Chancenlos
Mit Elke Heidenreich und der SRF-Literaturredaktion gegen sich, hatte Stefan Zweifel keine Chance, sich als Moderator des «Literaturclubs» zu halten. Ohne Zweifel verliert das Schweizer Fernsehen eine wichtige Möglichkeit, sachkundig und niveauvoll über Literatur zu sprechen. Der «Literaturclub» droht zur anspruchslosen Büchersendung zu verkommen.
«Ach, Herr Zweifel!» Es war dieser Stossseufzer, der irgendwann fast in jeder Sendung aufkam. Meistens dann, wenn es ein bisschen ins Detail zu gehen drohte oder Stefan Zweifel die Qualität einer Übersetzungen thematisierte. Er kam von Elke Heidenreich, die mit diesem herablassend-tantigen Ausruf zielsicher immer das sich gerade aus dem Boden reckende Pflänzchen des aufkommenden Niveaus niedertrampelte.
Es geht um den «Literaturclub», jene Sendung die einst als Gegenstück zum «Literarischen Quartett» im ZDF entstand. Übrigens ganz lange mit Elke Heidenreich als Moderatorin. Während Marcel Reich-Ranicki, den man heute noch «Literaturpapst» verklärt, in seiner Diskussionssendung über literarische Neuerscheinungen als «Fälle» sprach wie ein Richter, der über ihnen zu Gericht sitzt, ging es im «Literaturclub» des Schweizer Fernsehens immer ein bisschen ruhiger, gediegener und auch sachlicher zu. Wer den Klamauk des «Quartetts» schätzte, fand die Sendung eher langweilig. Für alle anderen war sie eher aufregend. Was übrigens auch unter der Moderation des genrefremden Daniel Cohn-Bendit blieb.
Etwas engstirnige Vermittlerin
Mit Stefan Zweifel als Moderator schien im Herbst 2012 der Neuanfang gemacht. Während die Vorgängerin Iris Radisch die Sendung zwanghaft verjüngen wollte und stattdessen «mit Trailern und anderen Sperenzchen» (Martin Ebel im «Tagesanzeiger») nur verwässerte, schien diese Gefahr mit Stefan Zweifel als Moderator und Rüdiger Safranski und Hildegard Keller als Mitdiskutanten gebannt. Als populäres Aushängeschild wurde dann noch Elke Heidenreich verpflichtet. Die hatte sich einige Jahre vorher durch illoyale Aussagen über ihren damaligen Arbeitgeber ZDF um ihren Job gebracht, galt und gilt als populäre, aber etwas engstirnige Vermittlerin.
Stefan Zweifel ist ein Kritiker mit hoher Kompetenz und fast penibler Akribie. Man folgt ihm gerne, auch wenn man nicht immer zustimmen mag. Unvorstellbar, dass er ein Buch bespricht, das er nicht vollständig mindestens ein Mal gelesen hat. Handelt es sich um eine Übersetzung, vergleicht er sie mit dem Original und entdeckt zuweilen Erstaunliches. Das ist, wenn man die Branche kennt, heutzutage schon ziemlich ungewöhnlich. Bei Zweifel steht zuallererst der jeweilige Text im Vordergrund, der mit einem analytischen Besteck untersucht wird. Dabei fällt er keine einfachen Urteile, wie sie in der inzwischen längst banalisierten Literaturkritik, die zuweilen nur Daumen hoch oder Daumen runter zu kennen scheint, an der Tagesordnung sind. Dass ihm dies gelegentlich den Vorwurf der Abgehobenheit eingebringt, wirft mehr ein Licht auf diejenigen, die ihm dies vorhalten als auf Zweifel selber.
Kritik aus dem Bauch heraus
Aber hierin lag der Hauptteil des Konflikts mit Elke Heidenreich, die fast immer Kritik «aus dem Bauch heraus» oder aus Sympathie für einen Autor/eine Autorin (mehrfach bei ihr als «Begründung» angegeben) übt. Dabei konnte man gelegentlich beobachten, dass sie Bücher, die ihr nicht gefallen haben, nicht oder mindestens nicht genau gelesen hatte. In der Sendung vom 22.4.2014 holte sie zu einer Tirade gegen die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff aus, die dies schön illustriert. Lewitscharoff war kurz vorher mit einer kontrovers diskutierten Rede über die moderne Reproduktionsmedizin aufgefallen und fast überall für ihre Bemerkung, im Reagenzglas gezeugte Menschen seien «Halbwesen», angegriffen worden.
Heidenreich nutze nun die Besprechung über Lewitscharoffs neues Buch «Killmousky» um das Buch und schliesslich auch die Autorin, die immerhin 2013 den Büchner-Preis erhalten hatte, als «dusselig», «blöde» und «dämlich» abzukanzeln (ab 32:30). Sie schreibe «Groschenromane» und die «deutsche Literaturszene» sei «krank» eine solche Autorin zu loben und auszuzeichnen. Schon in den Klappentexten würde sie über Gebühr gefeiert. Stefan Zweifel bemerkte daraufhin, dass auch schon Heidenreichs Sprüche auf Klappentexten Verwendung gefunden hätten, was sie als «billige Retourkutsche» bezeichnete. Entlarvend dabei, dass Heidenreich zwar bemerkte, noch nie ein Buch von Lewitscharoff zu Ende gelesen zu haben, sich dennoch aber doch ein derartiges Urteil anmasste. Auf diese Suada in einigen Interviews angesprochen, bemerkte Lewitscharoff, dass Heidenreich sie vor zwei Jahren gebeten hatte für einen Katzenanthologie einen Text beizusteuern (04:50). Wer oder was da wohl «krank» ist?
Die Sache mit Heidegger
Die Sendung am 22.4. hatte noch in einem anderen Punkt ein hohes Konfliktpotenzial. Als es um die Diskussion um Martin Heideggers sogenannte «Schwarze Hefte» ging, in denen dem Philosophen nun dezidiert (erneut) eine Gedankennähe zum Nationalsozialismus und sogar antisemitische Denkmuster nachgewiesen werden, setzte Heidenreich wiederum zu einem umfangreichen Monolog an, in dem sie indirekt zugab, die entsprechenden Bücher nicht gelesen zu haben (ab 1:00:04; «keine Lust, das ganz lesen»). Ihr Urteil stand trotzdem fest. Dabei zitierte sie einen Satz, von dem Zweifel sofort erwiderte, dass er nicht in den zur Diskussion stehenden Büchern aufgeführt sei. Mit einem mehrmals giftigen «Doch!» schmiss Heidenreich schliesslich das Buch auf den Tisch.
Das Zitat war eine Lüge. Wer jemals etwas von Heidegger gelesen hat, weiss, dass der von Heidenreich vorgelesene Satz niemals in dieser Form von ihm geschrieben worden sein kann: «Die verborgene Deutschheit müssen wir entbergen und das tun wir, indem wir die Juden endlich beseitigen aus Deutschland.» Der Halbsatz, der mit «indem» beginnt, ist eine Schlussfolgerung von Heidenreich, die sie aus Heideggers Schriften ableitet bzw. erfunden hat. Inzwischen hat Heidenreich auch zugegeben, das Zitat erfunden zu haben. «Das Wort ‹entbergen›…habe sie einem Artikel der Süddeutschen Zeitung entnommen, der im Dossier war, das ihr SRF für die Sendung zusammenstellte», heisst es bei Benedict Neff in der «Basler Zeitung».
Das Wort «entbergen» ist bei Heidegger ein wichtiger Begriff. Dass sie ihn in einem Dossier findet, spricht dafür, dass sie sich mit dem Philosophen für die Sendung nicht ausreichend auseinandergesetzt hat. Das ist nicht schlimm, sollte aber zur Folge haben, sich darüber dann nicht zu äussern. Genau dies hatte Heidenreich aber getan.
Korrektes Zitieren
Es ist kein Wunder, dass eine von zwei Bedingungen, die Stefan Zweifel an die Redaktion des «Literaturclub» stellte, die Zurücknahme dieses sogenannten Zitates von Heidenreich ist. Es sollte essentiell für eine solche Sendung sein, dass Zitate richtig und korrekt wiedergegeben und nicht willkürlich aus Satzfetzen zusammengemischt werden. Heidenreich als Germanistin weiss das. Ihre Verblüffung um diese Diskussion muss daher geheuchelt sein.
Offensichtlich hatte Zweifel die zuständige Redaktionsleiterin Esther Schneider aufgefordert, das Zitat zu überprüfen, was diese ablehnte. Diese Ablehnung ist mit einer Parteinahme für Heidenreich gleichzusetzen. Dass Zweifel in seiner zweiten Bedingung auf die Absetzung von Schneider insistierte, verwundert nicht.
Elke Heidenreich war von Beginn an das Problem in dieser neuen Zusammenstellung der Diskussionsrunde, was ich bereits nach den ersten beiden Sendungen andeutete. Im Gespräch mit Ronnie Grob beschrieb Stefan Zweifel seinen Moderationsstil: «Ich möchte eigentlich eine Moderation machen, die fast eine Nicht-Moderation ist» und sprach von einem «gemeinsamen Spaziergang».
Fehlende Gruppendynamik
Dieser kollaborative Stil, der sich jenseits festgezurrter Hierarchien bewegt, verlangt ein Höchstmass an Vertrautheit und Vertrauen innerhalb des Teams. Die Zeichen hierzu standen jedoch schlecht. In den ersten Sendungen unter Zweifels Ägide war Rüdiger Safranski krank (und wurde gut von Rainer Moritz vertreten). Später fehlte Hildegard Keller mehrfach; ihre Tätigkeit in den USA nahm sie wohl mehr in Anspruch als man dachte. Eine gruppendynamische Eingespieltheit konnte so nicht aufkommen. Einzig Elke Heidenreich war bei allen 17 Sendungen, die Zweifel moderierte, anwesend.
