von Nick Lüthi

Transparenz von Fail zu Fail

Die Frage ist ein Dauerbrenner: Wie deklarieren Medien die Interessen Dritter, die ihre Berichterstattung beeinflussen, etwa Geschenke oder Vergünstigungen? Dass es mit der vielgepriesenen Transparenz nicht weit her ist, zeigen drei aktuelle Fälle fehlender oder mangelhafter Offenlegung aus Schweizer Medien.

Eigentlich wäre doch alles ganz einfach. Aber offenbar immer noch kompliziert genug, dass es mit der Umsetzung nicht richtig klappen will. Mal für Mal verpassen es Medien, sauber zu deklarieren, wenn Dritte Einfluss auf ihre Berichterstattung nehmen. Drei aktuelle Beispiel zeigen: Mit der viel beschworenen Transparenz ist es in Schweizer Medien nicht weit her. Was Medien von anderen fordern, sind sie selber nicht imstande einzulösen. Dabei wäre der Aufwand minimal, das Publikum ins Bild zu setzen, unter welchen Umständen die Berichterstattung zustande gekommen ist.

1. Der Klassiker, Version NZZ
Galicien muss eine schöne Ecke sein. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die NZZ. Der unlängst auf der Reisen-Seite veröffentlichte Text vermag durchaus das Interesse an einem Ferienbesuch er im Nordwesten Spaniens zu wecken. Der geübte Leser geht hier automatisch davon aus, dass jemand zur Reise eingeladen hat. So weit sind wir: Beim Reisejournalismus (und in gleich Masse auch dem Autojournalismus) nimmt man es inzwischen achselzuckend in Kauf, dass er korrupt ist. Genau darum könnte man ja problemlos mit offenen Karte spielen: «Zu dieser Reise hat die Organisation XY eingeladen.» 50 Anschläge reichen. In der NZZ suchen wir die Zeile vergeblich.

Die Autorin der Reisereportage schreibt, sie selbst bedaure den Mangel an Transparenz, aber «die NZZ macht leider nie solche Hinweise». Wie bitte? Der (bewusste?) Verzicht auf Transparenz als redaktioneller Courant normal? Will die Zeitung den Anschein der Käuflichkeit vermeiden? Man würde es gerne vom Chefredaktor persönlich erfahren. Doch der lässt sich bis heute Zeit mit einer Antwort. Wobei er sie auch so gibt. Schweigend.

2. Unvollständig macht verdächtig
Nachdem das Schweizer Fernsehen über Missstände in der Vorzeigehütte des Schweizerischen Alpenclubs SAC am Monte Rosa berichtet hatte, meldete sich die «Schweiz am Sonntag» mit der Gegengeschichte: Üble Kampagne, alles ganz anders, keine Probleme, Hütte läuft einwandfrei. In einem Nebensatz schreibt der Autor, dass er von Siemens zum Hüttenbesuch eigeladen wurde. Danach aber kein Wort mehr zur Rolle von Industriekonzern im Zusammenhang mit dem Renommierbau in den Alpen. Die unvollständig Transparenz irritiert. Was verschweigt der Journalist? Hat etwa Siemens den Lead in der Krisenkommunikation übernommen und Medien aufgeboten, der SRF-Berichterstattung etwas entgegenzuhalten? Nennt die Zeitung den zweiten Teil der Geschichte nicht, weil es für sie peinlich wäre, ihre Käuflichkeit zuzugeben?

Alles viel harmloser. Aber weil nicht offengelegt, führt der Transparenzhinweis auf eine falsche Fährte. In der Realität hat Siemens schon im März zur Pressereise eingeladen, als die Monte-Rosa-Hütte keine Schlagzeilen gemacht hatte. Ein Zufall also, dass ausgerechnet nach den Negativschlagzeilen der Trip zum Objekt angestanden hat. Ein Hinweis auf die speziellen Umstände hätte die Zweifel ausgeräumt. Auch Siemens wäre es recht gewesen, nicht in den Ruch der Spin-Doctors gerückt zu werden. Sprecher Benno Estermann findet: «Es wäre hilfreich gewesen, wenn der Journalist geschrieben hätte, dass die Reise seit Langem geplant gewesen war.»

3. Eingebettet bei Eveline
Interviewtermin hoch über den Wolken. Der Sonntagsblick war exklusiv (für einmal tatsächlich) mit Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf im Bundesratsjet nach Moskau unterwegs. Das Ergebnis des Trips: Ein langes Interview und ein Making-of mit Einblicken in den Arbeitsalltag der Magistratin. Die Kosten für die Reise im Bundesratsjet trägt die Eidgenossenschaft. Daraus hat der Autor auch keinen Hehl gemacht, sondern gar damit kokettiert, wenn er in einem Tweet schrieb: «Moskau retour. Embedded mit Eveline Widmer-Schlumpf in Russland.» Aber wer bezahlte den Rest? Unterkunft und Verpflegung in Moskau? Auch darüber gibt er auf Nachfrage via Twitter Auskunft. Aber wieso nicht gleich und nicht dort, wo es interessiert, nämlich am Ende des Interviews?

Klar gibt es grössere Probleme als die fehlende Deklaration einer Pressereise. Klar gibt es den gesunden Menschenverstand und das Wissen um die Geschichte hinter der Geschichte, selbst wenn der Transparenzhinweis fehlt. Dennoch müssen Medien ein Interesse daran haben, von sich aus und nicht erst auf Nachfrage hin offenzulegen, wie ihre Berichterstattung zustande gekommen ist. Es geht um ihre Glaubwürdigkeit. Wer sich schon im Courant normal schwertut mit Transparenz, wird es nicht leichter haben, wenn es mal wirklich drauf ankommt, die Karten offenzulegen.

Leserbeiträge

bugsierer 24. Juli 2013, 16:27

ein extremes beispiel ist auch gerade die geballte ladung rund um den tragischen tod von carsten schloter. in all den nachrufen scheinen alle allen abzuschreiben und quellen werden kaum genannt.

Nick Lüthi 24. Juli 2013, 16:30

Also uns zitieren sie alle schön brav, Blick hat sogar auf unser Schloter-Interview verlinkt.

Leo 29. Juli 2013, 07:54

Siehe auch „MEDIENKORRUPTION
Reporter im Bordell, aber nicht zum Recherchieren
VON PETRA SORGE18. JULI 2013, – http://www.cicero.de/salon/medienkorruption-reporter-im-bordell-aber-nicht-zum-recherchieren/55107