Die Bilanz geht in die Welt
Das Schweizer Wirtschaftsmagazin «Bilanz» von Axel Springer erhält eine Schwester, aber eine nicht ganz selbständige: Die deutsche «Bilanz» wird heute erstmals der Tageszeitung «Die Welt» beigelegt und startet so aus der Poleposition.
Im Gegensatz zu anderen Printbabys muss das deutsche Wirtschaftsmagazin «Bilanz» nicht erst gedeihen. «Bereits mit der Erstausgabe ist die «Bilanz» quasi das auflagen- und reichweitenstärkste Wirtschaftsmagazin Deutschlands», sagt Chefredaktor Klaus Boldt (55). Der Grund: Die deutsche Ausgabe erscheint als monatliches Supplement der Tageszeitung «Die Welt» (220’000 Exemplare), sie muss sich also am Kiosk nicht direkt gegen die starke Konkurrenz behaupten. Boldt: «Das ist natürlich ein Vorteil. So können wir uns auf die journalistischen Inhalte fokussieren und müssen zunächst nicht auf Auflage und Reichweite schauen.»
Boldt will Massstäbe setzen
Apropos Konkurrenz: Der deutsche Markt ist nicht arm an Wirtschaftsmagazinen. Boldt selbst arbeitete lange für das Manager-Magazin (Spiegel-Gruppe) mit rund 110‘000 verbreiteten Exemplaren; weiter existieren Capital von Gruner + Jahr (139’000 Exemplare), die Wirtschaftswoche der Handelsblatt GmbH (165’000 Exemplare) oder Focus Money (130’000 Exemplare) – um nur einige zu nennen. Andrerseits musste vor zwei Jahren die Financial Times Deutschland ihr Erscheinen einstellen. Hat der deutsche Markt tatsächlich auf einen Impuls aus der Schweiz gewartet? «Wir sind davon überzeugt, dass sich die «Bilanz» im Lesermarkt etablieren wird. Auch die Rückmeldungen aus der Anzeigenvermarktung sind sehr ermutigend», sagt Boldt. Die erste Ausgabe ist bei einem Preis von 20’000 Euro pro Seite ausverkauft – ohne Einführungsrabatt.
In einem Punkt ist sich Boldt sicher: Die Schweizer «Bilanz» sei eine starke Medienmarke, die für «exzellenten Journalismus» stehe. So wurde die Liste mit den «300 reichsten Schweizern», die das Magazin jährlich publiziert, weltweit mehrfach kopiert. Auch Boldt selbst hat beim Manager-Magazin eine deutsche Liste der 500 Reichsten nach Schweizer Vorbild entwickelt.
Sein Anspruch an das deutsche Magazin «Bilanz» ist entsprechend hoch: «Wir wollen Massstäbe setzen und das beste und jüngste Wirtschaftsmagazin des Landes machen.» Dafür baut er ein Redaktionsteam aus Wirtschaftsexperten inklusive Netz freier Autoren auf. Und natürlich werde man auch einen Austausch mit der Schweizer «Bilanz» haben.
«Bilanz» gegen Manager-Magazin?
Das sieht auch «Bilanz»-Chefredaktor Dirk Schütz so, der aber beim Artikelaustausch auf Grenzen hinweist – inhaltlich (etwa nationaler Fokus) und punkto Erscheinungsweise: Die Schweizer «Bilanz» hat 23 Ausgaben pro Jahr, jene in Deutschland nur elf.
Offen ist, ob die deutsche «Bilanz» auch eine Liste der Reichsten lancieren wird – trotz der Bestehenden des Manager Magazins. Schütz kann sich das «gut vorstellen». Auch Boldt meint: «Die Liste ist sehr aufmerksamkeitsstark und das Knowhow für eine deutsche Version haben wir. Dennoch müssen wir genau schauen, was zum Profil der deutschen «Bilanz» passt. Vielleicht wäre eine Luxusausgabe mit Rangliste die passende Lösung für den deutschen Lesermarkt.»
Schon eine erwachsene welsche Schwester
Die Schweizer Zeitschrift «Bilanz» wurde Mitte der 1970er Jahre vom Jean-Frey-Verlag als Monatstitel lanciert. 2007 kaufte Axel Springer Verlag und Titel. Die französischsprachige Ausgabe Bilan ist eine Lizenzausgabe der «Bilanz» und wurde 1989 unter Führung von Edipresse lanciert. 2011 ging sie in den Besitz von Tamedia über. Beide Zeitschriften publizieren jährlich die Liste der «300 reichsten Schweizer». 2005 wechselten sie gemeinsam zu einer 14täglichen Erscheinungsweise. Chefredaktor der «Bilanz» ist Dirk Schütz, jener von Bilan heisst Stéphane Benoit-Godet.
Die «Bilanz» erscheint aktuell mit einer verkauften Auflage von 38’654 Exemplaren und hat 144’000 Lesern (Reichweite 3.1%), eine Anzeigenseite kostet 14’900 Franken. Bei Bilan beträgt die Auflage 13’035 Exemplare, die Reichweite 65’000 Leser (4.4%) und für 1/1 Seite bezahlt man 9’900 Franken.