Und so schön sich der «gemeinsame Spaziergang» anhört – er setzt voraus, dass man mindestens ungefähr in die gleiche Richtung geht, das gleiche Ziel verfolgt. Mit Heidenreich war dies nur eingeschränkt möglich. Zum einen lässt sie mit Vorliebe andere Mitdiskutanten nicht ausreden und hat die Moderatorenrolle, die sie in dieser Sendung einmal hatte und später in «Lesen!» im ZDF in anderer Weise fortführte, niemals abgelegt. Heidenreich liess es dabei auch an Respekt vor der Rolle des (viel jüngeren) Stefan Zweifel in seiner Funktion als Moderator mangeln. Zum anderen verabscheut Heidenreich tiefergehende, am Text sich orientierende Analysen.
Natürlich ist eine solche Sendung keine literaturwissenschaftliche Vorlesung, aber etwas mehr als «Bauchgefühl» und die Aussage, sie habe einen Schriftsteller immer schon gemocht, sollten doch möglich sein. Zweifel, der versuchte eine Synthese zwischen dieser trivialen Sicht auf Literatur und der zuweilen tatsächlich abgehobenen Literaturwissenschaft anzubieten, musste gleichzeitig auch noch eine plappernde Heidenreich sanft bändigen, was dann wiederum seinem kollaborativen Moderationsansatz widersprach.
Der Austausch von Argumenten ist schwer, wenn der andere ausser Geschmacksurteilen und Gesinnungskritik nichts zu bieten hat. Hinzu kam, dass Heidenreich durch zuweilen arg volkstümliche, intellektuell eher bescheidene Phrasen um Beifall beim Publikum buhlte. Erschreckend war beispielsweise, dass die Wutrede auf Lewitscharoff mit Applaus belegt wurde, den Heidenreich auch noch als wohltuend für sich wertete und als Zustimmung auffasste. Hatten eigentlich die Applaudierenden die inkriminierten Bücher von Lewitscharoff gelesen und konnten daher Heidenreichs Philippika einschätzen? Was ist das für eine Literaturkritik, die sich für Affekte des Publikums hergibt?
Heidenreich als hektische Lehrerin
Spätestens seit der Dezember-Sendung im letzten Jahr knirschte es zwischen Heidenreich und Zweifel. Dieser hatte in einer Besprechung über J. M. Coetzees Buch «Die Kindheit Jesu» unvermittelt von einem Besuch in einer Schule erzählt (ab 49:50), in der er eine Deutsch-Lehrerin getroffen habe, die ihren Schülern Urteile über Gedichte und Prosa nach «richtig» und «falsch» abfragte und immer genau die Bedeutung des Textes wusste. Was nur wenige ahnten, mir aber später bestätigt wurde: Der Moderator hatte eine Allegorie verwendet. Mit der hektischen Lehrerin, die ihre Schüler nicht ausreden lässt und nur nach ihren eigenen Gewissheiten benotet, war Heidenreich gemeint.
Tatsächlich prallen mit Zweifel und Heidenreich zwei Welten aufeinander. Insofern ist die Ablösung Zweifels nicht nur eine Entscheidung gegen die Person des Moderators. Es ist auch eine Entscheidung wie man den «Literaturclub», wie man Literatur im Fernsehen positionieren will: Hier das lustige, harmlose Leseempfehlungsgequatsche ohne besonderen Tiefgang. Dort die interessierte, neugierige, nicht immer sofort in ein Klischee einsetzbare Rede über ein Buch. Hier Facebook-Plauderei und Kaffeekränzchen, dort der Versuch, Texten und ihrer Komplexität (sofern vorhanden) gerecht zu werden.
Die Degradierung Zweifels ist ein eklatanter Fehlgriff. Er ist vielleicht nicht für die Rolle des Moderators geboren, aber die Respektlosigkeit Heidenreichs nicht nur Zweifel gegenüber sondern auch der Sache, diese Aufgabe jeglicher der intellektuellen Redlichkeit (Falschzitat) hätte man auch nicht mit einem cholerischen Moderator verhindern können. Wenn man Zweifel jetzt mangelnde Durchsetzungsfähigkeit ankreidet, und gleichzeitig seinem Wunsch der Zitatverfolgung nicht nachkommt, ist dies ziemlich bigott. Die zuweilen erwähnte Wandlung Zweifels vom «leidenschaftlichen Mitstreiter» zum «umsichtigen Moderator« (Anna Kardos) hat weniger mit Zweifel als mit der Konfrontationsstrategie Heidenreichs zu tun.
Sie wird bleiben
Heidenreichs Engagement für den «Literaturclub» ist durchaus langfristig angelegt. Im Januar 2013 kündigte sie ihre Herausgeberschaft bei der «Edition Elke Heidenreich» beim Bertelsmann-Verlag (gehört zur Random House-Gruppe) auf. Sie wird bleiben, zumal sie offensichtlich die Rückendeckung in der Redaktion besitzt. Stefan Zweifel hat erkennen lassen, dass er nicht ins zweite Glied zurücktreten möchte, zumal ja unter Umständen Elke Heidenreich jetzt als Moderatorin eingesetzt werden könnte. Damit verlöre der «Literaturclub» fast die letzte Möglichkeit, sachkundig im Rahmen des Mediums Fernsehen niveauvoll über Literatur zu sprechen, da ihm in dieser Situation womöglich die willigen ModeratorInnen respektive TeilnehmerInnen ausgehen. Nicht Stefan Zweifel hat die Sendung gesprengt, sondern Unvermögen auf Seiten des Schweizer Fernsehens und das bösartige Intrigantentum von Elke Heidenreich.
Wer die Sendung am 23. Juni moderieren wird und wie die Besetzung aussieht, ist vollkommen offen. Frau Heidenreich ist es vermutlich egal, wer unter ihr Chef sein wird. Der «Literaturclub» wird zur Buchsendung. Ich bin dann mal weg.
Roberto 23. Mai 2014, 13:42
Das wirklich Tragische ist (ich habe so ziemlich alles von Heidegger gelesen): Heidegger lehnte in seinem Denken den christlichen Antisemitismus und biologischen Rassismus der Nazis als primitiv ab! Er war ein Kritiker des modernen, rein wissenschaftlich-technischen Denkens – einer modernen Wissenschaftsreligion, die nur das für wahr hält, was berechnet werden kann. In diesem Zusammenhang kritisierte er manchmal Teile der jüdischen Geisteselite. Das war Kulturkritik und kein Rassismus! Heidenreich und auch andere müssten wissen, dass die 15 privaten Zitate Heideggers im Vergleich, zudem was sonst so über die „Juden“ gesagt wurde, harmlos sind. Selbst hellsichtige liberale Schriftsteller wie Mann oder Brecht sprachen manchmal wie Heidegger z.B. vom „Weltjudentum“, jüdischer Rasse“, Dominanz der Juden im Bankgeschäft usw. Aus heutiger Sicht dumme Vorurteile, damals leider allgemeiner Zeitgeist. Die Nazis mit ihrer „Religion des Blutes“ waren viel viel schlimmer!
Lothar Struck 23. Mai 2014, 13:55
Heideggers Rolle während des Nationalsozialismus bekommt ja gerade durch die Schwarzen Hefte einen neuen Interpretationsschub. In Frankreich, wo der Philosoph bisher sehr viel unbefangener rezipiert wurde, laufen zur Zeit einige Kampagnen mit Heideggers Sympathien zum Nationalsozialismus (die sich ab Mitte der 30er Jahre bereits merklich abkühlten, obwohl er tatsächlich bis zum Schluss seine Mitgliedsbeiträge bezahlt hatte) auch seine Philosophie zu desavouieren bzw. nazistische Elemente in ihr zu entdecken.
Man kann das sicherlich alles diskutieren, aber sollte gerade bei diesem Thema ein gewisses Niveau beachten. Zumal die Sendung im Fernsehen ausgestrahlt wurde und nicht eine private Runde war. Es gibt einige zeitgenössische, die Heidegger vom Antisemitismus freisprachen (u. a. Hannah Arendt), aber sie hatten die Notizen Heideggers noch nicht gelesen. – Heidegger verabscheute übrigens den Katholizismus; Sie haben Recht.
Ich verstehe, dass man Heideger sperrig findet und vielleicht nicht lesen mag. Dann soll man aber in einer Literatur- und Lesesendung sagen, dass man keinen Zugang zu der Sache hat. Heidenreichs Aussage, das sei etwas für die Philosophen und habe in einem Literaturclub nichts zu suchen, ist Unsinn. In der letzten Sendung schlug sie in den „Tipps“ einen Bildband bestehend aus Kuhphotographien in schwarz-weiss vor. Das hat viel weniger in einer Literatursendung zu suchen, sagt aber einiges über die Tippgeberin aus.
Detlev Piecha 23. Mai 2014, 19:06
Apropos: „(ich habe so ziemlich alles von Heidegger gelesen)“ … auch das Einschlägige à la Heidegger 1933 in Schneebergers „Nachlese zu Heidegger“?
Habe ich vor längerem mit Erlaubnis Schneebergers in Netz legen lassen:
http://kops.ub.uni-konstanz.de/handle/urn:nbn:de:bsz:352-224429
Wer nicht im Gerede hängen bleiben, sondern etwa wissen will, was Emmanuel Levinas, dem der alte Freund Maurice Blanchot Schneebergers „Nachlese“ zu lesen gab, vom „Diabolischen“ sogar schon in Heideggers „Sein und Zeit“ sprechen ließ, kann das im KOPS der Universität Konstanz downloaden und den Heideggerschen Kontext à la 1933 in dem „Klassiker“ der „Heidegger-Kritik“ aus dem Jahre 1962 dort nachlesen.
