Der gut gemeinte Tipp der Bundesrätin
Medienministerin Doris Leuthard geisselte jüngst die Innovationsfeindlichkeit der Medienbranche. Während andere Wirtschaftszweige die staatlichen Fördermassnahmen nutzten, so die Bundesrätin, seien die Verlage nicht einmal dazu imstande. Doch Leuthard irrt. Sowohl Tamedia als auch NZZ haben bei der Kommission für Technologie und Innovation KTI Projekte eingereicht – mit unterschiedlichem Erfolg.
Medienkritik gehört inzwischen in den höchsten Kreisen zum guten Ton. Nach Verteidigungsminister Ueli Maurers Brachialschelte vor laufender Kamera in der «Rundschau» dauerte es nicht lange, bis auch Bundesrätin Doris Leuthard die Verlagsbranche ins Gebet nehmen sollte.
Zwar führte die Magistratin bei ihrem Auftritt am Swiss Media Forum die feinere Klinge als ihr Kollege, aber sie zielte damit auf einen besonders sensiblen Punkt: die Zukunftstauglichkeit. «Das Problem ist innovativer Stillstand», redete die Medienministerin der versammelten Verlegerprominenz ins Gewissen.
Nun geziemt es sich für eine Medienministerin nicht unbedingt, nur auszuteilen. Darum reichte Leuthard der Branche die Hand und sagte: «Die Fördertöpfe sind für alle Branchen der Wirtschaft da.» Leuthard wies darauf hin, dass das Geld aus der Kommission für Technologie und Innovation KTI auch der Medienbranche offenstehe. Sie verstehe nicht, warum die Medien dieses Angebot nicht nutzten. Auch wenn solche Ignoranz gut zum Bild passen würde, das die Bundesrätin von der innovationsfeindlichen Branche zeichnet, liegt sie damit falsch. Die Förderinstrumente des Bundes sind den Medien sehr wohl bekannt. Und sie werden auch genutzt.
Sowohl die NZZ Gruppe als auch Tamedia haben zusammen mit dem Institut für 4D-Technologien der Fachhochschule Nordwestschweiz jüngst Projekte ausgearbeitet und als Gesuche bei der KTI eingereicht. Mit unterschiedlichem Erfolg. Das Gesuch der NZZ wurde gutgeheissen und die Arbeiten am Projekt laufen bereits. Tamedia hatte weniger Glück, ihr Gesuch wurde abgewiesen. Die Partnerschaft mit einer Hochschule ist eine Voraussetzung um bei der KTI überhaupt ein Gesuch einreichen zu dürfen. Die staatlichen Fördergelder von rund 400’000 Franken kommen jeweils dem Forschungspartner zu und nicht dem Unternehmen aus der Privatwirtschaft.
Beim Tamedia-Projekt Swarmpulse geht es um eine «automatische Nachrichtenaggregierung mit Hilfe Sozialer Medien». Ziel ist es, einen neuartigen Nachrichtenticker zu bauen, der im Kern auf den Aktualisierungen und Neuveröffentlichungen von Wikipedia basiert. Die Masse der freiwilligen Mitarbeiter des Online-Lexikons reagiert bei nahezu jedem newswürdigen Ereignis schneller als eine Nachrichtenagentur. Da die Wiki-Edits alleine nicht vertrauenswürdig genug sind, werden die Ereignisse mit anderen Quellen, die mithin schnell reagieren, etwa Twitter oder Blogs, auf ihre Relevanz geprüft. So weit so innovativ. Damit Fördergeld fliesst für den wissenschaftliche Part des Projekts, müssen aber ein paar Bedingungen erfüllt werden.
Für Informatik-Professor Manfred Vogel, der das Projekt auf Seiten der FHNW begleitet, stand die Fördertauglichkeit von Anfang an in Frage. Er habe mit einer Abweisung des Gesuchs gerechnet. Zu vieles sei noch ungeklärt geblieben, etwa die Frage nach den Verwertungsrechten am fertigen Produkt. «Ich kann den Entscheid der KTI schon nachvollziehen», sagt Vogel. Das sei aber nicht weiter tragisch. «Wir könnten ein nachgebessertes Projekt einreichen.» Doch darauf verzichtet Tamedia. Sie zieht das Projekt nun ohne staatliche Fördermittel durch. Dafür holt Tamedia renommierte Medienunternehmen aus dem Ausland mit ins Boot. Dennoch bleibt der Ärger über die Ablehnung. Erst recht, nachdem die Ausführungen von Bundesrätin Leuthard am Swiss Media Forum den Eindruck erwecken konnten, als ignorierten die Medienunternehmen die staatliche Innovationsförderung.
Erfolgreicher mit ihrem Gesuch war die NZZ. Ihr KTI-Projekt, das ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Institut von Manfred Vogel entstanden ist, hat grünes Licht erhalten und die Arbeiten an Cafaio sind bereits angelaufen. Die Abkürzung steht für «Crossmedial Analytics Framework with Artificial Intelligence and Optimization». Besser verständlich geht es hierbei um die Entwicklung von Analyse- und Planungsinstrumenten, um einen «idealen Marketing-Mix für unterschiedliche Zielgruppen zu finden». Das Neuartige daran ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich der Marktanalyse.
Der unterschiedliche Erfolg der beiden Gesuche zeigt, dass staatliche Innovationsförderung weder Selbstbedienungsladen noch Allheilmittel ist. Der Rat von Doris Leuthard war bestenfalls gut gemeint. Ausserdem lassen sich ein paar hunderttausend Franken, wie sie von der KTI bereitgestellt würden, im Budget eines Medienunternehmens immer irgendwo auftreiben.