Solider Einstand
Erstmals moderiert Sandro Brotz die «Rundschau», die politjournalistische Leitkuh des Schweizer Fernsehens. Das gelungene Moderationsdebüt kommt einher mit Beiträgen von sehr unterschiedlicher Qualität. Wir haben sie einzeln angeschaut.
«Feuer in der Kurve» (Video, 8:03 Minuten)
Ein ausgewogener Beitrag, der es sich aber etwas leicht macht, in dem er alle Lösungen zur Pyrofrage kritisiert – ausser der Repression, die ja bekanntlich auch nicht richtig funktioniert. Gut, dass man nach Wien gefahren ist, um herauszufinden, dass dort die nun angestrebte Lösung der kontrollierten Pyrozündung nicht zufriedenstellend funktioniert. Doch warum wird nur ein Clubvertreter, warum werden keine österreichischen Fans befragt?
«Attacke auf Fristenlösung» (Video, 10:35 Minuten)
Als «christlich und radikal» wird der Zürcher SVP-Gemeinderat Daniel Regli vorgestellt, weil er für ein Verbot der Fristenlösung einsteht. Und der Song «Kei Chance» von Rapper Sent alias Stefan Fischer habe eine «radikale Grundhaltung» (Songtext als PDF-Datei). Abtreibungsgegner als «radikal» zu bezeichnen, ist sicher nicht falsch, so müssten dann aber konsequenterweise auch Gegner der Atomkraft bezeichnet werden. Und alle anderen, die sich nur eine Lösung vorstellen können.
«Ich fand den Bericht grundsätzlich gut», sagt der im Bericht zu Wort kommende Stefan Fischer auf Anfrage. Dass Leute aus der freikirchlichen Szene als «radikal» bezeichnet würden, sei ja nichts Neues, das Schweizer Fernsehen schliesse sich so «erstaunlich kritiklos der Mainstream-Meinung» an. «Sie haben zwar beide Seiten gezeigt, doch durch die Rhetorik zu verstehen gegeben, auf welcher Seite sie eher stehen.»
«Stuhl: Peter Föhn» (Video, 7:05 Minuten)
Das Moderationsdebüt von Sandro Brotz darf man als gelungen bezeichnen, auch wenn er noch sichtlich nervös war. Er schreibt uns auf Anfrage: «Der Anspruch an mich selbst war, eine solide erste Livesendung mit einem attraktiven Studiogespräch bieten zu können. Die vielen positiven Rückmeldungen bestärken mich darin, dass dies gelungen ist – dazu hat die gesamte Redaktion beigetragen.»
Zum Glück tanzt er nicht wie Hannes Britschgi in den 1990er-Jahren um seine Gäste herum (Video, ab Minute 9), aber der Konfrontationskurs mit dem Gast auf dem Stuhl ist noch der Gleiche. Diesmal ist es SVP-Ständerat Peter Föhn, dem Brotz vorwirft, er habe sich nicht «für die Frau eingesetzt». Und warum? Er habe die Mutterschaftsversicherung für Erwerbstätige und das SP-Postulat «Krippen und Tagesschulen bezahlbar machen» abgelehnt. Auch wenn bewusst eine konfrontative Fragenstrategie gewählt wird, ist es doch bedenklich, wenn höhere Staatsausgaben als einzige Lösung, wie man sich «für die Frau» einsetzen kann, dargestellt werden. Erfolgreich demaskiert dagegen wird die Absicht der Abtreibungsgegner, ihr Anliegen mit der Volksinitiative zur Kostenfinanzierung in die Medien zu bringen – wobei, Ironie der Geschichte, die «Rundschau» tatkräftig mithilft. Die Streichung der Abtreibung aus der Grundversicherung würde nämlich nur eine minimale Auswirkung auf die gesamten Gesundheitskosten haben.
Zum Schluss des Interviews wendet sich Brotz an die Zuschauer und sagt:
«Was halten Sie von der neuen Abtreibungsdiskussion? Sagen Sie uns Ihre Meinung. Wir haben für Sie ein Internetforum eingerichtet, diskutieren Sie mit anderen Zuschauern. Oder: Folgen Sie meiner Kollegin Sonja Hasler und mir auf Twitter. Die Informationen dazu finden Sie auf rundschau.sf.tv.»
Was bitte soll das einem abtreibungsdiskussionsinteressierten Zuschauer bringen, wenn er Sonja Hasler auf Twitter folgt? Er erfährt dort doch nur, dass Hasler «jetzt auch modern» ist, dass sie «demnächst einen spanisch-schweizerischen Gotte-Bub» kriegt und dass sie glaubt, sie könne nun «getrost in Pension, äh in die Ferien gehen». Auch im Twitter-Konto von Sandro Brotz findet sich kein Mehrwert zur Abtreibungsdiskussion.
«Alle gegen Angela» (Video, 7:08 Minuten)
Was macht man, wenn man wirklich gar keine Ideen hat? Man geht vor den Berliner Reichstag und befragt deutsche Touristen, was sie zum Kurs von Angela Merkel denken. Und man geht in den Reichstag und fragt deutsche Politiker das Gleiche. Heraus kommen Statements, die zwar fesch klingen, aber völlig nichtssagend bleiben. Etwas Fussball dazu und Bilder von Angela Merkel, deren Farbe zu einem schwarzweissen Bild erstarrt. «Untermauert» wird diese Gemengelage mit Aussagen von Bestseller-Autor Richard David Precht, der als Philosoph und von «Bild»-Kolumnist Hugo Müller-Vogg, der als Merkel-Biograf verkauft wird (gemeint ist wohl dieses, hier von der taz rezensierte Interview-Buch). Am Schluss steht ein Beitrag mit vielen Stimmungen und sehr wenigen Informationen, der den Zuschauer nicht ein Stück klüger macht. Eine regelrechte Arbeitsverweigerung, wie sie im journalistischen Flaggschiff des Schweizer Fernsehens nicht mal gelegentlich vorkommen sollte.
«Als Frau auf Stimmenfang» (Video, 8:14 Minuten)
Kann es ausreichend Berichte geben über mutige Frauen in muslimischen Ländern? Die Antwort lautet wohl Nein, selbst wenn gefühlt jeder zehnte westliche, nicht aktualitätsbezogene, auslandsjournalistische Beitrag von dieser Geschichte handelt. Wenn auch in Libyen so kurz nach dem Krieg noch längst nicht alles in Ordnung sein kann, zeigt Journalist Kurt Pelda so schöne Bilder aus Tripolis, dass man sofort hinfahren möchte. Und auch die klugen und freundlichen Menschen schaffen einen wohltuenden Kontrapunkt zu den letzten Bildern, die sich aus Libyen eingebrannt haben: Der Hinrichtung von Muammar al-Gaddafi durch den Mob.