von Ronnie Grob

«Ich konnte bis 9 nicht lesen»

Seit Herbst 2012 leitet Stefan Zweifel die Sendung «Literaturclub» des Schweizer Fernsehens. Im MEDIENWOCHE-Interview spricht der 45-jährige Journalist, Übersetzer und Philosoph über das Prekäre einer Live-Sendung, das Zeitalter der femininen Männer und wie er einmal beinahe Michel Houellebecq aus einem fahrenden Auto gestossen hätte. Führte er ein Medienunternehmen, liesse er den Autoren viel mehr Freiheit – «so dass die Texte wirklich individuell sind, und auch aus dem Rahmen fallen».

Freitagnachmittag, ich klingle an der Haustür, nichts passiert. Etwas später kommt ein älterer Herr heraus, ich gehe hinein, klingle an der Wohnungstür, nichts zu hören. Dann klopfe ich, Stefan Zweifel öffnet und fragt, wer ich sei. Wir haben doch einen Termin um 14 Uhr, sage ich, oh, ist das heute? Das Handy ist kaputt, die Termine verloren gegangen, wir verschieben den Termin auf den Montag. Drei Tage später sind um 14 Uhr die Türen geöffnet. Ich betrete ein aus Büchern bestehendes Wohnungsbüro mit einem Macbook Air auf dem Tisch. Zweifel sucht gerade nach einem Buch. Wir trinken Coca-Cola Light.

Der erste Literaturclub unter Deiner Leitung bleibt mir als unschweizerisch exzentrisch und als fast schon ikonenhaft stilvoll in guter Erinnerung. Safranski krächzte aus dem Publikum (aufgrund einer Stimmbandentzündung), Keller hatte diese glamouröse Sonnenbrille auf (aufgrund einer Augenentzündung). Und Du trugst diesen babyblauen Anzug. Eine kurze Google-Bildersuche ergibt, dass Du mit Elvis, David Hasselhoff und Wayne Rooney in bester Gesellschaft bist. Wo hast Du den her?
Ich glaube, der wurde von der Stilberatung des Schweizer Fernsehens bevorzugt, vielleicht, weil ich auch blaue Augen habe. Vielleicht auch, weil ich eine etwas infantile Ader besitze, die man unterstreichen muss.

Wie bist Du mit Deinen ersten Sendungen zufrieden?
Die erste Sendung hat mir sehr gefallen, weil sie so prekär war. In der Live-Sendung machte ich zweimal eine lange Schweigepause. Das wurde dann aber herausgeschnitten, weil ich das Schweigen, das ich selbst inszenierte, nicht so gut ausgehalten habe – die Bilder waren etwas hektisch, ich griff auch zur Cola, so war der Effekt nicht ganz der von mir beabsichtigte. An sich wird ja diese Sendung nicht geschnitten, es sei denn, jemand sagt einen Markennamen oder macht Werbung für eine politische Partei. Es ist live, und danach kann man nichts mehr daran ändern. Dieses leicht prekäre Abserbeln hat mir persönlich sehr gut gefallen. Ob es als Zeichen nach Aussen das Richtige war für eine erste Sendung, entzieht sich meinem Wissen.
Über die zweite Sendung war ich enorm glücklich, fast schon euphorisch. In meiner Erinnerung war die Sendung harmonisch, aber auch spontan, ein Sachgespräch mit wenig vorbereiteten Pointen (das merkt der Zuschauer ja sofort, wenn jemand eine Pointe abliest). In der dritten Sendung ist dann Safranski dazugestossen, der ja wie ich einen philosophischen Hintergrund hat. Da muss ich aufpassen, bei der Literatur zu bleiben und nicht zu sehr auf philosophische Vorgaben von Safranski einzusteigen. Ich kam mir da teilweise intellektuell gehemmt vor.

