von Fabian Baumann

Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit

Immer tiefer sinkt die Basler Zeitung in der Publikumsgunst. Die Auflage befindet sich im freien Fall. Ein Blick in das Blatt zeigt die Gründe für den Absturz: Mit dem Rechtsruck unter Chefredaktor Markus Somm hat die BaZ gleichzeitig das journalistische Niveau gesenkt. Damit gleicht die Traditionszeitung stärker einem Provinzblatt als einem Titel von nationaler Bedeutung.

Am Anfang war das hehre Wort: Als Markus Somm vor zwei Jahren als neuer Chefredaktor der Basler Zeitung vorgestellt wurde, kündigte er an, er wolle eine überparteiliche Forumszeitung machen. In Basel aber waren die Befürchtungen gross. Somm, so dachten viele, würde die BaZ zu einem rechten Kampfblatt umbauen. Zieht man heute Bilanz, so lässt sich sagen: Die Befürchtungen waren berechtigt. Schlimmer noch: Somm hat die BaZ zu einem schlecht geschriebenen rechten Kampfblatt umgebaut. Was vor zwei Jahren noch eine etwas provinzielle Regionalzeitung war, ist heute, je nach Artikel, fundamentalistisch, kleingeistig oder schlicht irrelevant.

Somm selbst hat sich als genau der orthodoxe Priester herausgestellt, als den ihn Constantin Seibt vor zwei Jahren treffend charakterisierte. Seine Kommentare sind hochgradig voraussehbar. Sie handeln von den immer gleichen Feindbildern: EU, Linke, Nette, Umweltschützer, Asylbewerber und so weiter. Zu Stadt und Region Basel hat Somm nach wie vor keinen Bezug gefunden. Wenn er über regionale Themen schreibt, ist seine Ahnungslosigkeit offensichtlich. Kein Wunder: Seine Mission ist eine nationale, keine lokale. «Somm wird sich für Basel neu erfinden müssen», meinte Seibt vor zwei Jahren. Nichts in diese Richtung ist geschehen.

Stattdessen hat Somm die Redaktion seinen Vorstellungen entsprechend umgebaut. Entlassene oder freiwillig gegangene Redaktionsmitglieder wurden durch mehr oder weniger unerfahrene Neulinge von Somms Gnaden ersetzt. Somms Statthalter im Regionalteil sind Mischa Hauswirth und Michael Bahnerth: Beide greifen bevorzugt zum verbalen Zweihänder, beide teilen Somms Feindbilder. «Haudrauf-Hauswirth», wie er genannt wird, hat sich dem Aufblasen der Kriminalitätsproblematik verschrieben. Praktisch täglich erscheint ein Artikel, in dem Basel zum gefährlichen Ghetto hochstilisiert wird. Wie jetzt eine Studie der Universität Zürich zeigt, bewirtschaftet die BaZ die Themen Gewalt und Sicherheit wie keine andere Schweizer Zeitung. Doch damit schreibt man offensichtlich am Volk vorbei. Eine «Sicherheitsinitiative» der Basler SVP wurde diesen Frühling klar abgelehnt. Nun versucht Hauswirth, die rechtsbürgerlichen Regierungskandidaten zu pushen. Und tatsächlich ist die Sicherheit unterdessen zum Hauptthema der Wahlen aufgestiegen.

Für eine kurze Analyse der journalistischen Methoden von Somm und seinen Gesinnungsgenossen genügt der Blick in drei BaZ-Ausgaben. Vom 20. bis am 22. September bot die BaZ alles, was sie seit dem Rechtsruck ausmacht:

Am 20. September im Regionalteil ein Kommentar von Michael Bahnerth zum Streit über die fleischlose Uni-Mensa, welche gewisse Studentenvertreter gefordert haben. Der Artikel ist im Grunde genommen so belanglos wie der Konflikt, den er behandelt. Er ist aber ein gutes Beispiel für die Arbeitsweise der Somm-Adlaten. Kraft seiner Autorität als Fleischkonsument sieht Bahnerth die «pluralistischen Gesellschaft» in Gefahr, sollte die Uni nur noch vegetarisch kochen. In hämischem Tonfall schreibt er über «universitäre Salon-Veganer oder Schickimicki-Vegetarier». «Kein Fleischfresser», so Bahnerth, «käme auf die Idee, Fleischfeinden den Massenverzehr von Salatblättern zu verbieten und ihnen Genozid am Gemüse vorzuwerfen.» Das ist unterstes Stammtischniveau. Wie so etwas in der Redaktion durchkommen kann, ist eigentlich unerklärlich. Am nächsten Tag schreibt übrigens derselbe Bahnerth, Basel sei dabei, «abzugleiten in kleingeistige Sphären und intellektuelle Spiessigkeit». Selbsterkenntnis?