Ja, Elke Heidenreich hat falsch zitiert, aber das von ihr zu Heideggers „Überlegungen XII, 12. Die verborgene Deutschheit“ in GA 96, S. 29 ff dazu ergänzte, ist nicht im Entferntesten so gewaltsam wie Heideggers Interpretationen und doch auch „eigentlich“ nur sinngemäß und durchaus divinatorisch im schönsten hermeneutischen Sinne ergänzt und dass die Zitate Heideggers „harmlos“ sein sollen, wird wohl kaum einem ernsten philologischen Nachfragen standhalten, wie Sie sicherlich gerne bestätigen werden können, wenn Sie bei Heidegger dann – auch bei „Schneeberger“ – nachgelesen haben werden?
Roberto 23. Mai 2014, 21:16
Lieber Detlev Piecha,
Was Elke H. gemacht hat ist m.E. nicht harmlos. Die Zuseher müssen nun glauben, dass Heid. die Juden umbringen, „beseitigen“ wollte. Ein Philosoph, der für die „gewaltlose Verwindung“ des modernen Machtdenkens eintrat und das pazifistische Dichtertum verherrlichte? Niemals in seinen Werken für Krieg eintrat, Hass verurteilte!?
Die Zuseher werden falsch informiert, es wird so getan, als wären die wenigen Zitate aus den Heften, in denen H. privat Vorurteile gegenüber Juden zeigt, unglaublich schlimm gewesen. Das Gegenteil ist der Fall, im Vergleich zum Zeitgeist war er sogar noch harmlos. Einige Beispiele: in der SPD z.B. sprach man offiziell vom “schachernden Geldjuden”, der “Verjudung Deutschlands”, sogar von “Rassenhygiene”. T. Mann schrieb z.B. Aufsätze über die “Lösung der Judenfrage”. Adenauer sprach noch in den 1960ern vom “Weltjudentum „und seinen Plänen, für die Kirchen galten Juden als “Gottesmörder” u. “Söhne des Teufels” usw. selbst Brecht sprach v. Juden als “Rasse” usw. Wenn man so vorgeht, wie jetzt bei Heidegger, kann man nahezu jeden aus dieser Zeit als Nazi hinstellen und eine Hysterie schüren.
Schneeberger bezieht sich nur auf Amtsdokumente der Uni 1933-34. H. war in die Partei eingetreten, weil man ihm angeboten hatte, das Uni-Wesen zu reformieren. Er wollte die klassische Bildung ausbauen und die Uni gegen die modernen technisch-naturwissenschaftlichen Fächer behaupten („Selbstbehauptung der Uni“) Die technikverrückten Nazis wollten aber technisch-wissenschaftlich hochrüsten, um Krieg zu führen. H. trat deshalb dann 1935 vom Rektorat zurück und begann die Ideologie der Nazis in seinen Vorlesungen philosophisch zu kritisieren. Ein Held war er sicher nicht. Aber sicher auch kein Nazi, Kriegstreiber, Judenhasser usw. Das war mit seinem Denken unvereinbar.
Detlev Piecha 24. Mai 2014, 13:18
Lieber Herr Roberto!
Eine Schlussbemerkung vielleicht doch noch zu Ihrer Entgegnung: Ich wollte eigentlich für Interessierte nur auf den Link nach Konstanz – http://kops.ub.uni-konstanz.de/handle/urn:nbn:de:bsz:352-224429 – aufmerksam machen, um zugleich auf den einfachen Sachverhalt hinzuweisen, was man alles schon spätestens seit 1962 zum „Fall Heidegger“, mehr als ein Vierteljahrhundert vor der „Heidegger-Kontroverse“, hätte wissen können. Ich hatte die in der Kritik stehende Sendung am sonntäglichen Morgen in 3sat gesehen und hatte da schon die diversen Feuilletons und die inzwischen auch online zugänglichen Sendungen mit Peter Trawny & Rüdiger Safranski und Jürgen Kaube und aus alter Solidarität mit Guido Schneeberger auch die Lektüre der Bände GA 94 – 96 hinter mir und ich muss gestehen, ich kann und will meiner Sympathie für dieses „Doch!“ der Elke Heidenreich trotz des mit Bezug auf Thomas Meyer in der Süddeutschen Zeitung v. Dienstag, 25. März 2014, Nr. 70, S. 14 ergänzten Zitats kein Grab schaufeln.
Dieses „Doch!“ hat sie in der Sendung völlig zu recht gesprochen, bei aller Kritik, die man ansonsten an ihrer Rolle im „Literaturclub“ vielleicht haben könnte! Dieses „Doch!“ hatte bei dem vorherigen, von wenig Sachkenntnis verursachten Rumgeiere Stefan Zweifels durchaus etwas von einem „sapere aude!“, was man in dieser Sendung, ja leider allzu oft schmerzlich vermisst?
Und ich kann Heidenreichs Zorn nach diesen 536+455+285 Seiten der GA 94-96 nachvollziehen und wer diese Bände der „Schwarzen Hefte“ und auch die alte in burgunderrotem Leinen gebundene „Nachlese“, die unter der Obhut von Karl Jaspers und auch Heinrich Barth im Selbstverlag erschienen ist, weil sich auf Druck des Heidegger-Managements kein Verlag fand und die danach geradezu diffamiert worden ist, wirklich mit ein wenig Sorgfalt gelesen hat, wird wissen, dass dieser Zorn des „Doch!“ mehr als nur einen guten Grund hat, da hilft auch alles Safranski’sche Beschwichtigen nichts.
Was „Schneeberger“ betrifft, den könnten Sie ja jetzt in der entsprechenden *.pdf mit der hilfreichen Funktion „Suchen“ samt Heidegger im Leipziger NS-Fahnenmeer des 18. November 1933 (S. 144a) in Konstanz oder auch im „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ gleichfalls als *.pdf – https://archive.org/details/bekenntnisderpro00natiuoft – online nachlesen? Sie werden nämlich dann sehr schnell u. a. auch bemerken, wie sehr Sie mit Ihrer Umschreibung „bezieht sich nur auf Amtsdokumente der Uni 1933-34“ daneben liegen und vielleicht Ihr Urteil ja sogar überdenken und vielleicht lesen Sie danach endlich auch einfach mal in GA 96, S. 29 jene Stelle zu „12 – Die verborgene Deutschheit“ wirklich einige Seiten im close reading (!) weiter oder zu dem sog. „Wesen der Deutschen“ in GA 94, Überlegungen VI, S. 510, GA 95, Überlegungen VII, Motto (vgl,. S. 84), S. 30, 31; Überlegungen X, S. 299, S. 339 gelegentlich mal nach, was da so alles heideggerisch an „Deutschheit“ herum-west? Sie werden vermutlich dann auch noch feststellen, dass die eigentliche Peinlichkeit in dieser Sendung nicht Heidenreichs kongenial ergänztes Zitat war, sondern Rüdiger Safranskis Reaktion darauf, der es eigentlich besser weiß, wie es mit der ausdrücklichen Gewalt, dem berüchtigten „interpretari“, Heideggers gerade – aber nicht nur – im Hinblick auf „Literatur“ bestellt ist und vielleicht erahnen Sie dann auch ein wenig mehr, was Emmanuel Levinas mit dem „Diabolischen“ (Altwegg, J., Hg., Die Heidegger-Kontroverse, FfM 1988, S. 101 ff) bereits in „Sein und Zeit“ gesehen haben mag?
Was die Anderen angeht, die Sie in den „Zeugenstand“ gerufen haben, um Heidegger zu entlasten – vielleicht lesen Sie mal Ludwig Marcuses Rezension (Die Welt. Nr. 104. Hamburg, 5. Mai 1962) zu „Schneeberger“, „Ein Musterbeispiel für die deutsche Elite. Beweismaterial zum Fall Heidegger“, wo Marcuse am Ende resümiert: „Wer stellt den zweiten Dokumentenband zusammen? Nicht eine Sammlung von Attacken, sondern von lehrreichen Beweisstücken. Ich schlage vor: zum Beispiel Max Planck. Ich schlage es nicht aus Rachsucht vor. Ich möchte lernen.“?
Roberto 24. Mai 2014, 20:24
Bitte lieber Detlev Piecha, denken Sie nach! 536+455+285 Seiten „Schwarze Hefte“: 15 kleine private Zitate ohne Zusammenhang; die schlimmsten: Weltjudentum könnte USA zum Krieg gegen Deutschland drängen, Juden lebten nach Rasseprinzip (man konnte nicht zum Judentum übertreten), Juden vor allem mathematisch begabt usw. Googlen sie einfach mal andere Schriftsteller der Zeit und vergleichen Sie. Heideggers Werk hat über 10000 S. und die Kritiker suchen mit Computern nur nach möglichen Nazi- und Deutschtum-Stellen. Diese 25 Stellen, – überhaupt Gedanken zu Deutschtum, Rasse, Blut – haben in seinem Denken keine Bedeutung (kommen in SuZ z.B. nicht vor). H. untersucht die Seinsfrage seit Platon; er meint, dass die deutsche Philosophie dank der deutschen Sprache, die der griechischen verwandt ist, hier Wegweisendes geleistet hat (Kant, Schelling, Hegel usw.). Das war sein Stolz auf Deutschland, mehr nicht. Hölderlin, sein Lieblingsdichter, ist der schärfste Kritiker der Deutschen in der Literatur überhaupt („Barbaren seit altersher“). Warum spricht H. in den Heften vom NS z.B. als „barbarisches Prinzip“?
Die Kritiker gehen nicht von seinem Denkweg aus, der mit den Nazitum unvereinbar ist, sondern von irgendwelchen einzelnen Textstellen, die man in Richtung Nazitum interpretieren kann.
Übrigens, H. wusste, dass er zu feige gewesen war, um den Nazis entgegenzutreten: „Daß wir noch leben, ist unsere Schuld“, war seine Antwort an einen jüdischen Schüler.
Detlev Piecha 24. Mai 2014, 21:00
Ach, lieber Herr Roberto, ich habe nachgedacht … und das, zu dem ich etwas kritisch anmerkte, auch vorher wirklich gelesen!
