von Ralf Turtschi

Der Kuppler vom Dienst

Im Deutschen kennzeichnet der Bindestrich, auch als Kupplungsstrich oder Divis bezeichnet, die Zusammengehörigkeit von zwei oder mehreren Bestandteilen. Ausserdem wird er als Trennstrich am Ende der Zeile eingesetzt. Das Divis bereitet beim i-Punkt ­keine Mühe, aber wie stehts bei der Frage: Sieht Rot-Grün schwarz-weiss oder orange­rot? Ob der G-8-Gipfel auf den Punkt kommt oder eine 180°-Kehrtwende vollzieht, macht sich in der richtigen Schreibweise einfach besser.

Divis bei Abkürzungen, Buchstaben  und Ziffern
Der Einsatz des Bindestriches ist hier nicht immer klar geregelt, auch unlogisch, und manchmal wie die Schreibweise mit oder ohne Divis akzeptiert. So gilt: 25-jährig, 50-Jahr-Jubiläum, 4-Zylinder-Motor, 2-mal, Omega-3-Fettsäuren, 1500-m-Lauf, y-Achse, PIN-Code, Unesco-Weltkulturerbe, EU-kompatibel, GATT-konform, die 10-fache Menge, um das 8-Fache überschritten, die K.-o.-Phase, im ½-Final, der ¾-Takt. Die Abkürzung von Liter liest sich gekuppelt nicht optimal: statt 1,5-l-PET-Flasche schreibt man besser 1,5-Liter-PET-Flasche. Umgekehrt liest sich 2000-W-Gesellschaft leichter als Zweitausend-Watt-Gesellschaft.

Beim Format A4 wird das Kürzel als Einheit angesehen und nicht mit Leerschlag getrennt. Somit heisst es A4-Blatt und nicht A-4-Blatt. Sprachwissenschaftler meinen, wenn der Buchstabe von ­einem Begriff stammt, der nicht direkt dem Buchstaben zugeschrieben wird, dann steht ein Leerschlag. Bei A4-Blatt kommt das A von der DIN-A-Reihe, einer Norm. Daher steht nach dem A kein Leerschlag: A4, A5, C5, C6/5.

Wenn hingegen der Buchstabe für ein Wort steht, soll er mit Leerschlag ­getrennt werden, so die Meinung: Ü-30-Party, U-21-Mannschaft. Persönlich finde ich diese Differenzierung spitzfindig, praxisfremd und unleserlich. Ich empfehle, Buchstaben direkt an die Zahl zu setzen und sie als gesprochene Einheit anzusehen: U21-Mannschaft, Ü30-Party. Denn oft ist die Herleitung nicht ganz klar, weil sie in Vergessenheit geraten ist oder aus dem Englischen stammt. Bei A1-Baustelle und S4-Bahnhof: Woher stammt schon wieder der Buchstabe? In der Regel steht er für ein ganzes Wort, hier für Autobahn oder Stadtbahn. Die A4-Autobahn ist ein ­Quasi-Pleonasmus– ebenso die zurzeit in den Medien beschriebene G-8-Gruppe, was ausgedeutscht ja Gruppe-der-acht-Gruppe heisst. Die einheitliche Schreibweise von Zahl und Buchstabe ohne Kupplung ist einfacher im Gebrauch und besser leserlich.

Bei den Begriffen «3D-Drucker» und «3D-Film» steht die Zahl vor dem Buchstaben, der Duden sieht auch die gekuppelte Version als richtig an:  3-D-Drucker und 3-D-Film.

Bei Zahlen mit Nachsilbe und einem nachfolgenden Wort kuppelt man dieses an: 70er-Jahre, 4er-Abteil, 9er-Tram, 68er-Generation, 94er-Jahrgang.

Wortverbindungen
Der Bindestrich steht bei mehrwortigen substantivisch gebrauchten Begriffen wie Rund-um-die-Uhr-Betrieb, 24-h-Gesellschaft, A-fonds-perdu-Beitrag, Kosten-Nutzen-Rechnung, Pro-Kopf-Verbrauch, Von-Wattenwyl-Gespräche, ­Cassis-de-Dijon-Prinzip, Schengen-­Dublin-Abkommen, Alles-oder-Nichts-Frage, Best-of-seven-Serie. Er steht bei gleichwertigen und eigenständigen Adjektiven: die schweizerisch-italienische Grenze, die rot-grüne Mehrheit im Parlament.

Ab vier Bestandteilen werden Wörter zur besseren Leserlichkeit gekuppelt: Unfall-und-Krankentaggeld-Versicherungs-Prämie. Als Alternative zur Divisschlacht empfehlen sich die Anführungszeichen: «Too big to fail»-Bank.

Das Divis wird eingesetzt, um Missverständnissen vorzubeugen oder einzelne Bestandteile hervorzuheben: Die Hoch-Zeit der Mayas, Schlittenhunde-­Rennen, Viereinhalbzimmer-Wohnung, der 1.-April-Scherz ist nicht das gleiche wie der 1. Aprilscherz (der erste, der zweite, der dritte).

