von Ronnie Grob

Die Wigdorovits-Liste

Ex-«Blick»-Chefredaktor Sacha Wigdorovits lanciert mit einer Liste der Jahreslöhne von Schweizer Chefredaktoren eine Lohndiskussion. Was verdient das Spitzenpersonal in der Medienbranche? Und wie viel ist angemessen?

Mit der Aufweichung des Bankkundengeheimnisses ist die finanzielle Privatsphäre je länger, je weniger privat. Trotzdem redet bis heute kaum jemand darüber, was er hat und was er bekommt. Das Interesse daran, was die anderen so verdienen, ist aber natürlich ungebrochen hoch. Sacha Wigdorovits wollte es wissen und schickte den Chefredaktoren der wichtigsten Schweizer Medien ein höfliches E-Mail und fragte sie darin, wie hoch ihr Lohn sei:

Das Resultat meiner Umfrage müsste eigentlich die Kartellbehörden auf den Plan rufen. Denn die Reaktion aller 16 angefragten ChefredaktorInnen legt den Verdacht einer Absprache nahe. Explizit oder implizit lautete ihre Antwort immer: «no comment». Transparenz ist eben nur gut, wenn sie sich nicht auf einen selber bezieht. Die Mauer des Schweigens, mit der mich die versammelten ChefredaktorInnen umgaben, bewirkte das, was solches Verhalten schon zu meinen journalistischen Zeiten bewirkt hatte: Es stachelte meinen Ehrgeiz an. So begann ich mit allen fiesen Tricks, an die ich mich von früher her noch erinnerte, zu recherchieren und freue mich, euch hier im Sinne eines «Primeurs» (Journalisten-Slang für Stories, die noch keiner veröffentlicht hat), die Topverdiener unter den Deutschschweizer Chefredaktoren bekannt zu geben.

Die am 30. August auf Facebook im Freundeskreis geteilte Liste sei «aufgrund von harten Informationen, Aussagen aus den Verlagen, Erfahrungen und nicht dementierten Zahlen (bei Konfrontation via Telefon oder Email) entstanden»:

Festhalten möchte ich dabei, dass mir diese Zahlen nicht offiziell bestätigt worden sind. Aber die Betroffenen haben sie auch nicht dementiert! Und dies reicht ja üblicherweise in den Medien, damit eine Behauptung als «wahr» gilt.

Und so lauten die Ergebnisse der Recherche von Wigdorovits, die nach seiner Einschätzung eine Fehlertoleranz von +/- 7,5 Prozent aufweisen. Kursiv darin eingeschoben sind einige Reallöhne anderer:

NZZ (Markus Spillmann) 480’000
Schweizer Bundesrat 404’791
Tages-Anzeiger (Res Strehle) 380’000
NZZ am Sonntag (Felix Müller) 320’000
Blick (René Lüchinger) 320’000
SonntagsZeitung (Martin Spieler) 320’000
SRF Radio (Lis Borner) 310’000
SRF Fernsehen (Diego Yanez) 310’000
SonntagsBlick (Christine Maier) 280’000
20 Minuten (Marco Boselli) 250’000
Schweizer Illustrierte (Stefan Regez) 240’000
Handelszeitung (Stefan Barmettler) 240’000
Schweiz am Sonntag (Patrik Müller) 220’000
Neue Luzerner Zeitung (Thomas Bornhauser) 220’000
Bilanz (Dirk Schütz) 220’000
Blick am Abend (Peter Röthlisberger) 200’000
Tele Züri (Markus Gilli) 200’000
Finanz und Wirtschaft (Mark Dittli) 195’000
Aargauer Zeitung (Christian Dorer) 195’000
Berner Zeitung (Michael Hug) 195’000
Basler Zeitung (Markus Somm) 195’000
Journalist mit 7000 Franken/Monat 91’000
Reinigungspersonal mit 3500 Franken/Monat 45’500

Auf Anfrage verrät Wigdorovits, dass er als «Blick»-Chefredaktor 1996 einen Brutto-Jahreslohn von knapp 300’000 Schweizer Franken verdiente («wenn ich mich richtig erinnere»). Ebenfalls publik machte er die Liste am Journalisten-Stammtisch «Kaffee-Gerüch(t)e», sie fand gemäss Wigdorovits «reissenden Absatz».

Was meint die Gewerkschaft zur Höhe dieser Einkommen? «Wir beobachten schon länger ein Auseinanderdriften der Löhne der Topshots und der Basis, insbesondere seit dem Wegfall des GAV Deutschschweiz/Tessin im August 2004», sagt Stephanie Vonarburg von der Gewerkschaft Syndicom. Sie stellt bei den Journalistenlöhnen eine Stagnation mit Reallohnverlust fest, zu erkennen sei ausserdem ein Trend zu tieferen Einstiegslöhnen.

