Raus aus den Schützengräben!
Ronnie Grob hängt einem romantischen Journalismus-Bild nach, wenn er von Medienschaffenden fordert, sich um jeden Preis von PR-Leuten fernzuhalten. In der Realität arbeiten die beiden Seiten pragmatisch zusammen: Die einen brauchen die Informationen, die anderen die Veröffentlichung.
Ronnie Grob beklagt, dass «immer ärmere und gestresstere Journalisten (…) unter dem Druck von immer besser ausgestatteten Kommunikationsabteilungen und Lobbyisten» stünden. In 10 Thesen nagelt Grob die PR-Gilde an die Wand: Journalisten fühlen sich offenbar von PR-Leuten belästigt, und obwohl es diese Branche eigentlich gar nicht bräuchte, gäbe es immer mehr davon. Immerhin trügen Journalisten eine Mitschuld an der «PR-Offensive», weil sie von «Kommunikationsarbeitern» gesteckte Stories, die für den Journalismus schädlich seien, verbreiten. Er kommt zum Schluss, dass man sehr gut Journalismus betreiben könne, ohne je mit Kommunikationsleuten zu kommunizieren. Die «Abwehrschild»-Haltung der PR-Leute sei zudem gänzlich unnötig, da wahre Journalisten keine Unwahrheiten verbreiten würden.
Dieser und ähnliche Beiträge lassen den Schluss zu, dass sich in der Medienbranche anscheinend eine Garde junger, enthusiastischer Journalisten etabliert, welche den Gang in die Schützengräben postuliert, auf dass die Journalisten, welche als Einzige in unserem Staatswesen nach dem Guten, Schönen und Wahren trachten, sich von böswilligen Verwedlern und Verhinderern abgrenzen können. Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt: Hier der hehre Journalist, der im Auftrag und auf der Seite des «Volkes» und ohne Interessenbindungen das Dickicht auf der dunklen Seite der Macht durchforstet. Auf der anderen Seite der bezahlte Informationsverwedler und Journalismus-Verhinderer. Einerseits bewundere ich dieses kompromisslose Berufsverständnis, anderseits würde ich mir als Kommunikationsberater nie anmassen, im Namen einer ungefragten und schweigenden Mehrheit zu sprechen: Ich spreche und handle für eine Interessengruppe, für ein Partikularinteresse oder für eine Unternehmung. Aber das transparent und offen.
So wie es aufseiten der PR-Branche Verhinderer und Verwedler gibt, gibt es bei den Journalisten primeurhungrige Zuspitzer, Stümper und Falschspieler. Keine Branche ohne schwarze Schafe. Die negativen Beispiele auf beiden Seiten dürften sich die Waage halten. Aber die Welt ausserhalb der Schützengräben ist unaufgeregter, als es Ronnie Grob wahrhaben will: Die grosse Mehrheit der Interaktionen zwischen Journalisten und ihren Gegenüber laufen einigermassen fair und auf der Basis des Gebens und Nehmens ab: Die einen brauchen die Informationen, die anderen die Veröffentlichung. In unserer arbeitsteiligen Gesellschaft darf ein Journalist lediglich nicht beleidigt sein, wenn er nicht jedes Mal direkt mit dem Präsidenten oder dem CEO sprechen kann, sondern ab und zu auch mit dem PR-Verantwortlichen vorlieb nehmen muss.
Eine enge «Partnerschaft» zwischen Journalisten und Kommunikationsleuten herbeizureden, wie es bisweilen in unserer Branche geschieht, ist natürlich Mumpitz: Ein konstruktives Geben und Nehmen und damit eine professionelle Zusammenarbeit basiert auf einer gegenseitigen, kritischen Distanz. Und wenn diese kritische Distanz auch in der kleinräumigen Schweiz gewahrt werden kann, erübrigt es sich, in die Schützengräben zu steigen.
Nachwort:
Kurz nach der gestrigen Lektüre der Grobschen Thesen erreichten mich zwei Medienanfragen: ein Interview zum Wert der Netzwerke in der Politik und eine Frage zur besseren Vermarktung Zwinglis in der Stadt Zürich (sic!). Natürlich hätte ich frei nach Grob kontern können, kein PR-Bösewicht sei verpflichtet, mit einem Journalisten zu reden. Aber ich hab’s gemacht, obwohl ich weder von Huldrich Zwingli noch von der Stadt Zürich mandatiert bin. Vielleicht, weil es in den Standesregeln meines Verbandes heisst: «Die Mitglieder erfüllen nach Möglichkeit Informationswünsche von Parlamentsmitgliedern und weiterer interessierter Stellen». Oder weil ich es langweilig finde, im Schützengraben zu sitzen.
Ronnie Grob 06. November 2013, 14:42
Vielen Dank für die Replik. Ich kann die Argumente nachvollziehen, halte aber weiterhin vollumfänglich an den Kritikpunkten fest.
Die von einigen imaginierte Idealwelt, in der Journalisten an der Hand der Kommunikationsarbeiter zu einem Medienprodukt «geführt» werden, das unter ihrer Kontrolle und ihrem Einfluss entsteht, lehne ich vollumfänglich ab. Doch die Verfolgung solcher Ziele ist kein Verbrechen, ausserdem ja gut bezahlt. Meine Kritik ist deshalb, anders, als ich in einigen Tweets gelesen habe («PR-Berater-Bashing», «Kommunikationsleute-Bashing»), gar nicht gegen die PR-Branche, sondern vornehmlich an jene Journalisten gerichtet, die es zulassen, dass PR-Leute ihre Arbeit bestimmen.