Farben
Der Bindestrich wird bei Farben verwendet, wenn die Farben als eigenständige Farben gemeint sind: Das Kleid ist grün-orange gemustert, die schwarz-weisse Deutung der Populisten. Die Unternehmensfarben liegen im Bereich Rot-Vio­lett-Blau. Hingegen steht kein Divis, wenn es sich um eine Mischfarbe handelt: Die Sonne ging orangerot unter, das Meer zeigt sich türkisblau.

Marken- und Firmennamen
In Zusammensetzungen mit Marken- und Firmennamen wird durchgekuppelt: M-Budget-Linie, Hugo-Boss-Produkte, Betty-­Bossi-Rezept. Hier bestehen aber oft Hausregeln ohne Bindestrich, die in der Werbung eingesetzt werden. 3M Mitarbeiter, BMW xDrive Kam­pagne, Swisscanto Säule-3a-Konto, Voice of Switzerland Kandidaten. Es ist allerdings zu beachten, dass es in einem journalistischen Umfeld andere Regeln zu berücksichtigen gilt als in einem Unternehmensprospekt.

Nachsilben
Im Zusammenhang mit einer Nachsilbe steht ein Bindestrich, wenn damit ein einzelner Buchstabe verbunden wird: die x-te Anfrage, schon x-mal überprüft. Wenn eine Ziffer der Endung vorangeht, steht dazwischen kein Bindestrich: ein 100stel Millimeter, 100%ig richtig, der 30ste ­Geburtstag.

Divis als Ergänzungszeichen
Der Bindestrich wird als Ergänzungszeichen eingesetzt: 2- bis 3-mal, Weiss- und Rotweine, sprach- und hilflos.

Englisch
Im Zusammenhang mit englischstämmigen Wörtern wird ein Bindestrich eingesetzt, wenn der Begriff im deutschen Text (Duden) vorkommt oder mit einem deutschen Wort verbunden wird: Dow-Jones-Index, Prepaid-Abo, SIM-Karte, Time-out-Ankündigung, Full-HD-Bildschirm, die RTL-Soap-Schauspielerin, E-Book-Reader, Win-win-Situation, One-Man-Show, WLAN-Hotspot, Start-up-Unternehmen. Mit den grassierenden Anglizismen sind hier gewisse ungeregelte Freiräume entstanden, Gross- und Kleinschreibung eingeschlossen.

Daten
Die standardisierte Schreibweise von Daten nach dem SchemaJJJJ.MM.TT benötigt einen Bindestrich: 2014-04-01. Im Französischen wird der Bindestrich als Bis-Strich bei Zahlen/Daten eingesetzt: 1-5 pages, 1.5-8.5.2004, 1er-5 avril. Im Italienischen steht das Divis ebenfalls als Bis-Strich. Ausserdem steht im Französischen wie im Italienischen kein Punkt nach der Monatszahl, wenn ihr keine Jahreszahl Folgt. Im Deutschen wird als Bis-Strich der etwas längere Halbgeviert­strich eingesetzt.

Divis und Begriffszeichen
Begriffszeichen (Ideogramme) sind Zeichen, die ohne Sprachkenntnisse gedeutet werden können: ° § % & * ® + © † # @. Im Zusammenhang mit der Einbindung ins Deutsche stellt sich die Frage, ob es vor diesen Zeichen einen Abstand hat oder nicht. Ein Beispiel: Die 360°-­Panoramasicht liest sich besser als die gekuppelte Variante 360-°-Panorama­sicht. Das Gradzeichen verfügt unten über viel Weissraum, was die Einbindung ins Satzbild mit Divisen erschwert. Das Gleiche gilt auch für die beliebte politische 180°-Kehrtwende oder den 50°-Zielschuss. Zeichen, die über einen solchen Weissraum verfügen, soll man ohne Leerschlag direkt an das vorangehende Wort oder die Zahl setzen: 30%, 5″, 45°, 60+, Sternchen* oder hoch- und tiefgestellte Ziffern wie bei der CO2 -Abgabe und dem m2-Preis.

Die Begriffszeichen werden also nicht gekuppelt: die 17″-Alufelgen oder die 15″-Bildschirmdiagonale, die 60-plus-Generation führt in der Kurzform zur 60+-Generation. Ebenso: 5‰-Grenze, nicht 5-‰-Grenze, die 5%-Hürde nicht die 5-%-Hürde.

