Ausbildung, Medienkritik und Finanzierung stärken
Eine aktuelle Studie der Uni Fribourg zeigt, dass der ökonomische Druck in Schweizer Redaktionen steigt und die Berichterstattungsfreiheit eingeschränkt ist. Neben neuen Ausbildungsformen und verstärkter Medien(selbst)kritik sind nun auch Diskussionen über sinnvolle finanzielle Förderinstrumente gefordert.
Die Ergebnisse unserer Studie zeigen: Journalistinnen und Journalisten in sämtlichen Mediengattungen stehen unter einem zunehmenden ökonomischen Druck. Redaktionen müssen mit weniger Ressourcen mehr leisten. Für grundlegende journalistische Aufgaben bleibt oft nicht die nötige Zeit. Dieser Trend hat sich in den letzten fünf Jahren zum Teil verstärkt. Besonders für vertiefende Recherchen vor Ort und für die Netzwerkpflege stehen weniger Ressourcen zur Verfügung. Dies hat Folgen für die Vielfalt an Informationen und Themen und mindert die journalistische Qualität – das wichtigste Kapital des Journalismus gerade in Zeiten von zunehmender Medienkonkurrenz.
Angesichts der steigenden Arbeitsbelastung und des starken Zeit- und Produktionsdrucks besteht die Gefahr, dass angehende Journalisten und Journalistinnen bestimmte Kernkompetenzen kaum mehr erlernen können. Die Ausbildung von Medienschaffenden sollte daher stärker unterstützt und auf Recherchekompetenzen zugeschnitten werden.
Zur besseren Ausbildung könnte über spezielle, zeitlich umfassende Recherchepraktika für den journalistischen Nachwuchs nachgedacht werden, die von Stiftungen oder der öffentlichen Hand finanziert werden. Gerade Berufseinsteigerinnen und -einsteiger, die unter dem Einfluss des schnelllebigen Onlinekanals sozialisiert werden, könnten in diesem Rahmen unverzichtbare Kompetenzen wie vertiefendes Recherchieren (vor Ort) und die Pflege eines Netzwerkes von Informanten erlernen.
Darüber hinaus hat unsere Studie gezeigt, dass Redaktionen in ihrer Berichterstattungsfreiheit eingeschränkt sind. Das eigene Medienhaus wird vor allem positiv und wenig kritisch dargestellt. Die Berichterstattung über medienpolitische Themen ist nicht stark ausgeprägt und folgt nicht selten der Position und den Interessen des eigenen Medienunternehmens. Eine ungefärbte Eigenberichterstattung über Medienunternehmen und Medienpolitik ist unter den derzeitigen Bedingungen offenkundig schwer zu leisten.
Doch Medienkritik und Medienjournalismus sind ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Diskurses. Einen möglichen Ausweg aus dieser «Selbstbeobachtungsfalle» stellen Angebote unabhängiger Dritter dar. Diese existieren zwar, auch dank des Internets, entfalten aber heute wenig Breitenwirkung über die Medienbranche hinaus. Entsprechend wäre hier auch der öffentliche Rundfunk besonders gefordert.
Professionelle Medienorganisationen ermöglichen zwar die Selbstbeobachtung der Gesellschaft – ihre Fähigkeit, sich selbst zu beobachten ist aber eingeschränkt. Neben Nischenangeboten braucht es eine Medienkritik mit Breitenwirkung. Während die SRG durch Politik und private Medienunternehmen kritisch begleitet wird, sollte der öffentliche Rundfunk verstärkt medienjournalistische Aufgaben übernehmen. Der Programmauftrag des Service public, der in der Konzession für die SRG SSR festgehalten ist, könnte entsprechend präzisiert beziehungsweise erweitert werden.
Die Ergebnisse unserer Studie zeigen auch, dass die Redaktionen im Interesse des Medienunternehmens auf das Image von Werbekunden Rücksicht nehmen. Negative Nachrichten über Werbekunden werden in weiten Teilen vermieden. Damit schaden die Medien ihrer Glaubwürdigkeit und der Qualität ihrer Berichterstattung. Schlichte Forderungen nach einer grösseren Unabhängigkeit von Redaktionsentscheidungen werden angesichts der zunehmenden Konkurrenz um Werbekunden aber kaum Wirkungen entfalten.