Es ist erfreulich, Andreas Hugi, wenn Sie von «kritischer Distanz» zwischen Journalisten und Öffentlichkeitsarbeitern zu schreiben. Wie und ob diese gewahrt wird, muss im Einzelfall beurteilt werden. Ich sehe nur einige als «Journalismus» verkaufte Resultate, die bei den unerkannt bleibenden Strippenziehern im Hintergrund ein unverhohlenes Lachen auslösen werden: Über die eigene Macht und den eigenen Erfolg, aber auch über den Journalismusanteil an diesem «Journalismus».
Ich bin einverstanden, dass es «bei den Journalisten primeurhungrige Zuspitzer, Stümper und Falschspieler» gibt. Wie ich bereits geschrieben habe, sollten diese den Journalismus verlassen und sich direkt von der PR-Branche bezahlen lassen.
Meinen eigenen Alltag nehme ich nicht wahr als ein Aufenthalt im Schützengraben (wenn schon, schiesse ich offen und verstecke mich nicht). Aber für Ringelreihe-Tanzen mit PR-Leuten im Teletubby-Land bin ich auch nicht zu haben.
Peter Eberhard 08. November 2013, 21:13
Materiell habe ich Kollege Hugi nichts beizufügen. Aber, lieber Herr Grob, führen wir hier nicht einen alten, unfruchtbaren Scheinkampf weiter? Selbstverständlich gibt es, da bin ich nicht naiv, auf beiden Seiten Spitzbuben (-mädchen) und professionelles Ungenügen. Aber ich halte an meiner These fest: Wenn sich PR-Leute und Journalisten an ihre jeweiligen professionellen Standards halten (ich verzichte auf eine Aufzählung), ist die Arbeitsteilung klar. Und was mich bei dieser Diskussion erneut irritiert: Mir scheint, als hätten öffentliche Verwaltungsstellen im Umgang mit Journalisten einige Probleme mehr als kommerzielle Unternehmen. Ich jedenfalls, zur Hauptsache für Industriefirmen tätig, hatte noch kaum je solche Schwierigkeiten.
Peter Eberhard, Präsident pr suisse (Schweizerischer Public Relations Verband SPRV)
Philip Kübler 09. November 2013, 10:43
Interessenvertretung, transparent wie im Fall von Andreas Hugi, dessen Agentur die Kunden offenlegt, ist legitim. Und unabhängiger Journalismus, wie ihn Ronnie Grob zeichnet, ist wichtig, braucht aber auch den Zugang zu echten Quellen. Dass sich beide Seiten damit Mühe geben und unter ihren schwarzen Schafen leiden, das glaubt man Ronnie und Andreas gerne. Doch es ist auch die schiere Menge weisser Schafe, die viel Mist macht. Und im ökonomischen Zwang, etwas verkaufen müssen, werden die meisten Schafe gräulich. Also müssen die weissen Schafe beider Seiten am Waschtisch ständig in den Spiegel schauen.
Übrigens wird Medienkritik Schweiz genau diese Frage im 2014 ans Swiss Media Forum im Luzern bringen, auf der Suche nach Antworten und Differenzierung.
Pierre C. Meier 15. November 2013, 13:44
Zur Sache: Glaubwürdigkeit
Das Verhältnis Öffentlichkeitsarbeit versus Journalismus hat Ronnie Grob dazu bewogen, in der Medienwoche zehn Fragen zu formulieren und diese auch gleich selbst zu beantworten. Die Fragen und die zum Teil provokativen Antworten haben dann auch gleich zu etlichen Tweets und einer gepfefferten Gegenmeinung eines der gescholtenen Öffentlichkeitsarbeiter geführt.
In der letzten Werbewoche hat sich unsere Redaktorin Isabel Imper mit einem ähnlichen Thema befasst. Bei ihr ging es um PR-Interviews. Wir liessen PR-Leute, Journalisten und Forscher zu Worte kommen. In einem Kommentar zu diesem Artikel schrieb ich: «Der wachsende Einfluss der Public Relations auf die Themensetzung und die Berichterstattung der Medien ist ein Problem für deren Glaubwürdigkeit. Der Schritt zur PR-Postille oder zum öden Verlautbarungsmedium ist oft kleiner, als man denkt.» Dass diese Aussage nicht einfach aus der Luft gegriffen ist, zeigt die im Artikel erwähnte Untersuchung, die die Publicom 2007 durchführte und in der festgestellt wurde, dass gut die Hälfte der von den Behörden zur Verfügung gestellten Texte von den Redaktionen unverändert übernommen wurde.
Das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) kam 2011 zu einem ähnlichen Schluss (Jahrbuch Qualität der Medien). Bei der Untersuchung des Einflusses von Public Relations in der Unternehmensberichterstattung stellte das Fög fest: «Nicht weniger als 56 Prozent der Unternehmensberichterstattung sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die Deutungsperspektive von Unternehmens-PR unkritisch übernehmen.» Medien würden so zu einem Werbekanal für Unternehmenskommunikation.
Diese Ergebnisse geben zu denken, umso mehr, als sich die Situation in den letzten Jahren sicher nicht zum Besseren verändert hat. Die Gründe dafür sind bekannt. Der Druck auf die Redaktionen steigt: Immer weniger Leute müssen in immer kürzerer Zeit über immer mehr Themen Bescheid wissen, und die Dossierkenntnis ist – wenn überhaupt – nur noch in Teilen vorhanden. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Verlautbarungen von Behörden und Unternehmen unverändert übernommen werden. Es geht hier nicht darum, den Schwarzen Peter zu verteilen.
Es geht darum, dass beide Seiten – Journalisten und Kommunikationsverantwortliche – ein vitales Interesse haben müssten, die Glaubwürdigkeit der Presse zu bewahren. Denn ohne Glaubwürdigkeit des Presse-Titels nützt der schönste PR-Text nichts.
Pierre C. Meier, Chefredaktor