Sollte ja eigentlich eine „Schlussbemerkung“ von mir sein, die letzte Antwort an Sie – aber Ihr „Daß wir noch leben, ist unsere Schuld“, war seine Antwort an einen jüdischen Schüler.“ lässt mich nochmals reagieren und darauf verweisen, das DIES von Karl Jaspers stammt und er dürfte den lieben Martin Heidegger fest mit im Blick gehabt haben, denn alles, was Jaspers da beschreibt, betrifft genuin und in nuce Heidegger!
Tja, die Sache mit dem Lesen und den Zitaten hat so seine Tücken?
Sie interessiert die Quelle:
„Wir Überlebenden“ schreibt JASPERS in einer seiner ersten öffentlichen Äußerungen zum HITLER-Staat, „haben nicht den Tod gesucht. Wir sind nicht, als unsere jüdischen Freunde abgeführt wurden, auf die Straße gegangen, haben nicht geschrieen, bis man auch uns vernichtete. Wir haben es vorgezogen, am Leben zu bleiben und mit dem schwachen, wenn auch richtigen Grund, unser Tot hätte nichts helfen können. Daß wir leben, ist unsere Schuld. Wir wissen vor Gott, was uns tief demütigt.“ [Zit. n. SANER, H.: Jaspers in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek b. Hamburg, l979 5, S. 50]
Roberto 24. Mai 2014, 23:37
20. Januar 1948 Antwort an Herbert Marcuse :
„1934 erkannte ich meinen politischen Irrtum, legte unter Protest gegenüber Staat u. Partei mein Rektorat nieder. (…)Sie haben völlig recht, daß ein öffentliches, allen verständliches Gegenbekenntnis von mir fehlt; es hätte mich ans Messer geliefert und die Familie mit. Jaspers sagte dazu: Daß wir leben, ist unsere Schuld.
Ich habe in meinen Vorlesungen und Übungen von 1934/44 einen so eindeutigen Standpunkt eingenommen, daß von denen, die meine Schüler waren, keiner der Naziideologie verfiel. Meine Arbeiten aus dieser Zeit werden, wenn sie einmal erscheinen, dafür zeugen.
Ein Bekenntnis nach 1945 war mir unmöglich, weil die Nazianhänger in der widerlichsten Weise ihren Gesinnungswechsel bekundeten, ich aber mit ihnen nichts gemein hatte.“ (GA 16, 430)
Ekkehard 24. Mai 2014, 12:19
Danke für den Schneeberger-Text.
Lothar Struck 23. Mai 2014, 20:02
@Detlev Piecha
Schneebergers Buch ist eine Textsammlung bestehend aus Artikeln, Aussagen von Zeitzeugen und Zitaten Heideggers – alle gesammelt im Bezug auf die NS-Gesinnung Heideggers. Ich habe das nicht philologisch gelesen, mir aber sagen lassen, dass einige Zitate unkorrekt sind. Das macht aber nichts, denn der Tenor ist eindeutig. Aber selbst Heidegger hat seine Affinität zum Nationalsozialismus nie geleugnet (im Gegensatz zu so manchem anderen Intellektuellen). Er hat natürlich nach ’45 einige Legenden gestrickt, um sein Verhalten in ein besseres Licht zu setzen.
Ich glaube, der Rahmen dieser Diskussion würde gesprengt, wenn wir genauer in die Thematik einsteigen würden. Zurück also zum Zitat: Für mich gibt es in diesem Kontext kein aber. Heidenreich hat falsch zitiert und dies vermutlich vorsätzlich um eine Eskalation zu inszenieren. Hätte sie später ihren Fehler eingestanden, wäre die Sache vom Tisch, zumal es sich ja nicht um ein literaturwissenschaftliches oder philosophisches Seminar handelt. Ihr Insistieren auch noch Wochen danach, ihre Verblüfftheit – das geht wirklich nicht. Auch die vermeintlich „richtige Gesinnung“ muss sich auch an Regeln messen.
Um es deutlich zu sagen: Es geht nicht primär um Heidegger, es geht darum, ob in einer solchen Sendung eigene Lektüreschlüsse oder Meinungen als Zitate angegeben werden dürfen.
Detlev Piecha 24. Mai 2014, 13:57
Lieber Herr Struck, den „Fall“ Heidenreich sehe ich im Kontext dieser Sendung etwas anders und mein „sapere aude!“ zu deren „Doch!“ im Sinne eines „aber“ habe ich ja oben an Herrn Roberto kurz zu erläutern versucht? Aber Sie haben selbstverständlich Recht, auch die „richtige Gesinnung“ hat sich an Regeln zu halten, selbst wenn es sich dann ergibt, dass da in dieser Zitat-Kompilation als „interpretari“ etwas zusammengekommen ist, was eben durchaus „Sinn“ macht und Heidegger nicht „verfälscht“!
Lothar Struck 24. Mai 2014, 14:52
Ihre Nonchalance ist erstaunlich, zumal wenn es um wissenschaftliche Ansprüche geht. Tatsächlich hat Heidegger nie den inkriminierten Ausspruch getätigt. Ob er dann Heideggers Denken entspricht kann man ja diskutieren, aber eben nur, wenn man ihn als Interpretation und nicht als Zitat sieht. Indem man ihn zum Zitat macht, verfälscht man.
Detlev Piecha 24. Mai 2014, 15:32
„Lothar Struck, 24. Mai 2014, 14:52
… aber eben nur, wenn man ihn als Interpretation und nicht als Zitat sieht …“
Ja, d’accord: Deshalb ja auch mein ausdrückliches, ganz und gar nicht von Nonchalance getragenes „interpretari„, war eher sophisticated gemeint, sozusagen als ironisches Heidegger-Zitat à la Davos 1929 aus dem Munde von Otto Friedrich Bollnow. Sie kennen ja vermutlich diese unheimliche Szenerie mit Bollnow als Heidegger und Levinas als Cassirer auf dem „Zauberberg“ … z. B.: http://www.warburg-haus.de/eca/davos.html ?
Anita Lüdi-Moos 23. Mai 2014, 13:56
Es ist sehr bedauerlich. Herr Zweifel ist ein kompetenter Literaturfachmann mit bewunderungswürdigem Einsatz für sorgfältige Übersetzung. Eine gute Ergänzung zu der eher populistischen, temperamentvollen und durchaus sympathischen Frau Heidenreich, die allerdings keine Fremdsprachenkenntnis hat.
Peter Eberhard 23. Mai 2014, 15:21
Ich finde es auch schade, dass Stefan Zweifel offenbar nicht weitermacht. Gewiss hat er ein leicht elitäres Gehabe, aber er versteht etwas von Literatur, nimmt sie ernst und kann differenzieren. Ich erwarte vom Literaturclub eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den besprochenen Büchern inkl. Analyse der Beziehung zwischen Sprachform und Inhalt/Plot. Die Instant-Kritik von Ignoranten, wie sie auch in der Filmrezension längst dominiert (mit wenigen Ausnahmen), kann mir gestohlen bleiben.
Lothar Struck 23. Mai 2014, 15:23
Ich habe bei Zweifel nie „elitäres Gehabe“ festgestellt. Es sei denn, das, was Sie selber als wichtige Eigenschaften von Literaturkritik aufzählen, sei auch schon elitär. Dann würde ich mit Freude dieses Attribut annehmen.
Roberto 23. Mai 2014, 15:48
Lieber Herr Struck!
Sie haben absolut Recht! Das ist ja das Peinliche: Wenn ein Philosoph etwas mit Literatur und Dichtung zu tun hatte, dann Heidegger. Wis sie schon angedeutet haben, H. wandte sich ab 1935 von den Nazis ab, kritisierte nietzeanische Politik („Weg ins Verbrechertum“), Blut- und Bodenideologie und Rassepolitik („Entmachtung des Geistes“). Er entwickelte das Konzept, seine Philosophie in der Dichtung Hölderlins, einem Verehrer der frühgriechischen dichterisch-spirituellen Welterfahrung (u.a. Platon), aufgehen zu lassen. Philosophie sollte zur Dichtung (Kunst) werden: Nur in der Dichtung (Kunst) kann die (göttliche) Einheit des Schönen, Wahren, Guten noch erfahren werden, abstraktes Denken, Wissenschaft und Technik helfen da nicht. Stefan Zweifel nahm indirekt darauf Bezug, als er davon sprach, dass H. das Hören auf die Sprache fördern wollte und Safranski sprach von der Dichtung des Parmenides, Platons, die am Beginn der Philosophie stünden. Die beiden wissen, von was sie sprechen, im Gegensatz zu E. Heidenreich.
Elisabeth 23. Mai 2014, 18:43
Hahnebüchend, Schiltbürgerei!
Kaum zu fassen, dass sich SF DRS-Verantwortliche anmassen, zu zensurieren, zu schikanieren und den Stefan Zweifel rügen, weil er sachlich ein Zitat widerlegt hat, was soll diese Blödheit in der Verblödungsanstalt. Gut, dass Herr Zweifel da den „Hut nimmt“, soll sich jemand anderes in diesen Glaskasten setzen. Ist es die Glotze noch wert?
Fred David 23. Mai 2014, 20:04
Nimmt sich da der etablierte Literaturbetrieb nicht etwas zu wichtig? Bücher werden für Leser gemacht, nicht für Kritiker. Und eine Literatursendung für Zuschauer.
Dann zofft es da halt mal. Ja und? Es ist schliesslich Fernsehn, kein Uni-Seminar. In solchen Situationen st es eben schwierig, wenn sich ein Moderator selber explizit als Nicht-Moderator versteht.
Ob man da unbedingt Martin Heidegger zelebrieren muss, darf man ruhig in Frage stellen. Die Runde scheint jedenfalls nicht der ideale Ort, um sich über die Begrifflichkeit von „entbergen“ zu streiten.
