von Ronnie Grob

Das Leben der Anderen

Die Onlineportale von Schweizer Zeitungen und Zeitschriften machen nicht den Eindruck, als wären sie ein Teil des WWW. Sie verweigern sich der Kommunikation nach aussen und setzen keine Links auf externe Seiten. Die ehemaligen Gatekeeper sollten endlich ihre Tore öffnen und mit dem Rest der Welt reden. Wer von sich überzeugt ist, hat kein Problem, seine Leser anderswo hinzuschicken – er weiss, dass sie wieder zurückkommen.

Die zahlreichen Sozialen Netzwerke im Netz wüssten nicht mehr, über was sie reden und was sie verlinken sollen, wenn es die etablierten Medien nicht mehr gäbe, schreibt Rainer Stadler (ras.), Medienredaktor der NZZ in einem Kommentar auf Medienspiegel.ch:

Es gäbe ein schönes Experiment, das ich leider nicht durchführen darf: die Agenturen SDA, AP und Reuters während einer Woche kidnappen und dann schauen, was geschieht. Erweitern wir das virtuelle Experiment noch um das Kidnapping von NZZ, Tages-Anzeiger, Blick, SRG-Sendern, BaZ, AZ, St.Galler Tagblatt, Le Temps, Corriere del Ticino. Was geschähe dann? Es würde zappenduster auf den SM-Plattformen. Man könnte dort noch Gefühle, Föteli und Meinungen austauschen, aber fast ohne jeden Bezug zum aktuellen (zumindest Schweizer) Geschehen, praktisch ohne Faktenbasierung.

Das ist falsch: Die Diskussion würde sich einfach vermehrt auf Primärquellen verlagern. Nicht nur die ehemaligen Gatekeeper sind heute im Web, sondern alle: Parlamente, Parteien, Departemente, Gerichte, die Polizei, Firmen, Universitäten, Stiftungen, Organisationen, Verbände, Gruppen, Gewerkschaften, Kirchen. Politiker, Künstler, Blogger, Kleinunternehmer. Und wer keine eigene Website pflegt, ist womöglich aktiv auf einer der unüberschaubar vielen Unterseiten sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter oder YouTube. Alle diese Primärquellen sind kleine oder grosse Veröffentlichungen.

Nicht alle dieser Veröffentlichungen sind journalistisch – aber vom Tweet einer Privatperson bis zur Medienmitteilung der Nationalbank sind sie alle verlinkbar. Und doch werden diese Quellen nicht verlinkt, sondern lediglich erwähnt. Statt einen Link in den Text einzubauen, damit sich der Leser bei Interesse dort näher informieren kann – ein Service, der auch der kleinste Blogger oder Twitterer seinem Publikum bietet – wird ihm alles umständlich nacherzählt. Als würde der Leser, wenn er einmal entdeckt hat, dass es im Internet auch noch andere Websites gibt, nie mehr wiederkommen.

Um es deutlich zu sagen: Im Netz ist die allgemeine Angabe der Quelle nicht genug. Erst der direkte Verweis auf die betreffende Story ist eine ordentliche Quellenangabe. Angaben wie „Internet“, „YouTube“, „Twitter“ oder auch „Newsnet“, die alles und nichts heissen können, sind schlicht unjournalistisch. Wir brauchen genaue Angaben der Fundstellen. Und es sind nun mal Links, die die Eigenschaft haben, an die korrekte Fundstelle zu verweisen. Gründe, einen Link zu verweigern, kann es geben, etwa dann, wenn man einem zweifelhaften Angebot nicht zu zusätzlicher Prominenz verhelfen will. Das kommt allerdings nur selten vor.

Sascha Lobo schreibt sehr richtig: „Verlinkung ist digitales Leben, der Rest ist Konsum.“ Warum bloss wagt es niemand, sich in dieses digitale Leben einzufügen? Ein Link auf eine andere Website ist oft der Beginn einer Kommunikation: Man nimmt den Anderen, und sei es der Konkurrent, als Gesprächspartner wahr, und würdigt ihn als Quelle. Immerhin: einige Redaktoren bei 20 Minuten Online und NZZ Online scheinen das begriffen haben, auch im Newsnet wurden schon vereinzelt Links gesichtet.