Die «Basler Zeitung» hat die «Zweifelhafte Bücher-Sendung» arg verrissen. Nach dem Urteil von Christine Richard hast Du weder «Auftrittsqualität noch persönliche Ausstrahlung».
Das ist natürlich schrecklich, debakulös. Es ist aber wahrscheinlich auch einfach etwas, das man hat oder nicht hat, offenbar hab ich es nicht. Es gibt aber schon Leute mit einem tollen Auftritt. Ich erinnere mich an einem Abend in der Zürcher Kronenhalle: Im Raum sassen Christoph Marthaler, Bruno Ganz, Daniel Schmid mit einem italienischen Filmstar, Günter Netzer, und dann kam jemand herein, und hat die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Boris Becker. Das war in meinen Live-Erlebnissen der beste Auftritt.
Ich möchte eigentlich eine Moderation machen, die fast eine Nicht-Moderation ist. In der die Gruppe als intelligentes Tier eine höhere Intelligenz entwickelt als ich oder derjenige, der die Rolle des Moderators designt. Ich glaube, in der zweiten Sendung gab es solche Momente, in der wir als Gruppe sehr gut gedacht haben, und in der ich auch nicht mehr lenken musste. Ich möchte ja die Diskussion über ein Buch nicht mit einer pseudofrechen Frage beginnen. Vielmehr stelle ich mir einen gemeinsamen Spaziergang vor, den man macht durch verschiedene Bücher hindurch. Bei einem solchen Spaziergang kann es sein, wie bei jedem Spaziergang einer Familie, dass ein Kind etwas überstellig ist und das andere noch etwas kränkelt. Ideal ist, wenn man so zum Ziel kommt, ohne es zu merken.

In der Sendung vom 20. November 2012 beherrschten, ganz anders als in den meisten Diskussionsrunden, zwei resolute Frauen zwei zurückhaltende Männer, sprachen oft dazwischen, liessen sie wenig zu Wort kommen.
Wir sind im Zeitalter der femininen Männer angelangt, die babyblaue Anzüge tragen, und das nächste Mal vielleicht einen rosaroten Pullover. Ich habe in der Sendung gar nicht so gemerkt, dass wir uns in Schweigeinseln bewegten als Männer, während draussen das Meer tobte.

Unser Kritiker Lothar Struck stellte als «Achillesferse der neuen Besetzung» Elke Heidenreich fest – sie beherrsche die Runde mit Superlativen. Er schrieb: «Der Moderator wollte oder konnte der Phrasendreschmaschine (‹Männer haben Angst vor Lyrik›) oft nicht ausreichend Paroli bieten».
Ich glaube einen Satz wie «Männer haben Angst vor Lyrik» kann man einfach unkommentiert im Raum stehen lassen, weil er sich selbst vernichtet. Es ist aber natürlich so, dass Elke Heidenreich unglaublich originell ist und wahnsinnig schnell. Wenn sie mich unterbricht, ist mir das oft dienlich, sie wirkt dann wie ein Antrieb, ein Motor. Sie hat ja die Sendung vor zwanzig Jahren geleitet, und ich nahm an, sie sei inzwischen ruhiger geworden, doch weit gefehlt.

Safranski hat Dich in der letzten Sendung gesiezt, Keller sprach Heidenreich mit «Elke» an. Wer ist mit wem per Du?
Es ist ein «Sie» mit Vornamen. Wenn wir uns alle duzen würden, was auch in der Realität nicht der Fall ist, hätte das etwas Kumpelhaftes, das die Zuschauer ausschliesst, denn die duze ich ja auch nicht.

Wissen die Diskussionsteilnehmer schon im Voraus die Positionen der Anderen?
Nein. Man weiss nur, dass jemand, der ein Buch vorschlägt, dieses gut findet.

In den 1990er-Jahren schriebst Du für die Weltwoche bürgerlich-ernsthaft über Theater, Musik, Literatur, Philosophie und Tanz. Um das Jahr 2000 kamen dann plötzlich andere Themen hoch: Drogen mit Rainald Goetz, Sex mit Michel Houellebecq, Rosa von Praunheim, Sartre und de Beauvoir. Was war passiert?
Da ist eigentlich nichts passiert, ich habe schon 1986 in der NZZ über Marquis de Sade geschrieben. Im Alter über 30 werden gewisse Sachen historisch, das Ausgehen zum Beispiel und die Partys. Da ist man vorher so nah drin, dass man gar nicht merkt, dass es ein Thema ist. Wenn man rausfällt, kommt man dann plötzlich drauf, dass es ein Thema ist.