Und das vermukste Zitat hätte sich in der nächsten Runde mit ein paar luziden Bemerkungen richtig stellen lassen, das ist doch keine Staatsaffäre.
Aber gern dann auch mit dem Hinweis, dass der Philosoph Martin Heidegger bis zum Exitus des Nazireichs brav seinen Beitrag als NSDAP-Mitglied bezahlt hat.
Ekkehard 24. Mai 2014, 12:15
Die Diskussion ist sehr komplex. Ich möchte deswegen nur einen paar allgemeinene Gedanken einbringen:
Ein Werk wird dann als Kunstwerk bezeichnet, so es für sich und unabhängig von Kenntnis der Biographie des Autors betrachtet (gehört, gesehen, gelesen) werden kann. Über Shakespeare bespw. wissen wir nichts. Aber würden wir seine Werke anders interpretieren, wenn wir wüssten wie er im Alltag dachte? Carravaggio hatte jemanden ermordet im Rausch und war für den Rest seines Lebens auf der Flucht. Hieraus ergeben sich auch die heute so bewundernswerte Maltechnik, die entstand, weil er seine frisch gemalten Leinwände immer wieder schnell einpacken musste, wenn er neue Versteckte suchen musste. Dennoch lieben wir die Malerei des C., auch wenn er als Mörder auf der Flucht war….
Ähnliches gilt für das Werk Wagners. Die Musik ist das eine, die Alltagsdenke des Komponisten ist das andere. Hätte er ein Werk über Antisemitismus geschrieben, müsste man ihn vlt. tatsächlich neu betrachten als Komponist wie auch als Person. So aber bleiben Person und Komponist voneinander unabhängig.
Diese Art von Schizophrenie, einerseits geniale Kunstwerke zu schaffen, andererseits aber ideologisch fixiert zu sein, findet man bei sehr vielen Künstlern. Besonders im 3. Reich oder anderen Diktaturen (Schostakowich liebte seine Heimat und musste sich arrangieren mit Stalin – aber die Musik ist genial und voller Kritik am System!) lässt sich diese Inkonsequenz aus künstlerischem und alltäglichem Denken bei vielen nachweisen.
Heidegger hat geniale Gedanken entwickelt einerseits und andererseits musste oder wollte er sich mit der Diktatur irgendwie arrangieren.
Ist Oskar Panizza wirklich ein Antisemit, weil er „Der operirte Jud!“ (er schrieb wie er sprach) oder „Eine Negergeschichte“ schrieb einerseits und andererseits aber äußerst selbst- und gesellschaftskritisch und ein genialer Erzähler gewesen war?
Die Frage ist also:
Darf man die alltägliche (politische) Anpassungsstrategie von Künstlern mit dem Kunstwerk überhaupt in Bezug setzen. Darf oder muss man stets eine konsequente Haltung des Künstlers auch in seinem Alltag wiederfinden? Wie viele Künstler würden uns dann übrig bleiben? Wo darf man Abstriche machen und wo darf man es nicht? Wer will darüber richten?
Annabelle Huber 24. Mai 2014, 14:17
Einmal mehr werden wir Zeugen, wie ein Schweizer durch eine „hochqualifizierte“ Deutsche aus einer Schweizer Institution rausgemobbt wird.
Zumal noch durch eine Deutsche, welche sich unverhohlen nichts macht aus Schweizer Literatur.
Heidenreich hat sich in einem Club seinerzeit,- als ich aufhörte den Literaturclub zu schauen wenn Heidenreich mit von der Partie war, -aufs Abfälligste über Gottfried Keller geäussert,
Beschwichtigungsversuche, das zeitliche Umfeld müsse auch berücksichtigtigt werden, liess sie nicht gelten: Das Werk müsse aus sich heraus sprechen. Um dann kurze Zeit später das wirre Werk eines Spaniers vorzustellen, mit dem Anspruch, das Umfeld müsse unbedingt auch berücksichtigt werden bei der Beurteilung dieses Werkes.
Früher gab es Heidenreich- freie Clubs, jetzt lauert sie in jeder Sendung wie eine Spinne auf .
Ich habe mir den Heidegger Club ausnahmsweise nachträglich angesehen.
Heidegger ist Heidenreich zu kompliziert und die Lewitscharoff zu simpel, gute Gründe, dass sie beide nicht gelesen hat, und trotzdem stampft sie beide Werke in Grund und Boden.
Mit dem Effekt, dass Stefan Zweifel nicht mehr moderieren darf…
Pardon mit dem Effekt, dass “ er von der Last des Moderierens befreit wird“.
Allein diese Formulierung vermittelt einem geneigten Leser und durchschnittlich kultiviertem Menschen, was hier abgeht.
Erinnere mich an eine Literatursendung mit Heidenreich und Willemsen, in welchem Heidenreich eine mehrbändige Neuauflage einer Geschichtensammlung mit grösster Begeisterung anpries.
Willemsen war auch angetan, wollte aber unbedingt von Heidenreich wissen, wie sie das Werk in den paar wenigen Tagen hat lesen können. Er selber habe das nicht geschafft. Dabei wurde klar, Heidenreich hatte nur ein paar Seiten gelesen.
Was die Frage aufwirft, ob möglicherweise Verlage an Buchbesprecher und Kritiker herantreten, und dafür bezahlen, dass für ihre Bücher positive Werbung gemacht wird.
Lothar Struck 24. Mai 2014, 15:08
Ob es Korruption auf breiter Basis in dieser Branche gibt entzieht sich meiner Kenntnis. Und manchmal ist es ja ganz gut so, dass man nicht alles weiss.
Vor einigen Jahren habe ich einem Interview mal gehört, wie Heidenreich „ihre“ Bücher findet: Sie gibt dem Buch eine „Chance“ von 60 Seiten, was sie (ungefähr) mit einer Stunde gleichsetzte. Danach entscheide sie dann, ob sie es weiterlese oder nicht. Wenn man den Literaturclub vom 22.4. sieht und ihre Wutrede auf Lewitscharoff, dann tauchen diese 60 Seiten wieder auf.
Ich weiss, dass in der Branche unter gewissenhaften Kritikern zuweilen durchaus brodelt: Das nicht mehr vollständige Lesen wird von einigen durchaus als Problem gesehen. Teilweise sind die professionellen Kritiker natürlich auch Getriebene. Manchmal lässt man auch lesen und sich dann ein Dossier mit angereicherten Zitaten geben.
Reich-Ranicki hatte im Literarischen Quartett einmal ein Buch von John Updike gegen starke Kritik verteidigt. Später, in der Zeitungskritik, hat er es dann verrissen. Er gab zu, es zum Zeitpunkt der Besprechung im Fernsehen nicht gelesen zu haben. Er habe es dennoch „verteidigt“, weil er sich nicht habe vorstellen können, dass ein Buch von Updike schlecht sein könne.
Annabelle Huber 24. Mai 2014, 17:45
„Ob es Korruption auf breiter Basis in dieser Branche gibt entzieht sich meiner Kenntnis. Und manchmal ist es ja ganz gut so, dass man nicht alles weiss.“
Herr Struck, mir gefällt, dass Sie sich uneigennützig für die Sache eines anständigen Literaturclubs einsetzen. Da spüre ich echten Idealismus aus Ihren Zeilen.
Aber gerade im Hinblick auf eine Neuausrichtung des Literaturclubs weg vom idealistisch ausgerichteten, anständigen Chrampfer Zweifel fände ich die Focussierung auf die dunklen Seiten dieses Betriebes interessant, mögiicherweise erhellend.
Um passenderweise eine Idee Heideggers aufzugreifen: Auch wenn sich uns dieses Gebiet nicht unmittelbar erschliesst, sind doch seine Protagonisten Wegweiser durch ihr Sein und Wirken.
Ruedi Beglinger 24. Mai 2014, 18:36
Das Schweizer Frensehen hat „die hohe Kompetenz und die penible Akribie“ auch aus neunundneunzig Prozent seiner anderen Sendungen entfernt. Es ist der Kampf der quotengenerierenden Leerverkäufer und potemkinschen Aufplusterer gegen differenzierte Inhalte und Denkanstösse. Gewonnen haben die ersteren. Jetzt auch im Literaturclub. Leider bin ich trotz meines kleinen Lohnes billagpflichtig und der Staatssender wird sich weiter niveaumässig den Privatsendern anbiedern. Was bekomm ich denn für meine Gebühren? Zum Verzweifeln.
Dr. Hans-Joachim Friedrich 25. Mai 2014, 08:54
In den „Schwarzen Heften“ gibt es eine Stelle, in der Heidegger auf den Massenmord an den Juden anspielt. Er sagt dort aber genau das Gegenteil von dem, was Heidenreich behauptet, nämlich dass jeder Mord einer zuviel ist!
„Sonst“, so Heidegger wörtlich, „könnte die Gefahr entstehen, daß die Tötung von einigen Wenigen gegenüber vielen Tausenden gar nicht für so schlimm gehalten wird und das ‚Untermenschentum‘ erst bei einer hinreichend großen Anzahl beginnt“ (GA 96, S. 237).
Monika 25. Mai 2014, 12:12
Besser könnte man es nicht sagen, ausser vielleicht Stefan Zweifel selbst: Brutal, kalt und dumm“. Ich werde den neuausgerichteten populistischen Literaturclub jedenfalls ab sofort nicht mehr ansehen und hoffe sehr, dass die Öffentlichkeit in Zukunft in irgendeiner anderen Weise den Esprit und das profunde Literatur- und Übersetzungswissen Stefan Zweifels geniessen kann.
