von René Worni

Mit dem Kopf im Sand

Medien berichten nur über Katastrophen, Mord und Totschlag und machen die Welt schlechter als sie ist. Diesem verbreiteten Vorurteil gemäss hat die Forderung nach (ausschliesslich) guten Nachrichten in den Medien Konjunktur. Seit bald zwei Jahren pflegt die Onlinezeitung «Happy Times – nur gute Nachrichten» den Blick durch die rosa Brille auf das Weltgeschehen. Ob man allerdings von einem journalistischen Produkt sprechen kann, ist mehr als fraglich, denn die PR mischt tüchtig mit.

Was bleibt, wenn man die Schattenseiten der täglichen Meldungen aus aller Welt ausblendet? Die Fragestellung an sich ist spannend und wär den Versuch wert, sie einmal praktisch durchzuspielen. «The Onion», das legendäre US-Satiremagazin mit ausschliesslich gefakten Nachrichten auf höchstem Niveau könnte eine konzeptuelle Steilvorlage sein.

Doch leider weit gefehlt. Ein Blick auf die Onlinezeitung «Happy-Times – nur gute Nachrichten» enttäuscht. Die einzige Reminiszenz an den Journalismus ist der Titel in Fraktur und die entfernte Anspielung auf die NYT. Die Meldungen sind bestürzend unspektakulär und uninteressant, um nicht zu sagen irreführend. Denn das Angebot auf der Hauptseite von heute Montag besteht vor allem aus PR-Meldungen: So darf etwa die Schweizerische Post in eigener Sache ihr positives Quartalsergebnis präsentieren, Autobauer Daimler über den Auftritt eines historischen Mercedes Benz in einem ARD-Fernsehfilm schreiben oder Pressesprecherin Caroline Wahnbaeck von Greenpeace Deutschland zum schnellen Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie aufrufen. Auch der WWF begrüsst in einem Beitrag die löbliche Ökopolitik der Baden-Würtembergischen und Rheinland-Pfälzischen Regierungen. Last but not least schreibt Toyota, dass bei der Kundschaft die Automarke als die mit der grössten Hybrid- und Elektrokompetenz wahrgenommen werde. Die Artikel sind zwar signiert, aber nirgends mit entsprechenden Hinweisen, dass es sich um PR-Beiträge handelt, gekennzeichnet, noch unterscheiden sie sich formal von offensichtlich redaktionellen Beiträgen.

Inhaltlich umfasst das Angebot vor allem Nachrichten aus aller Welt, mehrheitlich  aus dem deutschsprachigen Raum. Dem Sport, Autos und Computern, dem Horoskop, TV- und Kinoprogrammen sowie Kino- und Buchtipps sind eigene Rubriken gewidmet. Die Themen Liebe und Leben sowie Life und Style haben eigene Unterrubriken, wo unter anderen ein Paarberater, ein Coach, eine Mentaltrainerin und eine Kolumnistin ihr Tummelfeld gefunden haben. Das Publikum ist gehalten, ausschliesslich positive Kommentare abzugeben.

Als Inhaber und Herausgeber von «Happy-Times» zeichnet Benjamin Bürge. Neben Bürge schreiben acht Autorinnen und Autoren auf «Happy-Times». Er betreibt die Website Buerge-Group und geschäftet ausser mit guten Nachrichten auch mit Grafik und Textildruck über das Internet.

Bürge schreibt über die Gründungsmotive seines Onlinemagazins: «Tut mir das gut, von allen Seiten mit Mord, Totschlag und Katastrophenmeldungen berieselt zu werden? (…) All diese schrecklichen Meldungen braucht man doch nicht wirklich und bestimmt nicht in dieser Menge. So vergessen wir doch noch am Schluss, dass das Leben schön ist, und Spass macht!» Wäre «Happy Times» als satirisches Projekt angelegt, könnte das Onlinemagazin eine Bereicherung für die Medienlandschaft und die Werbeindustrie gleichermassen sein. Doch Bürge meint es tierisch ernst. Offensichtlich lohnt es sich, wenn man öffentlich den Kopf in den Sand steckt. Die PR jedenfalls scheint bei diesem pseudojournalistischen Webmagazin ein geeignetes Umfeld gefunden zu haben.