Als Leser grossen Spass hatte ich mit Deinem 2005 im «Magazin» publizierten Text «Houellebecqs Alptraum». Du verbrachtest drei Tage mit Michel Houellebecq im Ruhrpott und notiertest Dir dabei: «Fantasie, auf Autobahn Autotür aufzureissen und Autor sanft rauszukippen / wäre Erlösung für alle / und danach vielleicht gleich nachspringen».
Monsieur Schreckelbeck schlief gerade auf dem Vordersitz seinen Rausch aus, und da haben wir anderen im Auto wirklich kurz überlegt, den Sicherheitsgurt zu öffnen, und ihn ins Jenseits zu befördern.

Stimmt denn alles, was im Text steht?
Ja, das stimmt alles. Sein Buch «Ausweitung der Kampfzone» finde ich ganz grossartig, «Elementarteilchen» auch, mit Vorbehalten, und danach werden die Vorbehalte immer grösser. Ich war ja da nicht als Literaturkritiker oder Übersetzer vor Ort, sondern als namenloser Dolmetscher. So konnte ich beobachten, wie jemand, den man als unkontrolliert betrachten würde, als exzessiven Rockstar, sehr stark nach Etikett geht. Wenn man Dolmetscher ist, dann ist man Dolmetscher. Mich hat sein Bewusstsein des Hierarchischen erschreckt, das Instinktive seines Machthungers überrascht.

Warum erscheinen solche Texte heute kaum mehr in Schweizer Medien?
Es gibt überhaupt wenig Texte, die irgendwie aus dem Rahmen fallen. Was mich eigentlich verwundert, denn alle möchten ja Aufmerksamkeit erregen. Und anstatt über ein Buch zu schreiben, über das noch niemand geschrieben hat, schreiben immer alle über die gleichen. Sie haben die gleiche Pressemappe bekommen, lesen die gleichen «New Yorker» und Gott weiss was für andere englischsprachige Magazine. Ganz schlimm ist das im Filmjournalismus, wo die Stücke nur noch Endprodukte einer von weiter Hand geplanten Medienkampagne sind.

Was sind die Alternativen?
Es gibt den Weg der kalkulierten Gegenposition zur herrschenden Meinung, wie ihn Roger Köppel teilweise begangen hat, doch das ist auch nicht wirklich interessant.
Wenn ich ein Medienimperium führen würde, dann würde ich den Leuten viel mehr Freiheit einräumen, so dass die Texte wirklich individuell sind, und auch aus dem Rahmen fallen. Ich würde eine Gruppe von Autoren versammeln, die nicht unbedingt eine Meinung vertreten, sondern deren Blick auf die Dinge mich interessiert. Es braucht sicher ein paar Redaktoren, die mit solchen, schwierigen Leuten auch umgehen können, doch ich würde sie einfach schreiben lassen. So könnte man vielleicht wirklich etwas Aufsehen erregenderes machen, als das die Meisten tun. Wer konsequent auf Autoren setzt, sagt: Der Autor ist dann gut, wenn er so ist, wie er ist, und man lässt ihn frei. Das sind dann vielleicht Texte, die journalistisch völlig falsch aufgebaut sind, doch von einem Autor, wie vielleicht Niklaus Meienberg, der eine bestimmte Art hat, zu schreiben.
Die Professionalisierung der Szene, die natürlich auf eine Uniformisierung hinausläuft, ist zu bedauern. Eine «unprofessionelle» Herangehensweise führt nämlich oft zu guten Ergebnissen. Kürzlich sprach ich am Burgtheater in Wien mit Ulrich Seidl und ich begann das Gespräch mit der Schilderung, wie ich am Morgen einen totalen Zusammenbruch hatte beim Duschen, Sachen herumwarf und den Duschvorhang zerreissen wollte, nachdem ich mir in drei Tagen zehn seiner Filme angeschaut hatte. Weil ich zeigte, wie stark mich diese Filme affiziert haben, ist es ein richtig gutes Gespräch geworden.

Rolf Dobelli hat sich kürzlich als Nichtleser von News geoutet, er liest lieber Bücher.
Mein Zeitungskonsum beschränkt sich auf täglich 20 Minuten: ich schau mir den Kulturteil des Tages-Anzeigers an sowie in der NZZ das Ausland, die Wirtschaft, das Feuilleton und den Matchbericht des FCZ. Hinzu kommt das FAZ-Feuilleton und je nach dem sowas wie den «New Yorker» auf dem Handy.