Monika
Rolf A. Leemann 25. Mai 2014, 20:27
Danke, Lothar Struck! Man betrachtet uns Zuschauer am Fernsehen schon
lange als nieveaulose Affen, die man im Zoo „abholen“ muss. Eine dümmliche
Aufdassung von Polemik und ein Populismus, der links ebenso gross ist
wie rechts, hat ja unser politisches Klima und fast alle öffentlichen
Dialogmöglichkeiten bereits gründlich versaut, und damit auch den Begriff
von Oeffentlichkeit selber. (Willemsen in seinem Beitrag zur Demokratie-
diskussion hat recht.) Jetzt noch ein bisschen mehr eingebauten Applaus
in den Sendungen, ein paar zusätzliche Didaktoren und Affekthascher, und
wir wissen, dass wir nicht mehr einzuschalten brauchen. Kulturell Interessierte
werden sich an Samisdat halten müssen.
Ich möchte Stefan Zweifel an dieser Stelle ausdrücklich danken für seine subtilen
und auf echt intellektueller und aufklärerischer Haltung beruhenden Beiträge
und hoffe, ihn, „an anderer Stelle“ immer wieder zu treffen.
Philip Kübler 26. Mai 2014, 10:24
Danke für diesen Text und die Kommentare.
In meiner Beobachtung gab es viele schöne Momente im „Literaturclub“, und Stefan Zweifel gelang Schwung und Tiefgang. Auch und gerade zwischen Zweifel und Heidenreich und in der Kombination der beiden hinsichtlich Stil und Zugang. Mich persönlich bereicherten beide. Im Idealfall traten die weiteren Teilnehmenden vermittelnd und ergänzend hinzu: Das weich moderierte Gespräch war gelungen.
Ich hätte gerne noch mehr davon gesehen. Bedauerlich, dass nun die Sendung – und der verdienstvolle Stefan Zweifel als Moderator – über die Heidegger-Debatte straucheln. So wichtig diese ist oder sein mag, sie reiht sich in eine lange Liste solcher „Reviews“ ein – fürs breite Publikum wohl recht weit weg. Und für die Mission und weitere Gestaltung dieser wertvollen TV-Sendung, Literatur zu kritisieren und dem Publikum zu vermitteln, sollte solch eine Debatte nicht ausschlaggebend sein.
Lothar Struck 26. Mai 2014, 10:30
Ich glaube, dass diese Debatte schon einen essentiellen Kern berührt. Das Zitieren bzw,. das bewusste Falsch-Zitieren ist keine Petitesse, die man vernachlässigen kann. Wenn ich jetzt beispielsweise aus Ihren Kommentar Satzfetzen einfach neu zusammenfüge und damit Ihre Aussage sinnentstellend wiedergebe, würden Sie sich – zu Recht – darüber echauffieren.
Philip Kübler 26. Mai 2014, 11:40
Einverstanden, Herr Struck, das wollte ich nicht geringschätzen und Sie haben das im Artikel sehr gut dargestellt.
Mir ging es um die mehreren Schichten: 1. Heideggers Haltung, 2. Heidenreichs Zitieren, 3. Zweifels Reaktion und Abgang und 4. Zweck und Gestaltung dieses TV-Formats als ganzes. Hinter jeder Ebene stehen ungeschriebene Normen und Tabus, wie es scheint. Anlass zur Diskussion also. Die Kommentare hier bereichern 1 und dann auch 2. Fürs Publikum dürften 3 und 4 noch mehr zählen, dies mein Anliegen. Der legitime und interessante Konflikt zu 1 und 2 hätte im Rahmen der Sendung durch die Redaktion verarbeitet werden können, auch im Interesse des Publikums. Die Konsequenz (3) von Zweifels Abgang war aus meiner Aussensicht übertrieben, und 4 steht jetzt zur Debatte, wobei nun Stefan Zweifel fehlt. Manchmal dominieren im öffentlichen Köpfekarussell kleine Auslöser statt grosse Leistungsausweise; das ist seit längerem ein Trend. Im Literaturbetrieb gibt es nicht soviele Kenner-Kritiker-Moderatoren mit TV-Eignung, entsprechend sorgsam sollte man sie – und sollten sie sich selber – behandeln.
Annabelle Huber 26. Mai 2014, 13:11
Es erscheint mir nicht zufällig, dass Heidegger der Stein ist, auf welchem Zweifel aus dem Literaturclub hinaus stolpert.
Immer mal wieder sind hochdifferenzierte Leute wie Heidegger oder Gründgens der Anstoss für Leute im Kulturzirkus, sich engagiert gegen den Nationalsozialismus verkörpert in eben diesen Personen zu ereifern.
Personen, welche damals in Nazideutschland schon Aussenseiter waren und auch heutzutage Randständige wären.
Leute, durch deren Wirken kein einziger Jude zu Tode gekommen ist.
Derweilen die Täter, welche Blut an ihren Händen tragen, wenig bis gar keine Beachtung finden.
Frau Heidenreich in ihrer unzugänglichen radikalen Intoleranz gegenüber Heidegger, Lewitscharoff und Zweifel, gegenüber allem Andersdenkenden, gemahnt an die Intoleranz der Nationalsozialisten gegenüber anders Denkenden.
Dass Zweifel den Hut nehmen muss, verwundert nicht, der Faschismus ist wieder salonfähig.
Roberto 26. Mai 2014, 14:24
Genau so sehe ich es auch! Diese Leute haben keine Lobby. Sie stehen zwischen den Stühlen. Die echten Nazis waren froh, dass einer der Buhmann ist und von ihren Verfehlungen ablenkt. Bei Heidegger noch: Kritisierte den Katholizismus: von dieser Seite keine Verteidiger; hielt die Philosophie seit der Antike für wahrheitsverengend: von dieser Seite keine Verteidiger; kritisierte modernen wissenschaftlichen Wahrheitsbegriff, Kapitalismus und Kommunismus: keine Chance. Meine persönliche Meinung: Leute wie Zweifel, vielleicht Safranski, die das durchaus durchschauen, trauen sich öffentlich nicht. Sie wissen, ein Medienprofi wie Heidenreich wirft ein Buch auf den Tisch und wartet nur darauf, das Gegenüber als Nazi-Verteidiger zu brandmarken und so die Diskussion zu gewinnen. Es geht nicht um Wahrheit, sondern darum, gesellschaftlich den Ton anzugeben, zu dominieren, seine Weltsicht durchzusetzen, Geld zu verdienen: Das Spiel der Medien.
Detlev Piecha 26. Mai 2014, 15:49
Hmm, lieber Herr Roberto, wird zunehmend verwirrender die Schweizer „Stimmung“, die da jetzt zuletzt mit dem Beitrag von Annabelle Huber und Ihrer Zustimmung anlässlich dieses kleinen „Doch!“ sich andeutet, die mich auch nochmals kurz nachhaken lässt zu Ihrer Stelle aus GA 16. Sie wissen ja, wie der Brief danach weitergeht, mit seiner Aufrechnerei von Nazis und Juden gegen Alliierte und Ostdeutsche …? Und bei dieser Gelegenheit die Frage, kennen Sie den Film über Heidegger von Jeffrey von Davis „Nur ein Gott kann uns noch retten“ (Auszüge unter: https://www.youtube.com/results?search_query=Jeffrey+von+Davis+Heidegger – online zu bestellen: http://www.jazzmusiker@yahoo.comm)? Sollte Sie sich mal anschauen, vielleicht könnten Sie dann mit Heidenreichs „Doch!“ ja etwas mehr anfangen und machten Ihre Fragezeichen an anderer Stelle?
Kleine von mir mal transkribierte Kostprobe gefällig?
Dr. Dietrich Gurlitt (Heidegger-Student 1937-39, Verwandter jenes Kunsthändlers, der letztens die Feuilletons beschäftigte), kursiv J. van Davis:
„[00:44:40] Also etwas war natürlich sehr erschütternd. Am 8. November, 1938, Reichskristallnacht, da war ich im Seminar von Heidegger und der Seminarraum hat sich direkt angeschlossen an die jüdische Synagoge, [Foto der Synagoge, 00:45:05] also vor unserem Fenster brannte oder schwelte, besser gesagt, die jüdische Synagoge. Niemand verlor ein Wort über diese Situation. Also, ich war empört, dass man ein Gotteshaus anzündet, ich fand das damals unmöglich, aber gesagt hab‘ ich nichts. – Hatten Sie Angst? – Man ist eingeschüchtert, man hat natürlich, man hat nicht den Mut, also, so wie das heute ist, dass man offen sagen kann, also, mir gefällt die andere da nicht oder irgendwas das gab es damals nicht. – Ich frage nur deswegen, ich habe bei meinen Recherchen ein Foto gefunden, – Ja? – , das jemand heimlich gemacht hat über diese brennende Synagoge in Freiburg [Foto der nunmehr abgebrandten und schwelenden Synagoge , 00:45:55 ] und die Nazis haben es verboten, dass jemand das fotografiert, und es ist scheinbar aus einem Seminarraum in der Universität gegenüber von der Synagoge, dieses Foto geknipst worden. – Ach, so? – Ja, und deswegen frage ich, ich meine. – Dann war das wahrscheinlich aus unserem Raum, wo ich auch drin war. Aha? Das war nachmittags, die Vorlesungen war nachmittags zwischen 3 und 5, also zwei Stunden – Hmm? – Das hab‘ ich habe nicht weiter verfolgt, das ist aber interessant, das das fotografiert wurde.“
Dürfte übrigens die erst nur als Seminar geplante Vorlesung (GA 46) Nietzsches II. Unzeitgemässe Betrachtung (Wintersemester 1938/39) gewesen sein, bei der „
“ (GA 46, 377).
Roberto 26. Mai 2014, 18:11
Lieber Detlev Piecha!
