Unvereinbare Interessen
Zum Zoff um das Interview mit den Degen-Brüdern ist es gekommen, weil zwei Welten aufeinanderprallten: Die Fussballer wollten eine PR-Geschichte und «Bar-Storys»-Herausgeber Christian Nill ein journalistisches Interview. Deshalb hätte es auch nichts gebracht, glaubt Nill, wenn er sich mit den FCB-Spielern im Vorfeld auf ein Autorisierungsprozedere geeinigt hätte.
Man kann es naiv nennen oder einfach vertrauensselig: «Vor dem Gespräch mit den Degen-Brüdern habe ich mit ihnen nie über die Autorisierung gesprochen», sagt Christian Nill und bestätigt damit eine Aussage, die er auch schon der BaZ gegenüber gemacht hat. Aufgrund seiner bisherigen Interviews, die er den Fussballern im Vorfeld zur Lektüre empfohlen hatte, ging er davon aus, dass der Rahmen klar genug abgesteckt sei. Auch David Degen, mit dem sich Nill auf das Interview vorbereitet hatte, brachte die Autorisierung vor dem Gespräch nie aufs Tapet.
Selbst wenn er mit seinen Gesprächspartnern nichts Konkretes vereinbart, hält es Christian Nill für selbstverständlich, die schriftliche Fassung des Interviews zur Autorisierung vorzulegen. Dabei geht er immer gleich vor: «Es gilt die unausgesprochene Spielregel, dass die Gesprächspartner den Text zum Gegenlesen erhalten, die Fakten kontrollieren können und allfällige ‚Änderungswünsche‘ im Text markieren dürfen. Damit sage ich implizit auch, dass es nur darum geht, die Fakten zu kontrollieren und nicht, nach Belieben Änderungen vorzunehmen.» An diese Spielregel habe er sich auch beim Degen-Interview gehalten. Was bei früheren «Bar-Storys» mehr oder weniger reibungslos geklappt hat, funktioniert bei den FCB-Spielern nicht.
Das Gespräch sei komplett umzuschreiben, fordert David Degen, ansonsten er und sein Bruder die Freigabe verweigerten. Nill schreibt eine zweite Fassung, «diesmal fokussierter auf die eigentlichen Inhalte und mit viel weniger Ping-Pong-Schlagabtäuschen der Zwillinge», wie er in einem Kommentar zur Affäre festhält. Doch auch das reicht nicht. Die Fussballer beharren weiterhin darauf, dass das Interview komplett umgeschrieben wird. Für Nill geht das zu weit. Er veröffentlicht das Interview trotz fehlender Autorisierung. Es sollte aber nicht lange dauern, bis sich der Anwalt der Fussballer und der Präsident des FC Basels melden und Nill ultimativ und unter Androhung rechtlicher Schritte auffordern, das Gespräch von der Website zu entfernen. Nill handelt, wie gefordert. Er habe die Situation einfach nicht eskalieren lassen wollen. Ausserdem sei sein Anwalt Anfang August in den Ferien gewesen und habe aus der Ferne den Sachverhalt nicht genau beurteilen können. Dass er die Unannehmlichkeiten hätte verhindern können, wenn er im Vorfeld die Spielregeln klarer definiert hätte, glaubt Christian Nill indes nicht. Er habe sich professionell verhalten, den Gesprächspartnern das Interview vorgelegt und ihnen im üblichen Rahmen die Möglichkeit zum Eingriff geboten.
Der Grund für den Streit um das Interview liegt anderswo: David und Philipp Degen sahen im Gespräch eine PR-Plattform für ihr neues E-Commerce-Projekt. «Es war eine ihrer Bedingungen für das Zustandekommen des Gesprächs, dass wir prominent darüber sprechen würden», sagt Christian Nill. Und auch bei der Wahl der Bar sollte nichts dem Zufall überlassen werden: «David Degen wünschte sich eine Location, die sich für sein Business-Projekt eignet und mit deren Inhaber er schliesslich ins Geschäft kommen kann.» Ihm sei das dann fast ein bisschen zu weit gegangen und er habe David Degen daran erinnert, dass er nicht ihr PR-Schreiber sei, sondern ein unabhängiger Journalist. Offensichtlich ist die Botschaft nicht angekommen. Obwohl sich die Degen-Brüder während des Gesprächs sehr wohl fühlten und Christian Nill in den höchsten Tönen für seine Professionalität als Journalist lobten, bezeichneten sie die schriftliche Fassung als «das schlechteste Interview», das sie je gelesen hätten.
Das Interview eignet sich tatsächlich denkbar schlecht als Werbeunterlage für die E-Commerce-Plattform der beiden Fussballer. Zum einen, weil es den Degen-Brüdern nicht gelingt, das Konzept einfach und verständlich zu erklären, zum anderen, weil ihnen Christian Nill nicht als Steigbügelhalter entgegenkommt. «Ich habe mich nicht auf dieses Thema vorbereitet», sagt Nill. «Schliesslich war es ihr Wunsch, darüber zu sprechen und nicht meiner.» Entsprechend sperrig bis verwirrlich liest sich der Abschnitt; PR sieht anders aus.
Der Streit um das Degen-Interview befindet sich derzeit in der Schwebe; Klage gegen «Bar-Storys» ist bisher keine eingegangen. Christian Nill wiederum fehlt die juristische Sicherheit, das Gespräch erneut zu veröffentlichen. Obwohl er das heute nicht so direkt sagen mag, liegt es auf der Hand, dass er alles daran setzen wird, das Degen-Interview nicht in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Bild: Mischa Scherrer
René Grossenbacher 24. August 2012, 11:42
Viel zu viel Aufhebens um ein überaus mediokres Interview mit zwei Fussballern, die sich gescheiter auf ihre Kernaufgabe (Fussball spielen!) konzentrieren würden anstatt zweifelhaften Businesses nachzuhängen!