Das Et-Zeichen (&) wird im Zusammenhang mit Firmen- und Markenbezeichnungen (und nur dort) richtig eingesetzt: Hennes & Mauritz, Bed & Breakfast, D & G, C & A, M & Ms. Wenn solche Bezeichnungen mit einem weiteren Wort eine Verbindung eingehen, werden sie gekuppelt. Dabei steht das &-Zeichen ohne Wortzwischenraum. Statt der unleserlichen H-&-M-Mitarbeiterin ist H&M-Mitarbeiterin besser leserlich. So auch D&G-Brille, B&B-Unterkünfte, Abercrombie­&Fitch-Mode. Lorenz Keisers Soloprogramm «Brot und Chäs & Rock ’n’ Roll» mit seinen drei verschiedenen Schreibweisen von «und» würde sprachlich und aus Sicht der Leserlichkeit Höchstschwierigkeiten bieten, wenn es durchgekuppelt werden müsste. Da es sich hier um einen Werktitel handelt, der angeführt werden muss, entfallen jedoch die vielen Bindestriche: Das «Brot und Chäs & Rock ’n’ Roll»-Publikum applaudierte begeistert.

Geografische Namen und Strassen­bezeichnungen
Das Divis wird bei Ortsbezeichnungen verwendet, die sich aus zwei Ortschaften zusammensetzen: Hasle-Rüegsau, Langnau-Gattikon, Rapperswil-Jona, Ambri-Piotta. Bei zweisprachigen Gemeinden kennzeichnet der Schrägstrich den Sprachwechsel: Biel/Bienne, Domat/Ems, Bosco/Gurin. Zusatzbezeichnungen wie Ortsteile, Rayons, ­Zonen oder Räume werden ohne Divis mit geschütztem Leerschlag angefügt. Die Strassenschilder liegen hier, entgegen den Bundespublikationen, oft falsch. Bei Basel-City, Aarau-Ost, ­Industrie-Nord, St. ­Gallen-Kreuzbleiche, Baden-Zentrum oder Zürich-Hauptbahnhof wird also kein Bindestrich gesetzt. Ebenso: Davos Dorf, Bern Weissenbühl, Nord­ring Zürich, Zürich City, Frauenfeld Ost, Burgdorf Zentrum.

Die Gemeinden bestimmen, wie sie amtlich heissen. Dass es nun bei der Beschriftung von Ortsteilen und Strassen zu unterschiedlichen Schreibweisen kommt, ist nicht für alle gleich gut zu ertragen: Ober-Rifferswil, Unterrifferswil oder ungewohnte Abkürzungen wie Unt.-Rifferswil oder Hint.-Mettliweg erleichtern den GPS-gewohnten Besuchern oder Ausländern nicht gerade, das Ziel zu finden.

Strassennamen werden zusammengeschrieben: nicht Bahnhof-Strasse und Uto-Quay sondern Bahnhofstrasse, Utoquay, Brünigweg, Giacomettistrasse, Hauptplatz, Schillerplatz.

Bei mehrteiligen Namen wird durchgehend gekuppelt: Ferdinand-Hodler-­Strasse, Dr.-Faust-Gasse, C.-F.-Meyer-Strasse, St.-Anna-Gasse, General-­Guisan-Quay, St.-Moritzerstrasse (aber St.-Moritz-Strasse). Adelspartikel in Strassennamen sollten wenn möglich nicht abgekürzt werden: Von-Werdt-­Passage (nicht v.-Werdt-Passage), ­Johann-Wolfgang-von-Goethe-Platz (nicht J.-W.-v.-Goethe-Platz).

Der Bund empfiehlt aus Kostengründen, bestehende Namen nicht nach neuer Rechtschreibung zu ändern, aber bei neuen Schildern danach zu verfahren (konsequent nach Duden). Ebenso ist es mit den Umlauten am Wortanfang: Aegertenstrasse soll nicht zu Ägertenstrasse werden und Oetwil nicht zu Ötwil. Solche Weisungen führen logischerweise dazu, dass Beschriftungen mehr Zeugnis des sprachlichen Wandels sind, als dass sie helfen, ein Ziel zu finden oder in der IT einige Probleme zu verhindern.

Quellen:
Bundeskanzlei; Verordnung 510.625 über die geografischen ­Namen GeoNV

Bundeskanzlei; Empfehlung «Gebäudeadressierung und Schreibweise von Strassen­namen für die deutsch­sprachige Schweiz»

Bundeskanzlei; Schreibweisungen, Weisungen der Bundeskanzlei zur Schreibung und zu Formulierungen in den deutschsprachigen amtlichen Texten des Bundes

SNV; Norm 612040 «Gebäudeadressierung»

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Leserbeiträge

Marco 16. April 2014, 14:27

Zwar kein Bindestrichproblem, aber trotzdem eines, auf das vielleicht jemand Antwort weiss. Ich lese in letzter Zeit immer wieder „Im 2013 wurden…“ anstatt „Im Jahr 2013 wurden…“ resp. „2013 wurden…“. Ich finde das absolut widerlich zu lesen, aber ist es korrekt?

Frank Hofmann 16. April 2014, 18:10

Marco, deine Abneigung ist angebracht. Diese Formulierung ist falsch. Es gibt eine weitere falsche: „In 2013 …“, die vom Englischen übernommen wird.