Auf den anderen Schweizer Portalen sucht man in aller Regel vergebens nach Links auf Angebote ausserhalb der eigenen Domäne. Es ist fast wie in (untergegangenen) sozialistischen Systemen wie Nordkorea oder der DDR. Das Zentralkomitee versucht die Kommunikation mit den Anderen von oben her zu steuern. Kommuniziert bloss nicht mit den Kindern ennet der Grenze, sonst kommt ihr noch auf dumme Gedanken oder lernt etwas dazu! Dabei ist es doch immer das Leben der Anderen, das einen inspiriert und von dem man lernt. Das gilt nicht nur für Links, sondern auch für Soziale Netzwerke, Bücher, Filme, Blogs oder die Kaffeepause.

Kommunikation, das sei den Ängstlichen und Vorsichtigen gesagt, ist an sich nur mal Kommunikation. Wer das digitale Leben der Anderen aufnimmt, verarbeitet, beantwortet, verlinkt, gibt sich selbst nicht etwa auf. Nein, er bietet seinen Lesern eine Ergänzung zum eigenen Produkt. Was andere besser können, sollte man nicht schlechter zusammenfassen. Es reicht, darauf zu verweisen.

Als Grundlage braucht es dazu Online-Journalismus mit Substanz. Also mehr als umformulierte Agenturmeldungen und Pressemitteilungen, mehr als aus dem Printprodukt übernommene Artikel, mehr als neu zusammengefasste Artikel aus anderen Zeitungen, mehr als aus dem Web heruntergeladene und im eigenen Angebot wieder hochgeladene Videos.

Liebe Medienmanager, liebe Chefredaktoren ehemaliger Gatekeeper: Verweist per Link, per Hyperlink auf andere Websites. Nehmt teil am digitalen Leben. Schottet Euch nicht ab. Macht Euren Redaktoren keine Linkverbote. Setzt Quellenangaben, die nachvollziehbar sind.

Oder, um es mit Ronald Reagan zu sagen:

Open This Gate! Tear Down This Wall!

Nachtrag, 12:20 Uhr: Auch David Bauer schreibt auf tageswoche.ch zum Thema: „Die falsche Angst vor dem Link zur Konkurrenz“.

Leserbeiträge

Fred David 08. November 2011, 12:43

Ich bin mal wieder furchtbar schweizerisch und sage langweilig neutral, beide haben recht: NZZ-Redaktor Rainer Stadler mit seinem eingängigen Kidnappig-Beispiel (s.oben) und Ronnie Grob mit seiner grenzenlosen Verwunderung, warum die riesigen Möglichkeiten, die das web mit intelligenten, allenfalls sortierten und geprüften Links bietet, nicht besser von den Gatekeepern genutzt wird. Eine auf der Strasse liegende Dienstleistung! Man braucht sich nur zu bücken und hat Business in der Hand, das dem bisherigen Business auch noch nützt! Und den Usern sowieso. Warum dauert das so lang?

Leisi 08. November 2011, 15:23

Kann mich noch gut an die Zeit kurz nach dem Millennium erinnern, als es im WWW so richtig abging – u.a. angetrieben vom aufpumpen der Blase – jedoch die Schweizer Firmen wollten vom Internet überhaupt nichts wissen (vor allem als dann die Blase platze). In der Zwischenzeit sind wir hierzulande immerhin schon mal einigermassen bei Web 2.0 angekommen (gibt’s anderswo seit 2004), aber SEO und Communities scheinen noch in weiter Ferne zu liegen. D.h. es wird wohl noch eine Weile dauern, bis CH-Medienhäuser checken, dass Bildschirme nicht aus Zellulose bestehen.

Rainer Stadler 08. November 2011, 18:43

Gehört wohl in die Abteilung Satire, der Vergleich von Schweizer Medien-Sites mit den Sowjetrussen. Man kann den Vergleich noch steigern: Ohne Medien und ihre Dienstleistungen landen wir direkt im Polpot-Kommunismus, unter dem die arbeitsteilige Gesellschaft zerstört wurde und alle auf die Äcker geschickt wurden. Jeder ein Info-Bauer. Proscht. Das wäre dann die teorroristische Fratze der freien Assoziation freier Produzenten. Ich hab’s lieber ein bisschen gesitteter, schätze im Prinzip die Errungenschaften der modernen ausdifferenzierten Gesellschaften.

Ronnie Grob 08. November 2011, 23:31

Das Schöne ist doch, dass dank dem Internet jeder selbst entscheiden kann, ob und wie sehr er Infobauer sein will – die Finanzierung dessen ist wieder eine ganz andere Frage. Ich mag Gesellschaften, in denen niemand zu seinem „Glück“ gezwungen wird.