Wo hört Journalismus auf, wo fängt Literatur an?
Ich würde keine klare Grenze ziehen, es ist immer die grosse Frage von Regel und Freiheit. Die absolute Freiheit ist ja der Tod, also braucht man gewisse Regeln. Die Frage ist, ob es nicht auch Regeln gibt, die kreativ machen. Wenn die Regeln sehr gross sind, kann sehr viel kreative Freiheit entstehen, weil man die Regeln unterwandern, umlaufen muss, mit ihnen spielt. Die absolute Freiheit mit einem eigenen Text zu füllen, ist relativ schwierig, und auch eine falsche Vorstellung von Leuten. Die meisten Autoren, die schreiben, kennen die Regeln, mit denen Texte gebaut werden, recht genau, und wissen, was sie machen, ob sie wie Balzac oder wie Flaubert schreiben. Wenn man einfach drauflosschreibt, erhält man nicht selten einen langweiligen, unstrukturierten Text. Wiederum wird es rasch langweilig, wenn alles nach Regeln gemacht wird. Man muss immer wieder gegen sie verstossen.

Wunderst Du Dich auch manchmal über die Gewichtung der Schweizer Medien? Die Skandalisierung von Figuren wie Blocher, Mörgeli, Rickli, Köppel, Somm oder Berlusconi füllt halbe Zeitungen.
Ich finde es fragwürdig, weil das ja alles Ablenkungsmanöver sind. Selbst wenn man diese Figuren angreift, ist es ja nicht das, was die Politik lenkt, dazu liest man besser die Wirtschaftsseiten der NZZ. Mir kommt es oft vor wie Scheingefechte mit Schiessbudenfiguren – ob die jetzt links oder rechts stehen, ist völlig egal. Die Leute haben dann das Gefühl, sie partizipieren an einem Diskurs oder an einem Entscheid, doch das sind ja nicht die Sachen, die wirklich wichtig sind. Es ist doch nicht wichtig, welche grossen Auftritte ein Blocher hat, sondern wen er empfängt in seinem Schloss an gewissen Abenden. Personalisierte Berichte lese ich eher nicht, lieber Hintergrundberichte.

Mit 17 Jahren hast Du zusammen mit Michael Pfister begonnen, «Justine» und «Juliette» zu übersetzen, die Hauptwerke von Marquis de Sade. Ein doch eher ungewöhnliches Teenager-Hobby.
Das hatte damit zu tun, dass ich extrem schlecht in Französisch war. Jemand sagte mir, die beste Übung, um besser Französisch zu sprechen, sei es, einen Text auswendig zu lernen, später dann kam ich auf das Übersetzen. Einerseits ist 17 ein Alter, in dem das Sexuelle sehr interessant ist, die Pubertät. Andererseits ging es um eines der wenigen «absoluten» Werke der Weltliteratur, das noch nicht übersetzt war.

Der ganz grosse Publikumshit des Jahres 2012 war doch «Fifty Shades of Grey» von E.L. James. Warum wurde das bisher nicht besprochen im Literaturclub? Weil es keine Literatur ist?
Ich hab noch nie im Leben ein Buch gelesen, was vom Handwerk her so schlecht ist. Wenn ich an den Kiosk gehe und einen Arztroman kaufe, ist der schon mal rein handwerklich besser geschrieben als dieses Buch. Mich erstaunt der Masochismus von Millionen von Lesern, sich diese Anti-Sprache über sich ergehen zu lassen, um dann im Gegenzug nicht mal erotische Stellen zu erhalten. Mehrfach ist im Buch von einer «beachtlichen Erektion» die Rede, was auch immer das sein soll, und immer wieder werden «glühende Blicke» ausgetauscht, einfach entsetzlich. Wir wollten es eigentlich in der ersten Sendung besprechen, doch dann kam es nicht dazu. Eigentlich müsste man die Leser vor der Lektüre bewahren.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Dir aus?
Oft verbringe ich den Morgen mit meinem Kind, dann lese ich Zeitung und meistens bis Mittag ein erstes Buch.

