von Nick Lüthi

Weiterhin wenig attraktives Angebot

Die neuen Programme klingen altbacken, der Gerätemarkt bietet wenig Neues und die Werbung schafft es nicht, den Mehrwert von Digitalradio zu vermitteln. Für Radiohörer gibt es weiterhin wenig Grund, auf Digitalradio umzusteigen. Momentaufnahmen aus der Kampfzone.

Der aktuelle Katalog eines bekannten Unterhaltungselektronik-Discounters spricht Bände: Zu kaufen gibt es 30 verschiedene TV-Geräte. Natürlich können alle HD. Das schärfere Bild war noch vor wenigen Jahren der letzte Schrei. Heute wird es nicht einmal mehr speziell erwähnt. Als Verkaufsargumente dienen heute 3D, WLAN-Anschluss und SmartTV. Eine Neuerung löst nahtlos die andere ab.

Im Vergleich dazu steht Radio still. Im selben Katalog des Discounters finden sich sage und schreibe sechs Geräte, die auch 2013 nur UKW empfangen können. Das ist, als ob der Händler auch noch Schwarz-Weiss-Fernseher verkaufen würde. Natürlich hat er auch Digitalradios im Angebot: die zehn Geräte sind entweder ästhetisch anspruchslose Kunststoffkästen oder machen mit ihrem Retro-Aussehen auf Radionostalgie. Zukunft sieht anders aus.

Doch das Angebot widerspiegelt nur die Nachfrage. TV-Geräte werden schneller ausgewechselt als Radios, obwohl sie mehr kosten. Aus einfachem Grund: Die Neuerungen bieten einen wahrnehmbaren Mehrwert. Ein HD-Bild ist sichtbar schärfer als die bisherige Standardqualität. Wenn dagegen mit «kristallklarem Klang» für Digitalradio  geworben wird, dann bleibt das für den Durchschnittshörer ein leeres Versprechen. Das weiss man auch im Handel. Digitalradio sei grundsätzlich kein Renner, heisst es auf Anfrage beim Verband der Radio- und TV-Händler. Selbst ein 30 Jahre alter UKW-Empfänger erfülle das Hörerbedürfnis in den allermeisten Fällen.

Dennoch kommt der Verkauf von Digitalradios voran. Was eigentlich erstaunt mit Blick auf die endlosen Möglichkeiten, online Radio zu hören. Gemäss den letzten verfügbaren Zahlen wurden in der Schweiz bisher 1,2 Millionen Digitalradios verkauft. Was eindrücklich aussieht, relativiert sich schnell angesichts der weiterhin rund 20 Millionen betriebsbereiten UKW-Geräte.

Den bisher deutlichsten Zuwachs für DAB-Digitalradio gab es nach 2008, als die DRS-Musikwelle von der veralteten Mittelwelle direkt auf DAB umgestellt wurde. In einer breiten Promotionskampagne mit verbilligten Geräten konnte ein Grossteil des Stammpublikums zum Umsteigen gebracht werden. Was blieb ihnen auch anderes übrig, wenn sie weiterhin ihr Lieblingsprogramm hören wollten? Das war bisher die einzige konzertierte Aktion der Branche. Seither läuft der Zuwachs vor allem über den natürlichen Erneuerungsprozess. Schliesslich gibt auch das robusteste UKW-Gerät irgendwann einmal den Geist auf und muss ersetzt werden.

Mit neuen Programmen sollen die Leute an die digitalen Radioempfänger gelockt werden. Doch innovative Formate lassen auf sich warten. Die Musik spielt anderswo, im Netz. Hier wird experimentiert, hier entstehen neue Geschäftsmodelle. Die neuen DAB-Sender klingen dagegen erschreckend altbacken. Zum Beispiel das neue Landliebe-Radio, der klingende Ableger des gleichnamigen Wohlfühlmagazins. Oder Bluesky-Radio von 105-Macher Giuseppe Scaglione. Beide bieten ein uninspiriertes und profilloses «Best-of» der letzten Jahrzehnte Popmusik, austausch- und verwechselbar und sicher kein Grund zum Umsteigen.