Andreas Gossweiler 09. November 2011, 00:57

Alle die vielen Blogposts, mit denen ich im Bobby-California-Blog den Unterschied zwischen Bloggen und Journalismus zu erklären versucht habe, waren offenbar vergebene Liebesmüh. Ronnie Grob hat den Unterschied immer noch nicht kapiert. Jetzt kommt das schon wieder: «…dass dank dem Internet jeder selbst entscheiden kann, ob und wie sehr er Infobauer sein will…» und: «Parlamente, Parteien, Departemente, Gerichte, die Polizei, Firmen, Universitäten, Stiftungen, Organisationen, Verbände, Gruppen, Gewerkschaften, Kirchen. Politiker, Künstler, Blogger, Kleinunternehmer… alle diese Primärquellen sind kleine oder grosse Veröffentlichungen», schreibt Ronnie Grob.

Also, ich versuchs jetzt nochmals im Guten. Ronnie Grob: Journalisten machen doch noch viel mehr, als nur die Verlautbarungen und Pressemeldungen von Parlamenten, Parteien oder der Polizei abzuschreiben. Journalisten recherchieren, enthüllen unbekannte Tatsachen, nehmen vertrauliche Hinweise entgegen, reden mit Informanten usw. Ein Journalist, der nur Pressemeldungen abschreibt, ist kein Journalist.

Ich gebe dir ein Beispiel, Ronnie: Der Fall Nef. Ein Journalist hörte bei einem Ausflug ein Gerücht. Er ging dem Gerücht nach, andere Journalisten nahmen den Ball auf und gruben tiefer. Die Recherchen von drei Sonntagszeitung-Journalisten brachten den Bundesrat Schmid in Bedrängnis. Die Infos zu dieser Enthüllung konnte man sich nicht bequem im Internet googeln. Kein Hobby-«Infobauer» hätte jemals am Feierabend herausfinden können, was die Journalisten in tagelanger, harter Arbeit ans Tageslicht beförderten.

Blogger können diese Arbeit unmöglich leisten. Sie haben nicht Zeit, um zu grübeln, pickeln und kritische Fragen zu stellen. Sowas kann man nicht am Feierabend machen. Das ist harte Knochenarbeit und ein Full-Time-Job.

Habe ich mich verständlich ausgedrückt?

Ronnie Grob 09. November 2011, 08:17

@Andreas Gossweiler: Ich glaube, Du unterschätzt unsere geistige Leistungsfähigkeit, wenn Du glaubst, wir hätten nach Deinen vielen, vielen Einträgen dazu immer noch nicht verstanden, dass Du den Journalistenberuf gegen die Tätigkeiten von Bloggern abgrenzen willst. Nun ist es aber so, dass es Blogs gibt, die journalistisch vorgehen (zB Bildblog.de) und Journalisten, die nicht journalistisch vorgehen. Ist das für Dich etwa keine Diskussion wert? Mich interessiert nicht, wie jemand angeschrieben ist, sondern, was er tut.

Im Beitrag geht es nicht um „Blogger vs. Journalisten“, sondern um nicht gesetzte Links und nicht korrekte Quellenangaben. Hast Du dazu auch etwas zu sagen?

Andreas Gossweiler 09. November 2011, 08:56

Ronnie Grob > Ich lese Bildblog nicht. Irgendwo auf der Welt gibt es immer irgendwelche Blogs, die angeblich oder vielleicht tatsächlich eine gewaltige Relevanz haben. Ich kenne nur die Situation hier und jetzt, die Situation in der Schweiz. Und in der Schweiz gibt es keine Blogs, die journalistisch arbeiten, ausser einige Blogs, die von Journalisten produziert werden (zB Infamy oder Otto Hostettler). So dass das Axiom gilt: In der Schweiz sind Journalisten die besten Blogger. Weil sie die einzigen sind, die wissen, wie man interessante Geschichten ausgräbt und umsetzt.

«Im Beitrag geht es nicht um „Blogger vs. Journalisten“, sondern um nicht gesetzte Links und nicht korrekte Quellenangaben. Hast Du dazu auch etwas zu sagen?»

Das stimmt nicht. Im Beitrag geht es bei weitem nicht nur um Links, sondern auch darum, dass du Rainer Stadlers schöne und zutreffende Kidnapping-Analogie attackiert hast. Und zwar gleich zu Beginn deines Texts. Ich habe mich also direkt auf deinen Beitrag bezogen. Unterstell mir bitte nicht themenfremdes Polemisieren.