H. hatte m.E. eine etwas merkwürdige politsche Sicht: Für H. standen an der Spitze des Kapitalismus, des Kommunismus und dann auch bei den Nazis im Prinzip fehlgeleitete Verbrecher, die sich nur an dem Prinzip der Machtsteigerung, des unbedingten „Willens zur Macht“ orientieren und über Leichen gehen (vielleicht zählte er laut Jaspers auch jüdische Großbankiers in USA dazu). Jedenfalls kritiserte er genau um die Zeit, die Sie nennen, Nietzsche, Hitlers u. Mussolinis Lieblingsphilosophen, als Vollendung des modernen Nihilismus, der in eine Politik der verbrecherischen Machtermächtung mündet: „„Daher gehören in das vom unbedingten Machtwesen bestimmte Zeitalter die großen Verbrecher. Sie lassen sich nicht nach sittlich-rechtlichen Maßstäben beurteilen. Man kann das tun, aber man erreicht so niemals ihr eigentliches Verbrechertum. Auch gibt es keine Strafe, die groß genug wäre, solche Verbrecher zu züchtigen. Jede Strafe bleibt wesentlich hinter ihrem Verbrecherwesen zurück. Auch die Hölle und dergleichen ist zu klein im Wesen gegen das, was die unbedingten Verbrecher zu Bruch bringen. Die planetarischen Hauptverbrecher sind sich ihrem Wesen nach zufolge ihrer unbedingten Knechtschaft gegenüber der unbedingten Ermächtigung der Macht völlig gleich.“ (1938, GA 69, S.79).
Natürlich ist das zuwenig, wenn in Freiburg die Synagoge angezündet wird, aber er kritiserte wenigstens laut seiner Studenten die Nazis, z.B.: „Und als ich Heidegger näher kennenlernte, erfuhr ich, wie energisch er die Führung des Landes ablehnte und die Ideologie der Partei mit ihrem Biologismus verurteilte. Er nannte die Führer Verbrecher.“ (Biemel S.367).
Auch wenn es diese Zitate nicht gäbe, so ist es doch so, dass H. zeitlebens eine Philosophie des Geistes/Denkens vertrat. Dies bedeutet: Das Denken hat absoluten Vorrang und entscheidet, wer du bist. Rasse, Nation, Glaube, Genetik spielen eine untergeordnete Rolle bei der Bestimmung des Menschen. Jeder kann z.B. Sein und Zeit lesen und die „Verfallenheit an das Man“ (Religion, Nation usw.) überwinden, ganz gleich ob Afrikaner, Jude oder Deutscher. Jeder, der deutsch kann, kann Hölderlin lesen u. sein Denken übernehmen. Im Denken sind alle gleich.
Detlev Piecha 27. Mai 2014, 13:31
Dass Hitlers noch Mussolinis „Nietzsche“ indiskutabel und auch Heideggers Nietzsche-Deutung und Hölderlin-Lesart frag-würdig sind, lassen wir mal beiseite? Erschrocken bin ich darüber, lieber Herr Roberto, dass es Ihnen entgangen zu sein scheint, dass Heidegger 1938 nicht nur kommentarlos die Freiburger Synagoge vis à vis vor sich hinschwelen läßt – nichts findet sich davon übrigens in GA 95 -, sondern in dem von Ihnen angeführten Zitat dem kommenden Krieg, auf den die Nazis zusteuerten, im Sinne der Jüngerschen „totalen Mobilmachung“ eine geradezu metaphysisch gerechtfertigte Grundlage zu verschaffen versucht hat, denn dieses „eigentliche Verbrechertum“ meinte ja nicht den NS.
Und was „Rasse, Nation, Glaube, Genetik“ betreffen, so scheint Ihnen u. a. GA 38 aus dem SS 1934 mit dessen Stellen zu den geschichtslosen „Negern“ und „Kaffern“ entgangen zu sein?
Aber für das zu entbergende „Wesen der Deutschen“ gilt es auf der Hut zu sein, damit diese nunmehr noch „verborgene Deutschheit“ sozusagen ihr weltgeschichtliches „kairos“ nicht verpasst und dabei handelt es sich nicht um eine Frage der Wahrheit, sondern um eine Entscheidung des „»>Wir< sind das Volk« kraft der Entscheidung„.
Ja, ansonsten Sie haben Recht, „Heideggers Werk hat über 10000 S. und die Kritiker suchen mit Computern nur nach möglichen Nazi- und Deutschtum-Stellen“ … und leider findet sich dazu ja nicht erst seit Schneebergers „Nachlese“ Erschreckendes? Aber lassen wir das, wer’s à la 1962 nicht zur Kenntnis nehmen wollte und im Sinne der Antwort Heideggers an Löwith in Rom 1936, „daß seine Parteinahme für den Nationalsozialismus im Wesen seiner Philosophie läge“ (Löwith, Mein Leben, 57) auf Heideggers Denken beziehen will, wird’s auch 2014 nicht wollen – aber das scheint letztlich keine Frage des Philosophierens, sondern eben eine der „Standpunktsentscheidung“ (GA 38, 80) zu sein – was übrigens Elke Heidenreich zusammen mit diesem so kritisierten „Doch!“ ja – ironischerweise – fast schon heideggerisch betont hat?
Annabelle Huber 27. Mai 2014, 14:37
Ja Herr Piecha, dass Heidegger mehr oder minder antisemitische Aeusserungen getätigt hat, das ist hinlänglich bekannt.
Sich dagegen zu entrüsten, da rennt man offene Türen ein.
Und jetzt ist seinerzeit auch noch eine Synagoge vor Heideggers Augen abgebrannt.
Was wäre geschehen, wenn man ihn beim Löschen erwischt hätte ?
Er hätte damit rechnen müssen, dass er zum Tode verurteilt wird.
Nun ist die Kommunikation in der heutigen Welt derart weit fortgeschritten, dass das Elend der ganzen Welt in unsere Nachbarschaft gerückt ist.
Tausende von Kindern sterben täglich an Hunger, Afrikanische Flüchtlinge werden bei ihrem Versuch, die europäische Küste zu erreichen, von Europäern erschlagen,
mit unserem Wissen.
In der dritten Welt werden Menschen wie Sklaven gehalten, um unsere Warenhäusern mit billiger Ware vollzustopfen.
In Afrika wird der Elefant während der nächsten 10 Jahren von den Chinesen ausgerottet.
Alles mit unserem Wissen und dem Wissen unserer Regierungen.
Das sind unsere brennenden Synagogen.
Wenn wir es uns anmassen, Heidegger zu verurteilen, dann sollten wir erstmal selber aktiv werden, um die Greueltaten,welche sich vor unserem Screen gerade jetzt abspielen zu beseitigen.
Es ist einfacher, einen Menschen, der in schwieriger Situation rückblickend falsch handelte, zu verurteilen, als Aufzustehen gegen die Verbrechen und Misstände, welche sich in der eigenen Zeit ereignen.
Gerade Sie und Frau Heidenreich, welchen eine hohe Ethik und Moral wichtiger sind als das eigene Leben, sollten mit wehenden Fahnen voranschreiten, statt die Zeit damit zu verplempern, sich über Heideggers Versagen zu entrüsten oder in Literaturclubs herumzumotzen.
Roberto 27. Mai 2014, 15:10
Lieber H. Pleticha!
Natürlich meinte H. mit dem „Verbrechertum“ den NS. Dies ist Hs. Konzept der „Seinsgeschichte“: Die abendländische Metaphysik führt über den modernen unbedingten „Willen zur Macht“, der radikalen Nutzung der Technik, zum Ziel der absoluten Machtsteigerung über Gegner, Natur und Umwelt – zur „totalen Verwüstung“ der Erde. Hitler z.B. wollte diese absolute Macht mit Hilfe der deutschen technischen Überlegenheit weltweit durchsetzen. H. hielt dieses moderne Machtdenken für verbrecherisch. Diese Politik der „totalen Mobilmachung“, des organisierten metaphysischen Verbrechertums, die Metaphysik seit Platon überhaupt, muss nach H. überwunden werden. Leider wird der Mensch dies erst tun, wenn er vor Not nicht anders kann, vorher nicht. Erst dann wird er erkennen, dass der Wille zur Macht ins Unglück führt und ein „anderes Denken“, einen „anderen Anfang“ versuchen. Dieser liegt nach H. nicht einmal in Deutschland, sondern in der frühen griechischen, dichterischen Philosophie. Hier sah man noch den Menschen als pazifistsischen „Hirten des Seins“.
(Das ist aber alles zu kompliziert für ein paar Zitate und für Zeitungen)
Detlev Piecha 27. Mai 2014, 16:44
Ich denke zwar nicht, dass ich „herumgemotzt“ habe, sondern auf einige Fakten und Quellen aufmerksam gemacht habe, aber ansonsten hat Frau Annabelle Huber, auch wenn sie die Ebenen etwas durcheinanderwürfelt, Recht, man sollte seine Zeit nicht unnötig in Literaturclubs und den Blogs dazu „verplempern“ und was zu dem kleinen bisweilen absichtlich missverstandenen „Doch!“ Elke Heidenreichs zu sagen gewesen sein mag, scheint mir gesagt. Ja, die Sache ist in der Tat für ein paar Zitate und für die Zeitung zu kompliziert und ich gebe Ihnen auch Recht, was den von Ihnen angedeuteten Aspekt der Technik in Gestalt des sog. „Gestells“ angeht – aber wenn ich mir z. B. die Technik-Kritik etwa von Theodor Lessing ansehe, wozu braucht man dann Heidegger? Hmm, und die „frühgriechische“ Philosophie mit dem „Hirten“, sehen Sie da nicht auch, wie dieses „Idyll“ da gerade bei Heidegger gewaltsam geradezu letztlich im Sinne der „Dialektik der Aufklärung“ umgekippt ist und sollten wir da lieber nicht die Variante von Max Weber wählen – wenn wir schon ja eine „Standpunktsentscheidung“ einnehmen müssen, dem „stahlharten Gehäuse der Hörigkeit„, das Heidegger übrigens über Löwith sicherlich gut bekannt gewesen sein dürfte, zu begegnen? Und da Sie letztens Walter Biemel erwähnten, schauen Sie mal in dessen rumänischer Heimat sich mit „ixquick“ [https://www.ixquick.com/deu/] um – das speichert wenigstens nicht wie google Ihre IP -, was Sie zum „Mioritischen Raum“ mit dessen Mythos des „Hirten“ dort finden? Sie werden dann nicht nur bei Mircea Eliade und dessen faschistisches Engagement in den „Eisernen Garden“ erstaunliche Parallelen zu Heidegger finden! By the way: Las vor längerem Egon Viattas „Romantische Cyrenaika. Dichtung einer Reise (Hamburg 1941)„, liegt noch da vorne auf meinem Schreibtisch, nachdem mich dessen 2012 erschienener Briefwechsel mit Hermann Broch neugierig gemacht hatte; ganz interessant, nicht nur wenn man bedenkt, dass Heidegger dem lieben Egon die Frau „entfremdet“ hatte … in diesem Sinne, ciao?
