, musikbranche, werbung usw.) oft so. der preis hängt halt vom markt ab, nicht von der leistung. muss man nicht gut finden, ist aber trotzdem so. perspektiven sehe ich allerdings auch nicht wirklich, die honorare werden weiter sinken, die ansprüche steigen. ich würde mich nicht dafür verbürgen, dass man auch nur in zehn jahren noch existenzsichernd journalistisch arbeiten kann. die andere seite: der beitrag klingt es ein bisschen so, als ob mit 30 unumkehrbar die weichen für das gesamte berufsleben gestellt werden. das (berufs-)leben ist aber auch mit 40 jahren definitiv noch nicht vorbei… es gibt viele leute, die dann nochmal komplett von vorne anfangen (müssen). das leben geht weiter und einen sch…-job, auf den man null lust hat, kann man auch in zehn jahren noch machen. und wer garantiert, dass die heute angeblich zukunftssicheren jobs in zehn jahren nicht zu den verlierern gehören?
Tobi 07. Februar 2013, 16:49
„der beitrag klingt es ein bisschen so, als ob mit 30 unumkehrbar die weichen für das gesamte berufsleben gestellt werden. das (berufs-)leben ist aber auch mit 40 jahren definitiv noch nicht vorbei…“
Vielen Dank für diesen Satz. Er macht mir Mut, den ich wirklich brauche. Als Berufsanfänger im Journalismus glaube ich mittlerweile – ausgehend von Erlebnisberichten und eigenen Erfahrungen – , dass ich mich in eine Sackgasse manövriert habe.
freelancer 07. Februar 2013, 18:10
… nur Mut, aus eigener erfahrung kann ich sagen: der einstieg nervt, all die tollen tipps (zur marke werden, mehrfachverwertung etc) erscheinen einem total schwachsinnig und von einem anderen stern. ohne dass man versteht, was nun anders ist, läuft es aber nach einiger zeit, allerdings braucht man schon – je nach schwerpunkt etc. drei bis fünf jahre, dann läufts: plötzlich klappt die mehrfacherwertung, man bekommt bessere jobs, die kunden rennen einem die bude ein. insbesondere gibt es meiner erfahrung nach keine beruflichen sackgassen. bislang konnte ich langfristig noch von fast jedem projekt, jedem job und sonstwas, was ich irgendwann mal gemacht habe, profitieren (inklusiver aller dämlichen studentenjobs, die ich jemals gemacht habe…) . das geld dafür fließt immer dann, wenn man nicht damit rechnet, manchmal auch erst nach zehn jahren, auch wenn das projekt ursprünglich mal wie ein griff ins klo oder als extremes zuschussgeschäft daherkam. erfolg ist eine frage der disziplin (wer an schieberitis und angst vorm leeren blatt leidet, ist hier falsch), der kreativität bei der themenfindung, des denkens vom kundenbedürfnis her und – ganz blöd, aber wahr, der allgemeinen lebenszufriedenheit. will heißen: bin ich angekotzt und gestresst, gibt es ständig ärger/nervkram/sonderwünsche, kunden erscheinen wie feinde, ihre wünsche wie schikane. bin ich halbwegs relaxt, läuft es. man hat auch nur sinnige themenideen, wenn man nicht kurz vor dem burnout steht. das stressmanagement ist insgesamt fast das schwerste: ist man nicht gut gebucht, hat man zukunftsangst, ist man gut gebucht, hat man terminstress: der kunde schreit, der freie springt, egal ob krank, halbtot, wochenende usw. muss er auch, sonst ist der kunde weg. man kann die leute aber langfristig durchaus erziehen und die meisten sind sehr nett, wenn man länger mit ihnen zusammenarbeitet. mir hilft sport, ein rest stress bleibt, darf halt nur der kunde nicht merken und erst recht nicht zum dauerzustand werden. sehr sinnig ist es, sich ein finanzpolster aufzubauen, sobald möglich. das macht extrem unabhängig, wenn man weiß, dass man in den nächsten monaten auch ohne einen einzigen job leben kann – und es beruhigt die nerven ganz ungemein. nur mut, es geht weiter, ehrlich… dauert eben nur, und dazwischen ist es streckenweise eben sch…. wenn ich mir aber die ständigen umstrukturierungen bei den festangestellten redakteuren ansehe, den stress, die pschischen belastungen, die ständige jobangst möchte ich nie,nie,nie tauschen. mir kann keiner was, wenn ein kunde wegbricht, habe ich ja noch genügend andere und wenn mich ein kunde nervt, suche ich mir halt andere.