Dass man Links setzen soll, stimmt sicher. Aber wenn man Chefredaktoren und Medienmanagern Tipps geben will, dann sollten die Fakten im gesamten Artikel stimmen.

Vladimir Sibirien 09. November 2011, 12:16

Bobby, wir haben es jetzt Alle begriffen, dass Dir Blogger vs. Journalisten ein Herzensthema ist. Inzwischen nervt es nur noch.

Die neuen Kommunikationsmedien haben unter anderem uns auch gebracht, dass ein Einzelner zu vernachlässigbaren Kosten einer grosse Gruppe von Menschen tierisch auf den Senkel gehen kann. Früher war das immer mit Geld verbunden, was per se eine gewisse Filterfunktion darstellte. So blieb einem als Wutbürger nur der Griff zu einer Flasche Johnny Walker, heute wird WordPress instanziert. Blogger oder Journalist? Egal. Die wahre Unterscheidung liegt darin, ob man aus *Unzufriedenheit* das Netz zumüllt und sich lernresistent durch Diskussionsstränge durchbombt oder sich aus *Neugier* und Interesse an einer Gesamtschau einer konstruktiven Diskussion hingibt.

Martin Steiger 09. November 2011, 14:45

@Andreas Gossweiler: Wie definieren Sie «journalistisch arbeiten»?

mdr 08. November 2011, 19:28

Natürlich sollten Online-Medien Links setzen. Aber so schlimm, wie Ronnie Grob die Situation schildert, ist es doch gar nicht. Die Verlinkung beim Zitieren von anderen Medien scheint mir schon recht gut zu funktionieren, auch weil die Praxis der bewussten Verweigerung inzwischen verpönt ist.

Bei Links auf Primär-Quellen gibt es sicher noch Verbesserungsmöglichkeiten. Aber muss jede Medienmitteilung des Bundes verlinkt sein? Ich persönlich finde Links vor allem wichtig dann wichtig, wenn ich aus einem eher versteckten Dokument zitiere. Zumal es auch mir selbst nützt: Ich finde die Quelle auch einige Monate später wieder innert kürzester Zeit.

Ronnie Grob 08. November 2011, 23:35

Wo genau funktioniert die „Verlinkung beim Zitieren von anderen Medien“ bei den Online-Portalen? Gibt es Beispiele?

Die Praxis der bewussten Link-Verweigerung ist verpönt? Ja, bei den Bloggern, seit vielen Jahren. Bei den Online-Portalen auch? Beispiele?

Natürlich muss nicht jede Medienmitteilung verlinkt werden. Sie muss dann verlinkt werden, wenn es Sinn macht.

mdr 09. November 2011, 00:04

Es ist mein subjektiver, nicht empirisch belegter Eindruck, dass die grossen vier Schweizer Newssites beim gegenseitigen Zitieren zunehmend verlinken. Auch wenn ausländische Medien als Quellen dienen, sehe ich oft Links. Ausgezählt habe ich es nie.

Bei 20 Minuten Online gibt es die klare Weisung, insbesondere journalistische Quellen zu verlinken. Ob es tatsächlich immer geschieht, weiss ich nicht.

Verpönt insofern, dass Verlinkung zunehmend als Teil der journalistischen Sorgfalt gesehen wird — auch dank der Thematisierung, wie es hier geschieht.

David Bauer 09. November 2011, 12:23

Schade, driftet diese Diskussion bereits wieder ab zu Grabenkämpfen echte Journalisten versus Blogger. Dabei lässt sich dieses Thema mit einem Zitat von Zeit-Online-Chefredaktor Wolfgang Blau beenden: «Journalist ist, wer journalistisch arbeitet. Nicht, wer mit Journalismus Geld verdient.».

Können wir jetzt über Links diskutieren?

Jodok Kobelt 09. November 2011, 13:58

Das Internet ist ein Netz, weil es Informationen und Quellen vernetzt/verlinkt. Wer keine Links setzt ist entweder zu faul, oder hat sich vielleicht im Vorfeld des Schreibens selber zuwenig schlau gelesen.
Dass in den Online-Auftritten der Zeitungen die Links fehlen hat wohl damit zu tun, dass eben immer noch zu viel Material copy/paste-mässig publiziert wird, ohne daran zu denken in welchem Medium hier publiziert wird.