Wie schnell liest Du?
Etwa hundert Seiten pro Stunde, ich kann auch 800 Seiten in 8 Stunden lesen. An einem Tag schaffe ich so gut ein oder auch zwei Bücher. Bei schwierigen Romanen oder Philosophie muss ich natürlich langsamer lesen. Bücher, über die ich schreibe oder über die wir in der Sendung diskutieren, lese ich aber auch gerne ein zweites oder drittes Mal.

Kann man das lernen?
Ich glaube, es ist ein Trauma, denn ich konnte bis 9 nicht lesen. Ich war an der freien Volksschule, wo man nicht lesen musste, wenn man nicht wollte, man konnte auch rechnen. Als ich in die dritte Klasse der normalen Schule kam, konnten alle lesen und schreiben, und ich natürlich nicht. In der vierten Klasse dann erhielt jener, der in einem Monat am meisten Bücher gelesen hatte, eine Belohnung von der Lehrerin – was für mich als Kind aus eher bescheidenen Verhältnissen durchaus ein Anreiz war. So lernte ich sehr schnell, pro Tag ein Buch zu lesen.

Hat sich Dein Lesen mit dem Aufkommen des Internets verändert?
Ich lese nach wie vor meistens auf Papier. Das Suchen nach Sekundärliteratur hat sich sehr vereinfacht. Und fast alles aus dem 18. Jahrhundert ist auf dem Netz verfügbar. Es gibt eine Website, auf der alle Manuskriptseiten von Flauberts «Madame Bovary» verfügbar sind, das ist natürlich eine unglaubliche Erleichterung – wir mussten damals noch nach Paris reisen. Soziale Medien meide ich, weil ich fürchte, dass mich das süchtig machen würde.

Drei Schweizer Intellektuelle unter 45?
Lukas Bärfuss, Michel Mettler, … – ich glaube, es ist symptomatisch, dass mir nicht sofort jemand Drittes einfällt. Könnte man Constantin Seibt als Intellektuellen bezeichnen?

Ich würde sagen: Ja.
Also sagen wir Constantin Seibt.

Drei Bücher aus den 2010er-Jahren, die man lesen muss?
«Die Parallelgeschichten» von Péter Nádas. Falls man gerne von Martin Suter «Die Zeit, die Zeit» gelesen hat, wäre es gut, von Tom McCarthy «8 1/2 Millionen» zu lesen, ein grossartiger Experimentalroman aus, sagen wir es mal sanft ausgedrückt, ähnlichen Motiven. Von 2009 zu empfehlen sind «2666» von Roberto Bolaño und «Unendlicher Spass» von David Foster Wallace.

Ist das, was Du gerade machst, Dein Traumjob?
Ziemlich nah an einem Traumjob.

Wann warst Du zuletzt Spazieren am Zürcher Bellevue?
Heute mittag.

Das wundert mich, schriebst Du doch 2003 unter dem Titel «Wie die Ideale der 68er baden gehen» im Magazin, «das Flanieren vom Bellevue zum Zürichhorn» sei «für einen geschmacks- und vernunftbegabten Menschen unmöglich geworden.»
Im Winter geht das, da hat es weniger Menschen. Schlimm finde ich die totale Kapitalisierung jedes Laufmeters. Strassenkünstler, die früher ein Ereignis waren, bilden heute eine Stafette. Und dann dieser Zwang von jedem Individuum, dass es ganz speziell sein und sich verwirklichen muss. Das führt zu einer uniformierten Verschiedenheit, die in der Masse dann auch unangenehm wird.

Das Gespräch mit Stefan Zweifel wurde am 3. Dezember 2012 in Zürich geführt. Die Zuschauerzahlen des Literaturclubs waren die letzten Jahre auf tiefen Niveau bemerkenswert stabil: 66’000 (2010), 62’000 (2011), 69’000 (2012).

Leserbeiträge

Fred David 14. Januar 2013, 23:07

Interessanter Mensch. Klasse Interview. Chapeau! für beide.

Brigitte Dimitriou 26. Juni 2013, 15:47

..ein Buch pro Tag?….so stelle ich sie mir vor……ich lese monatlich eines das bei ihnen ( im Literaturclub)vorgestellt wird- ein Lob für ihre Sendung und für ihr Team!