Entsprechend bedarf es einer Vielfalt unterschiedlich institutionalisierter und finanzierter Medienorganisationen. Dadurch können «blinde Flecken» ein Stück weit kompensiert werden. In Ergänzung zu privat-kommerziellen Medien braucht es einen öffentlichen Rundfunk, der nur begrenzt auf Werbegelder angewiesen ist. Zudem können auch Community-Medien und nicht-kommerzielle journalistische Angebote eine wichtige Rolle spielen und für strukturelle Diversität sorgen.
Kommerzielle Abhängigkeiten können aufgrund struktureller und instrumenteller Einflüsse eine Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit zur Folge haben. Entsprechend ist es von Bedeutung, dass die Medienpolitik für eine strukturelle Diversität unterschiedlich institutionalisierter Medienorganisationen sorgt. Insbesondere dem öffentlichen Rundfunk kommt hierbei eine wichtige Position zu.
Bislang hat kein Medienunternehmen eine Patentlösung für die aktuellen Finanzierungsprobleme und den strukturellen Wandel gefunden. Neben neuen Geschäftsmodellen und journalistischen Innovationen sind daher neue Modelle der Medienförderung zu diskutieren.
Mit den Papieren von SP und Emek liegen aus der Politik bereits erste Vorschläge vor, die im Bundesratsbericht ansatzweise aufgegriffen wurden. Zudem zeigt die bisherige Forschung zuhanden des Bundesamts für Kommunikation Bakom Möglichkeiten für die Medienförderung auf. Ein internationaler Vergleich verdeutlicht, dass zahlreiche Optionen für die Einführung neuer Förderinstrumente bestehen, die erwiesenermassen funktionieren und die Unabhängigkeit des Journalismus nicht gefährden.
Statt indirekter Förderung durch billigere Posttaxen, die die Medienkonzentration nicht verhindern, sind direkte Förderungsinstrumente als Lösungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen. Dabei könnte an eine Anschubfinanzierung für neue journalistische Projekte gedacht werden, aber auch an die dauerhafte Unterstützung kleiner Print- und Onlinepublikationen, die unabhängig von den grossen Verlags- und Medienhäusern sind. Eine solche Medienförderung ist nicht nur eine strukturerhaltende Massnahme, sondern vor allem zukunftsgerichtet.
Die vorliegende Studie kann als Anregung dienen, die reflexartige Abwehr von direkter Medienförderung zu überdenken. Gerade die skandinavischen Länder zeigen, dass Förderung und Pressefreiheit kein Gegensatz sind. Schweden, Dänemark und Norwegen rangieren in Erhebungen zur Pressefreiheit immer auf den vordersten Plätzen – und bieten zahlreiche Ideen, wie Journalismus im Onlinezeitalter effektiv gefördert werden kann.
Die Freiheit der Presse vom Staat wurde hart erkämpft und ist ein wichtiges Gut. Dieses gilt es unbedingt zu bewahren. Derzeit stellt vor allem die Abhängigkeit von kommerziellen Interessen eine Gefahr für die Zukunft des Journalismus dar. Eine staatsfern ausgestaltete Medienförderung will nicht die Unabhängigkeit vom Staat gefährden, sondern Rahmenbedingungen für guten Journalismus schaffen.
Die Studie «Arbeitsbedingungen und Berichterstattungsfreiheit in journalistischen Organisationen» von Manuel Puppis, Philomen Schönhagen, Silke Fürst, Brigitte Hofstetter und Mike Meißner wurde durch das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) finanziert. Der vollständige Projektbericht ist zum Download verfügbar.
Die Autoren:
Manuel Puppis, Professur für Mediensysteme und Medienstrukturen an der Universität Fribourg
Silke Fürst, Doktorandin und Mitarbeiterin an der Universität Fribourg