Christian Rentsch 09. November 2011, 15:05

Lieber Ronnie Grob

Tun Sie uns doch bitte den Gefallen, einen Tag lang alle die Primarquellen aufzusuchen, die uns die bösen Gatekeeper, die NZZ, der Tages-Anzeiger oder auch die FAZ in aufbereiteter Form jeden Morgen ins Haus liefern, damit wir uns in einer oder anderthalb Stunden über das politische, wirtschaftliche, kulturelle Geschehen auf der Welt informieren können. Wenn Sie nach einer Woche oder zwei mit der heutigen Ausgabe einer dieser Zeitungen fertig sind, melden Sie sich bitte wieder und berichten Sie uns, wie wunderbar einfach das war. Okay? Wir sind gespannt.

Christian Rentsch, langjähriger Ex-Redaktor auf einer dieser Zeitungen

Ronnie Grob 10. November 2011, 09:55

Sie beschreiben das Konzept der Zeitungen. Das habe ich verstanden und auch gar nicht kritisiert. Angezweifelt habe ich dagegen die Behauptung, ohne Gatekeeper sei es „zappenduster“ in Sozialen Netzwerken. Und kritisiert habe ich die Linkpolitik der Online-Portale dieser Gatekeeper. „Böse“ sind die an sich nicht.

Andreas Gossweiler 09. November 2011, 20:51

Martin Steiger > «Journalistisch arbeiten» bedeutet:
1. Das Wichtigste: Man ist unvoreingenommen und neugierig. Dazu gehört, dass man nicht Mitglied einer Partei ist und die Welt nicht durch eine ideologische Brille betrachtet. Also dass man nicht Vorurteile kultiviert, sondern frei ist, ein Thema von verschiedenen Seiten her anzuschauen.
2. gehört dazu das Wissen, wie man Informationsquellen anzapft. Das ist eine Arbeit, für die es einen Profi braucht. Ronnies fiktiver «Infobauer» kann diese Arbeit eben nicht leisten. Das wollte ich in meinem Kommentar erklären. Es ging mir nicht darum, Blogger zu bashen, ich bin ja selber ein Blogger. Mein Kommentar bezog sich direkt auf Ronnies Artikel, in dem steht, jeder könne in der Freizeit «Primärquellen» anzapfen und weiter verbreiten. Ronnie Grob scheint nicht zu wissen, dass sich die journalistische Arbeit nicht darauf beschränkt, Pressemeldungen zu verbreiten. Pressemeldungen können eine Quelle sein, aber sie sind nicht die spannendste Quelle. Darf man das hier nicht sagen, ohne dass es gleich gehässige Reaktionen hagelt? Wenn Ronnie ausschliesslich eine Diskussion über Links wünscht, dann soll er ausschliesslich über Links schreiben. Hat er aber nicht getan.
3. gehört zur journalistischen Arbeit auch, dass man die Ergebnisse seiner Recherchen verifiziert. Das heisst: Man konfrontiert das Opfer der Kritik mit den Vorwürfen. Dabei kann es – oh wunder – vorkommen, dass sich die Vorwürfe in Luft auflösen. Das gehört auch ins Kapitel «unvoreingenommen sein».
4. gehört die attraktive Aufbereitung dazu. Man sammelt Stimmen, macht vielleicht eine Umfrage zum Thema, redet mit Experten, Betroffenen usw. Ein «Infobauer», der einfach eine Pressemeldung abschreibt, arbeitet nicht journalistisch. Ihm fehlt das Wissen und die Zeit dazu.

Aus all dem ergibt sich: Rainer Stadler hat Recht. Es stimmt nicht, dass jeder sein eigener «Infobauer» sein kann. Wer so etwas behauptet, hat nicht begriffen, was Informationen sind und wie Journalisten arbeiten. Wer wirklich etwas dazu beitragen will, dass die Welt mit relevanten Informationen versorgt wird, kann sich nicht darauf beschränken, Pressemeldungen von «Parlamenten, Parteien, Departementen, Gerichten, Polizei (ha!), Firmen, Universitäten, Stiftungen, Organisationen» (Zitat Ronnie Grob) etc wiederzugeben. Ein Journalist, der so arbeiten würde, degradiert sich zum Sprachrohr der erwähnten Organisationen. Man kann natürlich durchaus PR-Texte verwenden, aber man muss sie auch hinterfragen. Von einem Medienwoche-Redaktor erwarte ich, dass er das weiss. Und falls er es weiss, dass er nicht wider besseres Wissen behauptet, jeder könne die Arbeit bequem zu hause erledigen, die die Journalisten jeden Tag mit viel Herzblut, Nervenflattern, Hartnäckigkeit und Fachwissen leisten.