Urs Thalmann vom Berufsverband Impressum betont die verantwortungsvolle Aufgabe der Chefredaktoren, die mit viel Stress und sozialer Verantwortung einhergehe. Ähnliche Verantwortungen würden in einigen anderen Branchen der Privatwirtschaft zwar vergleichbar gut bezahlt. «Doch selbstverständlich stossen uns diese Löhne sauer auf, weil wir wissen, dass die Löhne von Journalisten ohne Führungsverantwortung stark gedrückt werden – und die haben die gleiche Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Die Verteilung des Lohnbugets ist stossend und schädlich. Denn mit ein paar gutbezahlten Topshots ist noch keine demokratische Willensbildung gemacht. Wir brauchen einen guten Bestand an Basisjournalisten, die sehr gut ausgebildet sind, Qualitätsarbeit machen und nicht wegen Lohndrucks gezwungen werden, die Branche zu wechseln.»

Am 24. November 2013 stimmt die Schweiz ab über die 1:12-Initiative, die den höchsten Lohn in einem Unternehmen zwingend als nicht höher «als das Zwölffache des tiefsten vom gleichen Unternehmen bezahlten Lohnes» festsetzen möchte. Es ist nicht anzunehmen, dass das Reinigungspersonal der NZZ mit nur 3500 Franken im Monat bezahlt wird, aber wäre es so, dann könnte Markus Spillmann seinen Lohn nach Annahme der Initiative noch bis auf 546’000 Franken ausbauen.

Leserbeiträge

Anton Keller 09. September 2013, 21:09

Wegen den tiefen Löhne ist es fūr Journalisten interessant in den Kommunikationsabteilungen von Bund in Grossfirmen unterzukommen. Und was verdienen die Chefredaktoren von Migros- und Coopzeiting?

Frank Hofmann 10. September 2013, 08:54

7000 Fr. ein tiefer Lohn? Das sieht man wohl bloss in Zürich so. Es gibt ETH-Absolventen, die weniger verdienen. Etliche Journalisten haben kein Studium abgeschlossen. Journalistenschulen sind niemals gleichwertig. Hingegen sind CR-Löhne von 300’000+ völlig jenseits. Was solche Grossverdiener nicht davon abhält, 1:12 zu unterstützen.

Anton Keller 10. September 2013, 15:38

7000 Fr. ist ein tiefer Lohn, denn in den Kommunikationsabteilungen kommt man bis zu 16000 Fr im Monat.

http://www.derbund.ch/schweiz/standard/Wer-beim-Bund-wie-viel-verdient/story/10436088

Frank Hofmann 10. September 2013, 18:21

Alles ist relativ. Löhne sind abhängig von Branche und Wertschöpfung. Banken, Pharma und die Beraterszene inkl. Anwälte bezahlen die höchsten Saläre. Tagesansätze von 3000 Fr. sind dort normal. Keine Zeitung kann sich das leisten. Der PR-Profi braucht auch keine Grafik, keine Druckerei, keinen Vertrieb etc., um sein Produkt zu verkaufen. Ein kleines Büro reicht völlig. Das gilt zwar auch für den Online-Journi, nur bezahlt dort fast niemand für das Produkt. Und beim Bund kümmern diese überrissenen Löhne ohnehin niemanden, dort läufts nach dem Motto OPM (other people’s money).

Michi Meier 10. September 2013, 08:23

Wirklich frappant ist an der Liste, dass die Chefredakteure beim „Staatsrundfunk“ auch hier zu den Spitzenverdienern gehören! Es wird Zeit, dass die Gebühren für SRF drastisch gesenkt werden!!!

J.Nyffenegger 10. September 2013, 13:49

Die 1:12 Initiative ist doch der verzweifelte aber legitime Versuch, unsere Gesellschaft vor der menschlichen Gier retten.
Interessanterweise habe ich bis jetzt noch kein einziges Argument der Gegner gelesen, warum unbeschränkte Raffgier, der schweizerischen Wirtschaft dienen soll……
Warum wohl gibt es keine Argumente für immer noch höher steigende Löhne ?

Oscar 13. September 2013, 21:21

Ein Teil der Chefredatorenlöhne ist am unteren Ende angesiedelt. Da dürften die Besitzer der Produkte ein bisschen nachlegen. Allerdings sagt die Höhe des Gehalts nicht zwangsläufig auch etwas über die Qualität aus. Da hat’s zwei gewaltige Ausreisser in der Liste…

Markus Saarland 16. September 2013, 09:11

Diese Rangliste kann nur einer toppen, und zwar jemand, der hier nicht erwähnt wird: Der SRF-General Roger de Weck verdient 543’784 Franken pro Jahr!

Und von einer „Lis Borner“ oder einem „Diego Yanes“ habe ich (pardon) als Gebührenzahler noch nie etwas gehört. Nur diese zwei SRF-Angegstellten verdienen zusammen schon CHF 620’000 pro Jahr!

Ich halte an dieser Stelle fest: 3 herausgepickte Angestellte des öffentlich-rechtlichen Staatsfernsehens verdienen bereits über 1,1 Mio Franken pro Jahr.

Kein Wunder will das Staatsfernsehen „ihre“ Gebühren über die Steuerrechnung eintreiben.

Ronnie Grob 16. September 2013, 09:20

543’784 Franken ist der Jahreslohn 2011. 2012 verdiente Roger de Weck gemäss SDA 509’782 Franken.