Doch es kommt noch dicker: Bahnerth behauptet, in einer fleischlosen Gesellschaft würden die Menschen hungern, «weil die Erde einfach zu wenig Anbaufläche bietet, um ihre Bewohner vegan satt zu kriegen». Die Tatsache, dass die Fleischproduktion im Vergleich zur Gemüseproduktion ein Vielfaches an Ressourcen braucht, kann auch an Bahnerth kaum vorübergegangen sein. Es ist also davon auszugehen, dass er bewusst Unwahrheiten verbreitet. Häme, Stammtischgepolter, haltlose Behauptungen, das Ganze garniert mit etwas Freiheitsverteidigungsgelaber. Es ist das übliche trostlose Rezept für einen Kommentar in der BaZ, Ausgabe 2012.

Zur Mörgeli-Affäre veröffentlicht die BaZ am 21. und 22. September nicht weniger als fünf Artikel. Vier davon von Beni Gafner, Bundeshausredaktor von Somms Gnaden, Armeespezialist und Schaffhauser. Ganz offensichtlich sind die Artikel über die »politisch hinterhältige Attacke» Teil eines Gegenangriffs zur Entlastung Mörgelis, im Gleichschritt mit der Weltwoche. In Gafners beiden Tageskommentaren wird der SVP-Totentänzer als Opfer einer «erfolgreich arglistig lancierten Aktion» dargestellt. Die Uni Zürich, «das (sic!) Intrigenstadel an der Rämistrasse» ist laut Gafner eine «Wohlfühl-Oase für Heckenschützen», der Rektor überfordert. Mörgelis offensichtliche Verfehlungen werden in einem einzigen Nebensatz erwähnt und von Guido Blumer (der Verleger, dessen Winterthurer Stadtblatt 2008 Pleite ging) als «These» bezeichnet, die «sich die helvetischen Medienschaffenden gegenseitig» abschreiben. Auch das sind BaZ-typische Methoden: Man schiesst gegen die angebliche Bildungselite und die angeblich linken Journalisten. Anerkannte Tatsachen (so zum Beispiel auch der Klimawandel) werden zu blossen Hypothesen degradiert.

In der Samstagsausgabe meldet sich schliesslich auch noch der grosse Zampano selbst zu Wort: Dieses Mal verteidigt er Mitt Romneys Aussage von den Obama-Wählern als 47 Prozent Sozialschmarotzern. Das Sozialsystem, so Somm, führt dazu «dass eine Minderheit der Besitzenden und Reichen von einer Mehrheit auf demokratischem Weg nach und nach enteignet wird». Die Reichen, so Somm, werden übervorteilt und erpresst, das Monster Sozialstaat zerreisst den Zusammenhalt der Gesellschaft. Einmal mehr scheint das verquere Weltbild des Markus Somm durch: Wer nicht reich ist, ist für ihn ein Sozialschmarotzer. Auf krasse Weise betreibt Somm Klassenkampf von oben. Seine Botschaft ist klar: Die Reichen sind die rechtmässige Elite, eigentliche Heilsbringer, welche durch den demokratischen Pöbel bedroht werden. Pflichten gegenüber der Gesellschaft scheinen nur die Armen zu haben. Der Milliardärsgünstling Somm stellt demokratische Prinzipien offen in Frage.

Natürlich gibt es bei der BaZ auch weiterhin Journalisten, welche nicht die Sommsche Ideologie vertreten: Linke Politiker kommen in Kolumnen zu Wort und im Regionalteil arbeiten durchaus noch einige SVP-kritische Leute. Diese lässt man aber hauptsächlich über das Tagesgeschehen schreiben, um so eine Meinungsvielfalt innerhalb der Zeitung vorzugaukeln: eine Feigenblattpolitik, wie man sie von der «Weltwoche» her bereits kennt. Die für Somm wichtigen Themen werden durch Linientreue beackert: Hauswirth schreibt über Gewalt, Bahnerth über Freiheit, Gafner über die Armee und der Chefredaktor fasst in seiner samstäglichen Predigt noch einmal alles zusammen. Durch ständige Wiederholung derselben Litaneien sollen die Leser auf Kurs gebracht werden.

Seit Anfang Jahr erscheint die BaZ zudem auch am Sonntag, ohne dass dafür zusätzliche Mitarbeiter eingestellt worden wären: ein Abfallverwertungsprodukt voller Belanglosigkeiten, welches allein dem Aufblasen der Auflage dient. In Wirklichkeit verliert die BaZ weiterhin Abonnenten und Auflage. Immer häufiger trifft man auch politisch interessierte Basler, welche die einstige Monopolzeitung gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Gleichzeitig scheint auch Somms nationaler Plan nicht aufzugehen. Die BaZ hat es nicht zur landesweit gelesenen Rechtszeitung gebracht. Wer diese Art von Journalismus will, bevorzugt die Weltwoche, wo die Journalisten fähiger sind und das Blatt mit einer gefälligen Aufmachung zur Lektüre animiert. Die BaZ dagegen serbelt in Basel vor sich hin und befindet sich auf dem besten Weg in die Bedeutungslosigkeit.