Roberto 27. Mai 2014, 17:17
Lieber D. Piecha!
Weil sie Wert auf realtiv unbekannte Zitate v. Zeitzeugen legen, wie es damals war. Hier Bollnow, vom Zauberberg:
„Ich habe Heidegger seitdem selten gesehen. Ich habe immer eine Scheu gehabt, mich großen Männern zu nähern, und habe sie lieber aus ihren Büchern studiert. Aber ein Besuch sei doch erwähnt, weil er vielleicht einige Vorurteile zurechtrücken kann. Es war, wenn ich mich richtig erinnere, im Herbst 1936. Als ich mich von ihm verabschiedete, sagte
Heidegger: »Schreiben Sie mir nie einen offenen Brief! (gemeint war eine zu offenherzige schriftliche Äußerung über die Zeitverhältnisse). Alle meine Briefe werden überwacht.« Und dann, etwas zögernd, nach einer Pause: »Man muß in die Katakomben gehen; denn die (mit einer Handbewegung) machen alles kaputt.« Das war gewiß nur eine einzelne private Äußerung, aber vielleicht ist sie doch nicht ganz uninteressant zum Verständnis seines Verhaltens in der damaligen politischen Situation.“ (Davoser Gespräche) Bestätigt eigentlich H.
Detlev Piecha 27. Mai 2014, 18:50
Nun, mit Otto Friedrich Bollnow hatte ich once upon a time noch einige Gespräche zu der einen oder anderen „Sache“ und habe auch einen entsprechenden Briefwechsel mit ihm. Es ist ja so, lieber Herr Roberto, dass es auch im NS darum ging, welcher Einflusssphäre man in dieser „byzantinischen Polykratie“ angehörte! Sie würden sich wundern, wenn Sie sich die diesbezüglichen Akten ansehen, wie wenig es letztlich um weltanschauliche Fragen ging, sondern ganz einfach, um im alltäglichen Einerlei einer Universität zu bleiben, lediglich um Berufungen, Stellen und Gelder. Dieses selbstverständliche strittig geführte Geschäft musste dann später dafür herhalten, um weltanschauliche Zwistigkeiten etwa im Entnazifizierungsverfahren zu „beweisen“ und was Bollnow da geschrieben hatte, ist ja ex post und ich weiß, weiß Bollnow mir so alles erzählt bzw. nicht erzählt hat? Aber das wäre ein zuuu „weites Feld“ …
Aber vielleicht schauen Sie mal, liegt zufällig bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt online, hier zu „Baeumler“ rein:
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CC4QFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.onleihe.de%2Fstatic%2Fcontent%2Fwbg%2F20120328%2F978-3-534-71716-3%2Fv978-3-534-71716-3.pdf&ei=o72EU5y3CeyQ4gSqu4B4&usg=AFQjCNEy-Z0eSp9prHuqa_tH8I6sxHEF5A
Lothar Struck 27. Mai 2014, 18:55
Vielleicht können Sie Ihre Diskussion privat oder an anderer Stelle fortsetzen? Sie hat schon sehr lange nichts mehr mit dem eigentlichen Thema dieses Beitrags zu tun.
Annabelle Huber 27. Mai 2014, 19:19
Herr Struck, dies ist nicht ihr Blog. Wenn Sie herrschen, manipulieren und zensurieren wollen, dann machen Sie bitte Ihren eigenen Blog auf. Danke.
Lothar Struck 27. Mai 2014, 19:32
Frau Huber, es geht nicht ums „herrschen, manipulieren und zensurieren“ (honi soit qui mal y pense), sondern darum, dass dieses wilde Zitatebewerfen um Heideggers Rolle zwischen 1933 und 1945 fruchtlos ist und tatsächlich mit der Mediensache, um die es hier geht, nichts zu tun hat.
Detlev Piecha 28. Mai 2014, 12:59
Lieber Herr Struck, vielleicht sollten Sie sich erinnern, dass der Anlass für die wohl in der Tat etwas zu lange Reden-Gegenrede dieses von Ihnen sog. wilden Zitatebewerfens um „Heideggers Rolle zwischen 1933 und 1945“ Ihre Kritik eines Zitates war, mit der Sie zugleich die Tatsachenbehauptung über ein „bösartige Intrigantentum von Helke Heidenreich“ und im nzz.ch auch die Forderung verbunden hatten, dass Frau Heidenreich und nicht Herr Zweifel gehen sollte?
„Das Zitat war eine Lüge.“, schrieben Sie, „Wer jemals etwas von Heidegger gelesen hat, weiss, dass der von Heidenreich vorgelesene Satz niemals in dieser Form von ihm geschrieben worden sein kann“ und dass dies die „Aufgabe jeglicher der intellektuellen Redlichkeit (Falschzitat)“ bedeute.
Ihrem leicht aggressiv tönenden „Zitatebewerfen“ entnehme ich mal, dass es Ihnen inzwischen zu dämmern beginnt, dass es Ihr Vorwurf war, der falsch gewesen sein könnte? Denn Heidenreichs Statement in der Sendung ist und war mit etwas mehr Sachlichkeit unschwer zu entnehmen, dass lediglich der erste Teil Zitat, der zweite aber eben Schlussfolgerung war? Eine Schlussfolgerung, die leider – und das war der Anlass für dieses „Zitatebewerfen“ – eben durchaus auch in dieser Form von Heidegger hätte (sic!) geschrieben worden sein können?
Wenn Sie dann die Phase Ihrer momentanen kognitiven Dissonanz verarbeitet haben, werden Sie sicherlich wg. der Unterstellung der „Lüge“ und des Vorwurfes der „Aufgabe jeglicher intellektuellen Redlichkeit“ – die ja fast schon ehrenrührig sind? – in geeigneter Form sich gegenüber der Betroffenen zum „Fall Heidegger“ entschuldigen, denn das wären Sie Ihrer eigenen „intellektuellen Redlichkeit“ dann sicherlich schuldig?
Lothar Struck 28. Mai 2014, 13:15
Herr Piecha, das, was Heidenreich als Zitat von Heidegger angegeben hat, war es nicht. Daher ist es eine Lüge. Nicht, dass Heidenreich dieses falsche Zitat ausgesprochen hat, ist das „verwerfliche“, sondern dass sie darauf beharrt. So wie Sie darauf beharren, dass es Heidegger gesagt haben könnte, bzw. dass man das, was er irgendwann einmal gesagt hat, so destillieren könnte, dass Heidenreichs Ausspruch als korrekt durchgehen könnte. Das ist aber weder wissenschaftlich noch redlich. Da mögen Sie ja auch noch so findige Formulierungen finden, aber es bleibt kein Zitat. Wenn Sie tatsächlich literaturwissenschaftlich arbeiten sollten, müssten Sie das wissen.
Sie haben die Sendung auch scheinbar nicht gesehen. Herr Zweifel machte nämlich Frau Heidenreich darauf aufmerksam, dass der von ihr genannte Ausspruch so nicht im Buch stehe, über das gesprochen wurde. Frau Heidenreich sagte daraufhin „Doch“. Zweifel „Nein“. Sie wieder „Doch“ und warf das Buch auf den Tisch. Das hat rein gar nichts mit fehlender „Sachlichkeit“ zu tun. Mir dies zu unterstellen, ist gelinde gesagt eine Unverschämtheit.
Wenn Sie mir allerdings einen Beleg beibringen, dass Heidegger den Satz, den Heidenreich genannt hatte, exakt so gesagt hat, dass es sich also um ein Zitat handelt, dann haben Sie Recht. Ansonsten nicht.
Ihre Beleidigung bzgl. kognitiver Dissonanz lasse ich mal so stehen.
Detlev Piecha 28. Mai 2014, 14:04
Sorry, lieber Herr Struck, die „kognitive Dissonanz“ war meinerseits à la Leon Festinger als Kompliment gemeint gewesen … ich hatte gedacht und gehofft, auch Sie hätten sich das „Zitat“ und die sog. „Lüge“ unter https://www.youtube.com/watch?v=mcX6qTA6GUI nochmals angesehen und angehört und es wären Ihnen vielleicht nachträglich Zweifel an Ihrer so rigorosen Kritik gekommen – hätte ja sein können?
Ansonsten hat Frau Heidenreich ja unter – http://www.derbund.ch/kultur/buecher/Wie-es-zu-dem-HeideggerZitat-im-Literaturclub-kam/story/24590554 – inzwischen dazu Stellung bezogen – und ich habe in der Tat Ihre Äußerung letzten Sonntagmorgen auch soverstanden – sonst hätte ich mich nicht zu Ihrem Beitrag geäußert.
Aber lassen wir das …
Ursula Pecinska 27. Mai 2014, 16:33
Gut geschrieben und recherchiert – DANKE! Teile Ihre Meinung und bin sehr enttäuscht – nein – entsetzt über die (Nicht)Haltung der Verantwortlichen. Werde Stefan Zweifel mit seinen tiefgründigen Beiträgen vermissen. up