Leserbeiträge

Markus Berger 13. Mai 2011, 15:58

Sie haben recht, wenn Sie das Konzept von „Happy Times“ anzweifeln. So schön es wäre, nur positive Meldungen zu erhalten, so langweilig wäre dann aber auch unsere Welt. Wir wollen auch mal einen Unglücksfall verfolgen, nicht nur, um zu sehen, wieviel besser es uns geht, sondern auch um Gefühle wie Empathie und Mitleid zu empfinden. Wir wollen von Journalisten eine kritische Auseinandersetzung mit Informationen – und wir wollen eine Darstellung von beidem, der Sonnen- UND der Schattenseiten. Ihre Kritik (ist ja wahrscheinlich nicht als satirische Überspitzung gedacht) greift aber zu kurz und ist bedenklich simplizistisch, wenn Sie die PR-Branche als nur an guten Nachrichten interessiert darstellen wollen. Erstens ist es nicht verwerflich, wenn die Quelle einer Information PR ist (bis zu 80 % sind es eh), und zweitens können gute PR nicht ohne kritische Reflexion (u.a. durch Journalisten) und guter Journalismus nicht ohne fundierte Unternehmensinformation (PR) existieren. Kritisieren Sie also das Konzept von „Happy Times“ als „Kopf in den Sand stecken“, aber tun Sie bitte in der Folge nicht genau dasselbe und stecken selber „den Kopf in den Sand“ vor lauter Verkennung der publizistischen und gesellschaftlichen Bedeutung professioneller Public Relations.
Markus Berger, Direktor SPRI Schweiz. Public Relations Institut, Zürich

René Worni 16. Mai 2011, 10:05

Dazu fällt mir grad folgendes Beispiel ein (es gibt bestimmt bessere und dazu einheimische): 2008 hat Nick Davies, damals Sonderkorrespondent des Guardian, in seinem Buch «Flat Earth News» ernüchternd vorgerechnet, dass von über 2000 analysierten journalistischen Berichten aus den britischen Qualitätsblättern (Guardian, Independent, Daily Telegraph, Times usw.) bloss müde 12 Prozent recherchiert waren. Praktisch der ganze Rest war PR. Sie selber sprechen salopp («eh») von 80 Prozent, als wär dieser Überhang die natürlichste Sache der Welt. Ist es aber nicht. Das Grundproblem ist, dass eine kommerzielle Logik die journalistische abgelöst hat. Die Redaktionen sind derart ausgetrocknet, dass sie der Kommunikationsindustrie schlicht nicht mehr beikommen. Wenn es Ihnen mit «kritischer Reflexion» und «gutem Journalismus» wirklich ernst ist, müssten Sie höchstes Interesse daran haben, dass diese 80 Prozent PR auf ein vernünftiges Mass herunter kommen. Zuviel PR beschädigt die Glaubwürdigkeit der Medien und damit deren Aufgabe, die gesellschaftlichen Zusammenhänge einigermassen zuverlässig abzubilden.

Markus Berger 16. Mai 2011, 16:33

Nein, ich will nicht verlängern, oder rechthaberisch wirken, aber sie liegen falsch, und das möchte ich schon noch kurz kommentieren: Sie schreiben „Zuviel PR beschädigt die Glaubwürdigkeit der Medien“, und das ist genau Ihr Grundlagenirrtum. PR an sich sind völlig wertfrei, das ist eine Kommunikationsdisziplin und fertig. Darum kann man ja auch nicht sagen, dass die PR nur an guten News interessiert seien. Die Glaubwürdigkeit der Medien wird nicht durch PR untergraben, sondern durch die unkritische, wenig selektive und immer öfters leider auch wenig kompetente Arbeit auf den Redaktionen. Darüber darf man ruhig lamentieren, aber die „Schuld“ dafür ist nicht bei der grösser werdenden PR-Branche zu suchen, sondern in der Verlagsbranche. Diese beschädigt mehr und mehr die Glaubwürdigkeit der Medien, weshalb sich die Menschen zunehmend ausserhalb der Verlagsbranche ihre Informationen holen.

René Worni 17. Mai 2011, 11:06

Apropos Kommunikationsdisziplin: PR agiert immer interessengebunden. Sie steht im Dienste einer Partei, einer Organisation, eines Produktes etc. Wenn sie ein Urteil fällt, tut sie es immer pro domo, zugunsten ihrer Auftraggeber. Journalismus dagegen steht im Dienste der Öffentlichkeit. Das journalistische Urteil liegt beim Journalisten/bei der Journalistin, das er/sie nach sorgfältiger Prüfung der Fakten und unter Einbezug der Beteiligten fällt. Es ist im Gegensatz zur PR nicht käuflich. So einfach ist das. Wenn dann die Kräfteverhältnisse nicht mehr stimmen, gerät so Einiges aus dem Ruder.
Dass man sich zunehmend ausserhalb herkömmlicher Quellen (Papier) News und Informationen holt hat wenig mit der Glaubwürdigkeit der Medien, sondern mit dem Paradigmenwechsel der Branche und neuen elektronischen Angeboten zu tun. Die digitalen Gadgets sind halt schnell und sexy obendrein.