Lothar Bach 07. Februar 2013, 19:07
Werter Herr Kollege freelancer,
schön dass Ihnen die Kunden die Bude einrennen, Sie sich vor Aufträgen kaum noch retten können und sich ein schönes finanzielles Polster aufgebaut haben! Das gönne ich Ihnen von Herzen. Aber sollten Ihre Ausführungen tatsächlich stimmen, stellen Sie heute eine absolute Ausnahme dar. Sie gehören dann genau zu den drei Prozent der Kollegen, von denen Herr Weibel sprach und di er als privilegiert bezeichnet. Das ist so ähnlich wie mit der Schauspielkunst. Nur zehn Prozent aller Schauspieler können von ihren Gagen ein einigermassen normales Leben führen und finanzieren. Der Rest ist auf zusätzliche Einnahmen (Zweitjobs, Arbeitslosengeld) angewiesen. Es gibt viele Schauspieler, aber nur wenige sind erfolgreich. Es gibt auch immer mehr Journalistinnen und Journalisten, aber immer weniger können von ihren Einnahmen leben oder gar eine Familie ernähren.
Lothar Bach 07. Februar 2013, 17:59
Werter Herr Kollege Weibel,
nach nunmehr 33 Jahren im Job kann ich Ihnen nur einen Rat geben: Sofort umorientieren! Als Journalist in Ihrem Sinne werden Sie als heute 30-jähriger keine Familie mehr ernähren können.
Nur Firmen aus dem Bereich der PR, Medienberatung, aber auch öffentliche Stellen oder die Politik bieten heute noch Chancen für Journalisten. Herkömmliche Medien leider nicht mehr. Es sei denn, Sie haben geerbt oder im Lotto gewonnen….
Klingt traurig, ist aber bittere Realität. Ich bin heilfroh, bald in Rente gehen zu dürfen. Der Beruf war einmal schön. Aber diese Zeiten sind vorbei.
Patrick Künzle 08. Februar 2013, 09:43
Dass man als (junger) Journalist grundsätzlich heute keine Familie mehr ernähren kann, das stimmt nicht. Aber man muss einen guten Arbeitgeber finden.
Marco Rohner 08. Februar 2013, 12:41
Ich kann dich nur ermuntern, dran zu bleiben. Es gibt keine spannendere Zeit für Journalisten als heute!
freelancer 08. Februar 2013, 13:10
…nur das kein missverständnis auftritt: dass es jetzt läuft, heißt nicht, dass es morgen noch läuft. das problem des familienernährens ist ja ein doppeltes – a) höhe des gewinns und b) konstanz der einnahmen. wie gesagt: man kann davon leben und auch auf akzeptablen niveau, aber natürlich hat man keine sicherheit und selbstverständlich gibt es monate mit geringen einnahmen (krank, urlaub, keine lust, sure-gurken-zeit etc.) diese zur fam,ilienernährung nötige konstanz hat man also nicht und das bedeutet: man muss die fixkosten minimieren, dickes auto, luxuswohnung etc, also alles, was regelmäßig geld kostet, würde ich mir nicht genehmigen – wer weiß, ob man das morgen noch zahlen kann?! trotzdem lebe ich gut und kann mir auch vieles leisten.
zu irgendwelchen privilegierten drei prozent gehöre ich meiner einschätzung nach nicht: ich mache keine sensations-reportagen, treffe keine coolen stars, reise nicht durch die welt oder mache sonst irgendwas aufregendes. auch meine honorare pro auftrag sind normal. ich arbeite einfach solide, sauber, zuverlässig, termintreu und so, wie es der kunde braucht. also einfach ganz normale, ordentliche arbeit, keine edelfeder, keine exklusiven reportagen, die nur an einen gut verdrahteten inner circle vergeben werden. tolle kontakte habe ich übrigends auch nicht und ich bin auch nicht von beruf sohn.
Rouven Born 08. Februar 2013, 17:45
Nur wer sich solche Fragen stellt, ist im richtigen Beruf. Sein tägliches Tun als Journalist zu hinterfragen ist richtig und wichtig. Ich mache das immer und immer wieder. Und mein Journalistenfeuer brennt noch immer. Mal mehr, mal weniger. Bleib dich selber, lass dich nicht verbiegen – und finde den richtigen Arbeitgeber.
klaas klaasen 08. Februar 2013, 20:06
Guten Tag
Aussteigen ist kein guter Ratgeber.
Als Krimiautor frage ich manchmal auch wozu weiterschreiben wenn ich feststellen muss das Verlage (Biel/Bienne) Ihr Wort nicht halten.
