von Torsten Haeffner

Der Wandel ist nicht aufzuhalten

Geht es um die Buchpreisbindung, herrscht hüben wie drüben eine ziemliche Ratlosigkeit: Die Befürworter wollen ihre unter Druck geratenen Margen retten. Die Gegner argumentieren mit der Notwendigkeit des freien Marktes. Klar scheint indes soviel: Mit der Wiedereinführung der Buchpreisbindung würde sich der Buchhandel in falscher Sicherheit wiegen.
Morgen nimmt an dieser Stelle Dani Landolf, Geschäftsführer des Buchhändler- und Verlegerverbands SBVV, für die Wiedereinführung der Buchpreisbindung Stellung.

Die Ratlosigkeit schlug in Empörung um, als Bundesrat Johann Schneider-Ammann Ende Januar – obwohl der Bundesrat dagegen ist – für die Wiedereinführung der Buchpreisbindung plädierte, davon aber von Privatleuten gekaufte E-Books und Bücher ausnahm. Die Befürworter in Parlament und beim Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband zeigten sich erwartungsgemäss entrüstet. Ein solches Gesetz, hiess es unisono, hätte man niemals akzeptiert, weil es nichts brächte.

Man kann – wie dies die Preisbindungsbefürworter auch tun – auf andere Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande hinweisen. Diese Länder kennen eine Buchpreisbindung unterschiedlichster Ausprägung. In den Niederlanden gilt sie beispielsweise nicht für E-Books. Ebenso gut lassen sich aber auch Länder anführen, die dieses Instrument zur Margensicherung nicht kennen. In Ägypten beispielsweise gibt es keine Buchpreisbindung. Dort lassen sich die Verleger ihre Dienste häufig von den Autoren bezahlen. Die – häufig international beachteten und übersetzten – Bücher ägyptischer Schriftsteller werden dann für wenig Geld an die Buchhandlungen abgeben und die sorgen für die Verbreitung des gedruckten Guts unter den Lesern.

Ob das Buch ein Kulturgut sei, wurde an dieser Stelle bereits erörtert. Ist dieses vermeintliche „Kulturgut Buch“ aber nun tatsächlich in Gefahr, wenn sein Preis „frei“ ist? Mitnichten. Das Beispiel Ägypten, aber auch die ellenlangen Listen jährlich publizierter Bücher in anderen Ländern beweisen es.

Bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollte auch folgender Umstand: Die Schweizer Literatur wird seitens der Kantone, des Bundes und diverser Organisationen bereits mannigfaltig gefördert. Alleine die Kantone zahlten laut einer Studie der Uni Zürich im Jahr 2005 (neuere Zahlen sind leider nicht verfügbar) rund 3,8 Millionen Franken an Fördergeldern. Pro Helvetia schreibt – im Auftrag des Bundes – für das Jahr 2012 gerade Werkbeiträge in einer Gesamthöhe von 600.000 Franken aus (Anmeldeschluss: 1. März!). Für die Kulturförderung gesamthaft erhielt sie vom Bund für die Jahre 2012 bis 2015 einen Rahmenkredit in Höhe von 140,4 Millionen Franken. Und dann sind da noch diverse Stiftungen von Privaten und Unternehmen, die grosszügig Gelder für oft anspruchsvolle Literaturprojekte zur Verfügung stellen.

Worum geht es den Verlegern und Buchhändlern denn konkret? Die Verlage wollen ihre Preise zuhanden des Buchhandels autark festlegen können, ohne dass ihnen grosse Handelsketten die Abnahmepreise mehr oder minder diktieren können. Eine Buchpreisbindung würde den Verlagen darüber hinaus relative stabile und heterogene Absatzstrukturen (kleine, mittelgrosse und grosse Buchhandlungen) sichern. Und die Buchhandlungen? Sie hoffen natürlich, sich bei gesicherten Buchpreisen vor dem ruinösen Preiswettbewerb besser schützen und aufgrund dessen einigermassen gut überleben zu können.

Bleibt alles, wie es ist, d. h. kommt die Buchpreisbindung nicht, dann geraten kleine und mittelgrosse Buchhandlungen bei zunehmendem Preisdruck in Existenznot oder unter die Räder, und die grossen Handelsketten werden die Verlage bei der Preisbildung immer mehr unter Druck setzen, worauf deren Margen schwinden. In diesem Falle also würden die klassischen Kräfte des Marktes und des Verdrängungswettbewerbs wirken. Soweit das Horrorszenario der Verlags- und Buchhandlungsbranche.

Bei Licht besehen ist zu fragen: „Na und?“ Natürlich ist es für den einzelnen Buchhändler oder Verleger schmerzhaft, seine Existenz unter dem Druck der Kampfpreise und veränderten Marktstrukturen dahinschwinden zu sehen. Aber dieser Realität sind letztlich alle Teilnehmer und Mitwirkenden funktionierender Märkte ausgesetzt, seien es Milchbauern, Bauunternehmen, Automobilwerkstätten oder Metzger. Sie alle kämpfen gegen sinkende Preise und Margen – und oftmals ums eigene Überleben. Manche überleben, manche nicht. Das ist das Leben.

Vice versa gilt: Eine Vielzahl von Landwirtschaftsbetrieben, Bauunternehmen, Automobilwerkstätten und Metzgereien floriert, weil sie ihr Angebot konsequent umgebaut haben. Statt auf die Produktion von billigen Massengütern oder Dienstleistungen setzen sie konsequent auf die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Güter und Serviceleistungen, für die die Kunden bereitwillig höhere Preise zu zahlen bereit sind. Sollte dies im Buchhandel unmöglich sein?

Markus Schneider, Mitbegründer des Echtzeit Verlags , Basel, plädiert in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift «Schweizer Monat» unter dem Titel «Das Buch ist eine Ware» gegen die Buchpreisbindung. In aller Kürze zusammengefasst, sagt Schneider: Den Verlagen kann es durchaus recht sein, wenn die Preise sinken, weil sie ein grosses Interesse daran haben, hohe Stückzahlen abzusetzen. Und die Buchhändler müssen sich halt nach der Decke strecken und besseren Service anbieten.

So gesehen sollten Buchhändler wie Verlage auf drei andere Erfolgsfaktoren setzen: auf Selbstvertrauen, Pioniergeist und neue Strategien.

Leserbeiträge

Thomas Hürzeler 27. Februar 2012, 11:03

Genau so ist es – mein Wort in Haeffner’s Ohr!

Wenn die Buchdruckereien wegen dem Preisdruck jammern, dann heisst es, wir müssten eben innovativer, fantasievoller, marktkonformer und weissgottwasalles werden. Wenn aber die Buchhändler stöhnen, dann reicht unser aller Staat seine väterliche Hand. Dann ertönt der Kampfruf „Kulturgut“ und auch jene, welche literarisch kaum je über die Kehrseite des Tages-Anzeigers hinausgekommen sind, ergehen sich plötzlich in pessimistischen Betrachtungen zur humanistischen Bildung des Abendlandes.

Falls die Buchpreisbindung beim tumben Stimmvieh durchkommt, dann bin ich als Buchleser und Buchdrucker gespannt, wer nach den Apothekern als nächstes nach Protektion verlangt: die Nailstudios, die Zitrusfruchtimporteure oder die armen kleinen Coiffeurläden? Ich bleibe dran.