Kein Wunder, tut sich die Werbung für Digitalradio schwer. Die jüngste grossflächige Werbeaktion war wein weiteres eindrückliche Zeugnis für die Ratlosigkeit. Diesmal sollte eine crossmediale und interaktive Agentenstory zum Kauf neuer Radiogeräte animieren. Bei der aufwändigen Kampagne mit Plakaten, im Web mit Video und über eine App verbunden, dürften allerdings die wenigsten realisiert haben, dass es um DAB geht.

Dabei gäbe es eine simple Botschaft, die alle verstehen. Die Senderwahl ist so einfach, wie beim TV: Tastendruck, neuer Sender. Gerade in der Küche, wo viele Radio stehen, ist das ein unschätzbarer Vorteil. Taste 1 für Sender 1, Taste 2 für Sender 2, ganz ohne Schräubeln und Justieren mit schmutzigen Fingern am Drehrad.

Die Prognosen für 2014 sehen nicht ganz so düster aus wie der Status quo. Insbesondere im Programmbereich wird sich einiges tun. Zahlreiche Kleinst- und Kleinsender, die es sich aus Kostengründen bisher nicht leisten konnten, digital zu senden, werden dank neuer Technologie ihr Programm in lokalen DAB-Netzen verbreiten können. Ausserdem hat sich die Branche zusammengerauft und will gemeinsam am Karren ziehen. Siehe dazu das Interview mit Privatradiopräsident Jürg Bachmann.

Leserbeiträge

Maurice Velati 10. Januar 2014, 22:39

Es gibt dann doch noch einen wesentlichen Mehrwert, den wir bei Radio SRF1 auch durchaus promoten: Dank DAB+ sind die Regionaljournale endlich rauschfrei und ohne lästige Sendeunterbrüche hörbar… zum Beispiel auch während einer Autofahrt und über die angestammte Region hinaus. Das dürfte für einige RadiohörerInnen doch noch ein Argument sein… um auszusteigen bei UKW…

Nick Lüthi 13. Januar 2014, 21:43

Die Regionaljournale in Ehren. Dass die nun endlich auch digital zu hören sind, ist keine Innovation, sondern eine längst fällige Anpassung an das UKW-Angebot. Dass man in Bern nun auch das Regi Ostschweiz hören kann, interessiert aber nur ein paar Hardcore-Exilanten und ist quantitativ vernachlässigbar. Ausserdem sind regionale Informationen nicht das Kerngeschäft von SRF. In dem Sinn taugen die digitalen Regis schlecht als Zugpferde.

Chris Alder 24. Januar 2014, 20:03

Der Start mit DAB und der kurz darauf folgende Wechsel auf DAB+ war wohl der grösste Fehler. Viele Leute waren damals bereit auf das „neue Digitale Radio“ umzusteigen um kurz darauf feststellen zu müssen, dass sich ihre Investition nicht gelohnt hat. Auch ich bin noch Besitzer eines DAB (ohne +) Empfängers und nutze diesen nicht mehr. Ebenfalls halte ich es für problematisch, dass mit DAB nur noch die Landessender und keine ausländischen mehr empfangen werden können. Ein Umstieg auf DAB+ im Auto wäre für mich somit eher ein Verlust als ein Gewinn. Radiostreams die mit TuneIn, Sonos und co in der exakt gleichen Qualität wie DAB+ empfangen werden können kennen hingegen keine Grenzen und können ebenfalls mobil „empfangen“ werden. Der Gewinner wird wohl einmal mehr dasjenige System sein, welches keine weniger Einschränkungen, resp. Grenzen kennt und bereits heute den Empfang von tausenden von Sendern rund um die Welt in kristallklarem Klang ermöglicht. Wozu also noch DAB?