Klaas Klaasen
Matthias 12. Februar 2013, 14:11
Lieber Joel
Hör auf zu jammern. Das bringt nix. Ich finde es zwar gut, was du geschrieben hast. Mir geht es henau gleich. Oder besser: ging. Ich habe lange vergeblich versucht zum Mantel der Lokalzeitung zu wechseln. Dann hatte ich die Schnauze voll. Ich ging zur akad. Berufsbertung um mich beruflich neu zu orientieren. Ich bin fündig geworden und habe heraus gefunden, dass Journalismus eh nicht das idealste Berufsfeld für mich ist.
Im September starte ich den MBA with Major Information Science an der HTW Chur. Perspektive: rosig. Und genau mein Ding.
Such dir eine Perspektive. Das ist der beste Rat, den ich dir geben kann.
Gruess Matthias
Bernhard Schindler 15. Februar 2013, 16:40
Gut gebrüllt, Löwe, aber bitte nicht verzweifeln!
Lieber Joel Weibel
Du hast ja so recht. Es ist etwas faul im Staate und nicht nur in Dänemark. Aber Du solltest Dir vielleicht mal überlegen, weshalb?
Journalismus ist immer eine Mischung zwischen Idealismus und Realismus. Mal mehr Individualität, mal mehr „feu sacré“ für die Zeitung, für die Du schreibst. Es gab in der Schweiz schon Zeitungen, an denen Schriftsteller wie Dürrenmatt oder Diggelmann mitwirkten. Es gab den Roman Brodmann, dr kein Blatt vor das Maul genommen hat. Die Zeitung sind verschwunden, was sie geschrieben haben war nicht unbedingt ihrer beste Schreibe. Aber sie sind los geworden, was sie bewegt hat.
Aber, lass Dir das von einem alten Hasen sagen, der jetzt auch schon seit 12 Jahren den wohlverdienten Unruhezustand geniesst, Uner Journalismus krankt dpoch gar nicht unter Meinungseinschränkung. Jeder kann dort schreiben, wo er will, in der WOZ oder der Weltwoche, dem Tagi oder der BAZ.
Was wir wieder mehrbrauchen, das sind die rasenden Reporter wie Egon Kisch. Zeitungen brauchen Facts. Die Leser wollen Action sehen und keine Kommentare lesen.
Ich bin überzeugt, dass Du Dich zueinem Star-Rechercheur entwickeln kannst. Natürlich hauptsächlich in Deiner Freizeit, denn am Arbeitsplatz wohnt die Routine. Ich bin überzeugt, dass Du Dich mit Deinen Fähigkeiten sehr bal von Deinen Kolleginnen nd Kollegen abheben kannst, wenn Du die gegebenheiten einer Story sorgfältig recherchierst, sie sauber aufschrteibst und Deine Leser glustig machst, wieder von Dir zu lesen. Wenn einmal Dein Kürzel, Deine Unterschrift bekannt sind, reisst man sich das Bieler Tagblat aus den Händen um den „neuen JoelWeibel“ zu lesen.
Lieber Kollege, bleib dem Journalismus treu. Verwirklich Dich in Deinen Recherchen, Deinen Artikeln. Je bekannter Du bist, desto offener darfst Du schreiben.
Ich wünsche Dior, dass Du diesen Beruf geniessest und eines Tages überzeugt bist, das Richtige getan zu haben.
Bernhard Schindler
freier Journalist
Redaktor http://www.seniorweb.ch
Mark 05. März 2013, 14:52
Wie es derzeit leider um den Journalismus in der Schweiz steht, zeigt auch ein Artikel in der heutigen Aargauer Zeitung mit dem Titel „Hochstammobstbauern wollen nicht Anlagen-Überproduktion berappen“. Nein, ich spiele nicht auf den katastrophalen Titel an, sondern auf den Verfasser Kurt Bischof. Dieser führt eine PR-Agentur. Die ist -welch Zufall- verantwortlich für die Medienarbeit von Hochstamm Seetal, dem Verein, der die im Artikel beschriebenen Forderungen lancierte. Es stimmt sehr nachdenklich, dass sowas in der Schweizer Presselandschaft ohne jegliche Kennzeichnung möglich ist.
walter selle 06. September 2013, 16:42
hallo herr weibel, wie ist ihre entscheidung nun gefallen, oder wohin hat das leben sie geführt?
Joel Weibel 09. September 2013, 14:43
Die Entscheidung steht immer noch aus. Ich schreibe noch meine Abschlussarbeit an der Uni und arbeite gelegentlich als freier MA bei der Zeitung „Der Bund“ aus Bern. Z.B. heute: http://www.derbund.ch/bern/stadt/Die-wohlige-Waerme-des-Kampfes/story/25754320